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#Zusammenarbeit von Delfin und Mensch

„Zusammenarbeit von Delfin und Mensch

Menschen und Meeressäuger sind keineswegs immer Konkurrenten, wenn es um Fisch geht – sie können auch zum beiderseitigen Vorteil eng zusammenarbeiten, wie Wissenschaftler festgestellt haben. Demnach besteht eine solche Symbiose zwischen Fischern im Süden Brasiliens und den dort lebenden Delfinen. Die Meeressäuger helfen den Menschen beim Fang von Meeräschen (Mugil liza), indem sie die Fischschwärme auf die Fischer zutreiben und diesen signalisieren, wann sie ihre Netze auswerfen sollen. Diese Hilfe erhöht den Fangerfolg der Fischer erheblich, steigert aber auch die Überlebensrate der Delfine, wie Auswertungen ergaben. Allerdings ist dieses seltene Beispiel einer kooperativen Zusammenarbeit zwischen zwei Arten bedroht.

Ob in Vogelschwärmen, bei jagenden Löwenrudeln oder futtersuchenden Ameisen: Bei vielen Tierarten hängt das Überleben und der Erfolg der Spezies von der engen Kooperation der einzelnen Individuen ab. Wenn die Tiere beim Beutefang oder der Suche nach Nahrung und geeigneten Habitaten zusammenarbeiten, profitieren sie selbst, aber auch ihre Artgenossen. Doch auch zwischen verschiedenen Arten gibt es Formen der Kooperation und Symbiose, wie etwa bei Einsiedlerkrebsen und Seeanemonen oder Korallen und ihren Algen. Deutlich seltener sind solche artübergreifenden Kooperationen allerdings bei Raubtieren, die an der Spitze ihrer Nahrungsnetze stehen. Ihre Beziehung ist meist von der Konkurrenz um Beute geprägt – dies gilt auch für uns Menschen und unser Verhältnis zu anderen großen Fleischfressern im Tierreich.

Mensch und Delfin fischen gemeinsam

Doch es gibt Ausnahmen. Denn unter bestimmten Umständen hat sich auch zwischen Menschen und um die gleiche Nahrung konkurrierenden Tieren eine Zusammenarbeit entwickelt. Ein solches Beispiel haben nun Biologen um Mauricio Cantor vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell und dem Marine Mammal Institute der Oregon State University näher untersucht. An der Küste von Laguna im Süden Brasiliens praktizieren Netzfischer schon seit mehr als 140 Jahren eine enge Kooperation mit den dort lebenden Großen Tümmlern (Tursiops truncatus). Beide fangen dort vor allem Meeräschen (Mugil liza), eine in tropischen und subtropischen Gewässern häufige Fischart. Die Fischer warten im flachen Wasser stehend auf das Auftauchen der Delfine. “Es war bekannt, dass die Fischer das Verhalten der Delfine beobachten, um festzustellen, wann sie ihre Netze auswerfen sollten”, erklärt Cantor. Das verschafft den Fischern in der Regel einen üppigeren Fang.

Unklar war jedoch bisher, wie sich Mensch und Meeressäuger bei dieser Zusammenarbeit synchronisieren, ob auch die Delfine ihr Verhalten an die Fischer anpassen und ob sie von der Kooperation ebenfalls profitieren. Um das herauszufinden, haben Cantor und sein Team das Verhalten der Fischer und Großen Tümmler über 15 Jahre hinweg untersucht. Dabei beobachteten und befragten sie die Fischer und verfolgten mithilfe von Drohnen, Mikrophonen und Unterwasseraufnahmen das Verhalten und die Reaktionen der Delfine. Zusätzlich nutzten sie Sonargeräte, um auch die Meeräschen zu überwachen. Auf diese Weise gelang es dem Team, die Details dieser ungewöhnlichen Mensch-Delfin-Zusammenarbeit zu ergründen.


Delfine zeigen den Fischern, wo sie ihre Netze auswerfen sollen. (Video: Max-Planck-Gesellschaft)

Aktive Kooperation von beiden Seiten

Die Auswertungen ergaben: Während die Fischer erst ins Wasser gehen, wenn sie die Delfine sichten, lassen sich die Delfine primär von der Präsenz der Meeräschen leiten. Das zeigt, dass es kein Zufall ist, wenn beide Arten zusammen im Wasser sind: Die Menschen nutzen die Delfine als Anzeiger dafür, dass sich im Wasser lohnende Beute verbirgt. Doch im nächsten Schritt passen auch die Delfine ihr Verhalten an die Präsenz der Fischer an: Sie treiben die Meeräschenschwärme in Richtung der im Wasser stehenden Fischer und nähern sich dabei bis auf rund zwölf Meter an die Menschen an, wie Cantor und sein Team feststellten. Dies erhöht die Dichte im Fischschwarm und sorgt für Unruhe unter den Meeräschen. Nun geben die Delfine den Fischern das Signal, die Netze auszuwerfen – in der Regel, indem sie abrupt abtauchen. “Wir wussten nicht, dass die Delfine ihr Verhalten aktiv mit den Fischern koordinieren”, sagt Cantor.

Doch welche Vorteile haben die Meeressäuger von diesem kooperativen Verhalten? Bei den Fischern ist die Bilanz klar: In Zusammenarbeit mit den Delfinen fangen sie im Schnitt fast viermal mehr Meeräschen als alleine. Doch auch die Meeressäuger profitieren, wie Cantor und sein Team herausfanden. Wenn die Delfine mit den Fischern gemeinsam jagen, steigt ihre Überlebensrate im Vergleich zu unkooperativen Artgenossen um 13 Prozent. Zudem legen die Beobachtungen nahe, dass die Delfine bei ihrer Jagd von der Konfusion der vor den Netzen eingeengten Meeräschen profitieren. “Unsere Aufnahmen enthüllen zudem, dass die Delfine auch einige ins Netz gegangene Meeräschen fangen”, so das Team. Ähnliches berichteten auch die Fischer: 61 Prozent von ihnen gaben an, dass sie manchmal spüren, dass die Tümmler eine oder zwei Meeräschen aus dem Netz nehmen. “Die Zusammenarbeit ist also für beide Seiten von Vorteil”, so Cantor.

Damit repräsentiert diese Kooperation das seltene Beispiel einer für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit zwischen zwei Arten an der Spitze der Nahrungskette. “Das macht dieses Verhalten so interessant. Es lehrt uns, unter welchen Bedingungen sich Kooperation entwickeln kann und unter welchen sie aussterben oder von einem kooperativen in ein kompetitives Verhältnis umschlagen könnte”, sagt Co-Autor Damien Farine, der die Forschung während seiner Zeit am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie durchführte und jetzt an der Universität Zürich und der Australian National University tätig ist. Allerdings ist die traditionelle Kooperation von Netzfischern und Delfinen in Brasilien im Schwinden begriffen. Weil die Bestände der Meeräschen in diesem Gebiet in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen sind, sinkt das Interesse an dieser traditionsreichen Zusammenarbeit. “Eine solche für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit zwischen Wildtieren und Menschen wird immer seltener und ist weltweit gefährdet”, so Cantor. “Ihr kultureller Wert und die biologische Vielfalt, auf der sie beruht, sind unschätzbar und müssen erhalten werden.“

Quelle: Mauricio Cantor (Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie, Radolfzell / Oregon State University) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2207739120

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