Nachrichten

#Ziege zum Abendbrot, roh!

Inhaltsverzeichnis

Ziege zum Abendbrot, roh!

Man gewöhnt sich an alles – auch an Zeitreisende, auf die uns die Fiktion vorbereitet hat, seit Mark Twain von einem „Yankee am Hofe des Königs Artus“ erzählte (1889), H.G. Wells die „Time Machine“ (1895) erfand, „Catweazle“ (1970) im Fernsehen und „Time Bandits“ (1981) im Kino aufschlugen. Zahlenmäßig können Zeitreisende allerdings eine Herausforderung sein. Das zeigt „Beforeigners“, eine von HBO Nordic produzierte Serie, die von Anne Bjørnstad und Eilif Skodvin (dem Duo hinter der Komödien-Serie „Lilyhammer“) geschrieben wurde: Allein im aktuellen Jahr kommen hier in Norwegen 13000 Menschen an, die eben noch in der Steinzeit, der Wikinger-Ära oder dem 19. Jahrhundert zu Hause waren. Und jeden Tag kommen mehr. Sie kommen unter dramatischen Umständen über das Meer, werden von helfenden Händen aus dem Wasser geholt und in Auffanglager gesteckt. Und vielen von ihnen vermag der Sozialstaat danach zu helfen: Norwegen gibt ihnen ein Dach über dem Kopf und arbeitet an ihrer Integration.

Aber es sind schon sehr viele, und sie bringen Gewohnheiten mit, die sie nicht abstreifen wollen. Die saturierte Bevölkerung Oslos trifft auf Steinzeitmänner in den Bäumen und unzivilisierte Wikingerhorden in den Parks. Das sogenannte „Barcode-Viertel“ hinter der Oper, ein Neubauviertel am Fjord, das vor dem ersten Aufflackern des Fjordes noch von Immobilienmaklern als bestes Investment empfohlen wurde, ist zum Problemviertel geworden. Gangs aus dem 19. Jahrhundert geben den Ton an. Bei den mesolithischen Nachbarn, die ihren Nachwuchs grausame Historienserien im Fernsehen anschauen lassen, gibt es die Ziege zum Abendbrot blutig. Damit muss man umgehen lernen.

„Finde deinen inneren Wikinger“

Ist das lustig? Unbedingt! „Beforeigners“ ist nämlich eine sehr clevere Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Flucht, der Europa seit Jahren beschäftigt und auch noch lange beschäftigen wird. Der Clou besteht auch darin, dass hier ausgerechnet jene auftauchen, die als Urnorweger schlechthin gelten müssen – und doch kommt es zum „Culture Clash“, die Fremdenfeindlichkeit greift um sich. Die Vertreter der Willkommenskultur wiederum begeistern sich für Dinge, die in Wirklichkeit schnell mal rechtsnationalistisch besetzt sind: Die Namen hipper Kneipen in Oslo sind in Runenbuchstaben geschrieben, in den Buchläden liegt der Ratgeber „Finde deinen inneren Wikinger“, im Rundfunk laufen Sendungen in vereinfachter Sprache: „Und nun die Nachrichten für unsere Hörer aus dem 19. Jahrhundert: Guten Morgen, ein weiterer ereignisreicher Tag in unserem Königreich steht bevor.“

Hier kommt wirklich alles in den satirischen Blender – und heraus fließt ein benebelnd bunter Met-Cocktail. Dass „Wikinger“ in „Beforeigners“ nur noch Menschen „von nordischer Abstimmung“ genannt werden sollen, versteht sich in der multitemporalen Gesellschaft von selbst. Und in der Nationalgalerie müssen aus Rücksicht auf die Gefühle von Neuankömmlingen Schilder an Historienschinken angebracht werden, die (natürlich auf Altnordisch, das in „Beforeigners“ auch viel zu hören ist, und Mesolitisch) vor „potentiell traumatisierender Kunst“ warnen. Man kann das verstehen: Urd (Ágústa Eva Erlendsdóttir) etwa, Veteranin der „Schlacht von Stikklestad“ im Jahre 1030, die für Norwegens Christianisierung entscheidend war, rastet vor einem Gemälde ohne Warnhinweis aus und kann es auch sonst, beim Gang durch die Stadt, gar nicht fassen, dass „Olav der Dicke“ als „Olav der Heilige“ verehrt wird – neben einem Gott, der sich kampflos ans Kreuz schlagen ließ, anstatt zu kämpfen, wie es sich für Götter geziemt.

Im Mittelpunkt der Story steht ein Polizisten-Duo. Kommissar Lars Haaland (Nicolai Cleve Broch aus „Lifjord“) sucht mit Neuzugang Alfhildr (Krista Kosonen) – Oslos erster Polizistin mit „multitemporalem Hintergrund“ – den Mörder einer Steinzeitfrau. Beide Ermittler haben persönliche Probleme, wie es sich für einen Skandi-Krimi gehört: Haaland, Vater von Ingrid (Ylva Bjørkaas Thedin), ist süchtig nach einem Beruhigungsmittel, das neuankommende Migranten im Flüchtlingslager erhalten; Ex-Frau Marie (Agnes Kittelsen) brannte mit einem Sinnsprüche-klopfenden Herrn aus dem 19. Jahrhundert durch. Alfhildr glaubt Bekanntschaften aus dem 11. Jahrhundert wiederzuerkennen.

Ein Steinzeitmann namens Navn (Oddgeir Thune) läuft indes splitternackt durch die Nordmarka, um einem Kaninchen den Hals umzudrehen und anschließend mit ausgiebig ausgestellter Manneskraft zu seiner Jetztzeitgeliebten zu schleichen, die das Blog „Höhlenfrau“ betreibt und eine Kollektion mit „Cave“-Kissen vorstellen will. Das ist so schräg wie sehenswert.

Beforeigners läuft um 23.35 Uhr im Ersten.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!