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#Zuflucht im Chaos einer zerstörten Welt

„Zuflucht im Chaos einer zerstörten Welt“

Heilung, Stärkung und Hoffnung sind immer wiederkehrende Worte, wenn Menschen über ihre Erfahrungen mit der Musik Ludwig van Beethovens sprechen. In der Reihe „Begegnungen mit Beethoven“ in der F.A.Z. berichtete der Bariton Matthias Goerne, wie Beethovens Musik ihm in Kindheitstagen ganz grundsätzlich weiterhalf: „Im Kranksein zu Hause hat mich die Leidenschaft für diesen Komponisten am tiefsten erfasst. Solche Musik hilft beim Gesundwerden. Es gibt ständig etwas im Leben, wovon man gesund werden muss. Und ich glaube, dass diese Musik viel zur inneren Stabilisierung und zur Heilung beiträgt“.

Der heute in San Francisco lebende Komponist Jake Heggie berichtet nun im Gespräch mit der F.A.Z. etwas ganz Ähnliches: „Ich wuchs auf in einer Kleinstadt in Ohio, und Beethoven war einfach der Held meiner Kindheit. Als ich zehn Jahre alt war, nahm sich mein Vater das Leben. Die Welt brach zusammen. Alles in mir und um mich war Chaos. Aber in Beethoven fand ich Halt, Zuflucht und Stärkung. Meine inzwischen hochbetagte Mutter staunt bis heute darüber, wie ich mich stabilisierte dadurch, dass ich mich in die Musik versenkte. Allein schon, dass diese Musik existierte – das gab mir damals Hoffnung.“

Heggie ist derzeit als Komponist zu Gast bei der Beethoven-Woche im Bonner Beethoven-Haus, dem ersten Kammermusikfest dieser Reihe, das nach mehr als zwei Jahren Corona-Pause wieder vor Publikum im Hermann-Josef-Abs-Saal stattfinden kann. Es ist zugleich das erste Publikumsfest unter dem neuen Präsidenten des Beethoven-Hauses Daniel Hope. Der Geiger hatte im März 2020 die Nachfolge der Bratschistin Tabea Zimmermann angetreten.

Danach befragt, worin er denn seine Aufgabe im neuen Amt sehe, muss Hope erst einmal tief Luft holen. Dann sagt er: „Also, Beethoven braucht meine Hilfe nicht. Seine Musik auch nicht. Aber ich muss vielleicht für unsere Zeit neu in Worte fassen und begreiflich machen, wer Beethoven war, welche Wirkung seine Musik hatte und immer noch hat. Das muss man jeder Generation neu nahebringen, sonst gibt es einen Wissensabriss, der verheerend wäre.“ Eine von Hopes ersten programmatischen Taten war die Erinnerung an den Geiger Joseph Joachim, den ersten Präsidenten des Beethoven-Hauses, der als Dreizehnjähriger unter der Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy Beethovens Violinkonzert in London gespielt und dem Werk dadurch vehement zur Durchsetzung im Repertoire verholfen hatte.

Joachim, der mit Johannes Brahms und Clara Schumann eng befreundet und zugleich Gründungsrektor der königlich-preußischen Hochschule für Musik in Berlin gewesen war, begründete die Tradition von Kammermusikfesten an Beethovens Geburtshaus. „Er war sogar der Erste, der in dieser Region ein Kammermusikfestival ins Leben gerufen hat“, erzählt Malte Boecker, der Direktor des Beethoven-Hauses. Hope ergänzt: „Nach meiner Kenntnis war es hier, während Joachims Konzerttätigkeit im Rahmen seiner Bonner Präsidentschaft, wo es die erste zyklische Aufführung aller sechzehn Beethoven-Streichquartette in einer Konzertreihe überhaupt gegeben hat.“ Hope hatte während des Lockdowns einige der Konzertprogramme Joachims nachgestaltet und ohne Publikum für das Radio von WDR 3 aufzeichnen lassen.

Mit einem Streichquartett Beethovens, dem „Quartetto serioso“ f-Moll op. 95, begann nun auch die erste Beethoven-Woche seit zwei Jahren, bei der Publikum wieder zugelassen ist. Die vier jungen Männer vom Quatuor Arod stürzten sich in die Musik, dass die Bogenhaare rissen und durch die Luft flogen. Leidenschaft ist für sie offenbar eine Frage des Tempos, der Gesten und Geräusche, weniger der Gedanken. Erstaunlich aber, wie das Ensemble in diesem Sturm zusammenhielt und die Botschaft schäumenden Unmuts quasi mit einer Stimme vortrug. Lise de la Salle als anmutig-brillante Schwerstarbeiterin am Klavier und Daniel Hope an der Solovioline mit zunächst heiserem, dann glutvoll singendem Ton gesellten sich beim Concert op. 21 von Ernest Chausson hinzu.

Am 4. Juni wird dann die Uraufführung der „Fantasy Suite 1803“ für Violine und Klavier von Jake Heggie zu erleben sein. „Langsam und in sich gekehrt, frei“, beginnt sie. Heggie denkt dabei an Beethoven, der sich gern anderen Menschen mitteilen wollte, aber durch wachsende Taubheit und die angespannte Konzen­tration auf seine eigene Kunst daran gehindert wurde: Porträt eines Empfindsam-Zerrissenen.

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