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#Zwischen Schicksal und verrohten Anreichsitten

Zwischen Schicksal und verrohten Anreichsitten

Der legendäre Ball der Herzogin von Richmond, bei dem die gesamte Führungsriege des englischen Militärs zugegen war, fand am 15. Juni 1815 in Brüssel statt, was sich im Nachhinein als eher ungünstig gewählter Ort und Zeitpunkt für eine gesellschaftliche Vergnügung erwies. Auf der einen Seite zogen sich die Preußen zurück, auf der anderen rückten die Napoleonischen Truppen an. Um ein Uhr nachts wurde gegessen, kurz danach kam der Marschbefehl, nicht wenige Offiziere zogen in Ausgehuniform in den Krieg, während die letzten Paare noch tanzten. Drei Tage später ist die Schlacht von Waterloo geschlagen.

All das ist geschichtlich belegt. Die Fiktion setzt mit der Ankunft von James (Philip Glenister) und Anne Trenchard (Tamsin Greig) samt ihrer achtzehnjährigen Tochter Sophia (Emily Reid) ein, die, obwohl nur wohlhabend gewordene Kaufleute ohne Adelstitel, eine Einladung zu diesem Ereignis ergattern konnten. Eingefädelt hat das Lord Edmund Bellasis (Jeremy Neumark Jones), fiktiver Sohn der einladenden Herzogin und einer der begehrtesten Junggesellen Londons, der sich sehr für Sophia interessiert. Den Elternteilen ist diese unpassende Verbindung einigermaßen unangenehm, Vater James ausgenommen, der für gesellschaftliche Feinheiten wenig empfänglich ist und ohnehin in jeder Situation übers Geschäft spricht.

Das Geheimnis der Vergangenheit ist gut vergraben

Nun kehrt der junge Lord Bellasis nicht aus der Schlacht zurück. Und Sophia ist schwanger. Dies ist die Prämisse der Serie „Belgravia“, wie schon „Downton Abbey“ aus der Feder von Julian Fellowes, einem Experten für Rang und Etikette. Er kann ganze Szenen um eine falsch präsentierte Bratenplatte herum bauen, was nur halb amüsant ist, denn zur anderen Hälfte war genau diese Etikette über Jahrhunderte hinweg die Säule und Existenzberechtigung der britischen Upperclass. Das legt Fellowes seinem Downton-Butler Carson in einer Szene einmal fast genau so in den Mund, und wenn er es sagt, klingt das sogar plausibel. Doch die Geschütze, die „Belgravia“ auffährt, sind weniger subtil als die Verrohung der Anreichsitten beim Dinner.

Die Handlung setzt 26 Jahre nach dem Ball wieder ein. James und Anne sind noch erfolgreicher und wohlhabender geworden, ihr etwas tölpelhafter Sohn und Stammhalter Oliver hat die wenig sympathische Susan geheiratet, beide wohnen noch bei den Trenchards. Die gemeinsamen Abendessen sind kein Vergnügen, schon gar nicht für die sensible, warmherzige Mutter Anne. Und Tochter Sophia, so erfährt man aus den ersten Folgen, starb im Kindbett, ihr Sohn wurde einem Pastorenehepaar anvertraut und lebt irgendwo im Norden. Das Geheimnis der Vergangenheit ist gut vergraben, das uneheliche Kind außer Sichtweite und eigentlich kein Skandal in Sicht.

Kein Ende der Nostalgie

So könnte es bleiben, ließe sich Anne nicht von den Gefühlen anderer erweichen und sollte hier nicht eine Geschichte erzählt werden. Bei einer dieser gerade in Mode gekommenen Teegesellschaften der Herzogin von Bedford trifft Anne abermals auf die Herzogin von Richmond, die sich sogar an die unpassenden Gäste von damals erinnert. Sie gibt sich allerdings milde, denn sie bedauert, nach dem Tod des einzigen Sohnes keine leiblichen Nachkommen zu haben. Und so wagt es Anne, ihr bei nächster Gelegenheit von dem unehelichen gemeinsamen Enkel zu erzählen. Der lebt unter dem Namen Charles Pope mittlerweile als tüchtiger, integrer und aufstrebender Baumwollhändler in der Nähe, auch dank James Trenchard, der in das Geschäft investiert hat. Und natürlich hat Lady Richmond noch einen komplett nutzlosen Neffen, der alles erben soll, was sie sehr bedauert.

Tüchtige junge Männer werden am Ende belohnt: Charles Pope (Jack Bardoe) und Lady Maria Grey (Ella Purnell).


Tüchtige junge Männer werden am Ende belohnt: Charles Pope (Jack Bardoe) und Lady Maria Grey (Ella Purnell).
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Bild: TVNOW / Carnival Film & Television

Wie das Ganze weitergeht, kann man sich ausmalen, wenn man ein, zwei englische Romane aus dem neunzehnten Jahrhundert gelesen hat. Die nutzlosen Söhne werden spionieren und intrigieren, die tüchtigen Söhne werden am Ende belohnt oder wenigstens reich heiraten, und was so alles noch unversehens aus der Vergangenheit auftaucht, kann nach den Gesetzen des gutgeölten Gesellschaftsskandals über Nacht alles ändern. Auch „Downton Abbey“ leistete sich solche Handlungselemente. „Belgravia“ allerdings kann längst nicht mit so differenziert gezeichnetem Personal aufwarten, vor allem das Dienstpersonal wirkt eilig dahingetuscht. Und die wunderbaren Hauptdarsteller Tamsin Greig und Philip Glenister können nicht alles allein rausreißen, so tapfer sie sich auch bemühen. Das ist alles schön ausgestattet, das ist gut gemacht – die bewährten Produzenten von Downton Abbey sind wieder am Start –, aber etwas fehlt. Liegt es vielleicht daran, dass „Belgravia“ auf einem Roman basiert, während Downton von vorneherein als Serie angelegt war und gleich mehr in die Breite gehen kann mit aller Epik und allen Verwicklungen?

Wer nun enttäuscht ist, der kann sich damit trösten, dass mit „The Gilded Age“ für HBO eine weitere Fellowes-Serie gedreht wird, in der unter anderem Cyn- thia Nixon und Jeanne Tripplehorn im New York der 1880er Jahre um einen Platz an der Sonne der gesellschaftlichen Respektabilität kämpfen. Und der zweite „Downton Abbey“-Film folgt schon im nächsten Frühjahr. Ein Ende der Fellowes-Nostalgie in Fernsehen und Kino ist bis auf weiteres also nicht abzusehen.

Belgravia – Zeit des Schicksals läuft auf TVNow.

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