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#11 Dinge, die wir am Münchner Nachtleben vermissen

11 Dinge, die wir am Münchner Nachtleben vermissen

Es wird Zeit, sich mal wieder den Dingen zu widmen, die wir als Münchner*innen besonders gut können. Bier trinken? Ja, in gewissem Sinne, aber was wir eigentlich meinen: Den guten, alten Zeiten und all den Orten hinterher trauern, an denen wir eigentlich so gerne Bier trinken würden. Das war nämlich schon immer unsere Paradedisziplin. Denn anstatt uns an dem zu erfreuen, was uns das Münchner Nachtleben (als es das noch gab) bietet, haben wir lieber rumgeheult, wie toll das Atomic war und wie viel besser das Harry Klein, als es uns noch am Ostbahnhof verschluckte und dass wir doch viel lieber in den 70er Jahren in München gefeiert hätten.

Ja und jetzt? Jetzt hört man nicht mal mehr den Sound of Silencer, sondern nur noch Stille.

Und jetzt haben wir den Salat. Denn wie das eine Weile nach einer unverhofften Trennung so ist, merken wir plötzlich, was wir an der Beziehung so hatten. War ja doch nicht alles schlecht. Klar, das Bier war teuer, aber man konnte es wenigstens noch versehentlich jemandem drüber schütten. Yes, die Clubdichte war nicht riesig, aber dafür wusste man, woran man ist. Ja und jetzt? Jetzt hört man nicht mal mehr den Sound of Silencer, sondern nur noch Stille. Münchner Nachtleben, du fehlst nicht nur Redakteur Schelzke, du fehlst uns allen!

Nina vermisst zufällige Treffen und die Suche nach dem besten Preis-Rausch-Verhältnis

1. Zehn kleine Biere durchs Café Kosmos balancieren und mit der Secco-Buddel durchs Bahni tigern

Café Kosmos

Auch wenn meine Familiengeschichte etwas anderes erzählt: Im Herzen bin ich Schwäbin. Zumindest wenn es um das Klischee des Sparefrohs geht. Und so ist es mir stets wichtig, meinen Rausch nicht nur in Sachen Sozialverträglichkeit, sondern auch Kontostand-freundlich zu steuern. Ich geb’s zu: Letzteres konnte ich besser. Und so entwickelte ich meine heimliche Party-Superpower: Immer zu wissen, mit welchen Bestellungen ich das beste Preis-Rausch-Verhältnis erreichen würde – und natürlich welcher Barmensch gerade wo seine Schicht abstand, um mir den ein oder anderen Gratis-Schnaps rüber zu schieben.

Damals im Atomic trainierte ich, um möglichst viel aus der Mate-Flasche abzufüllen, die dann vom Barkeeper mit Vodka aufgefüllt wurde. Im Café Kosmos balancierte ich für meine Freunde massenweise kleine Biere für 1,50 Euro durch den vollen Laden und gönnte mir zusätzlich den geheimnisvollen Drink des Tages für schlappe 3,50 Euro. Und während im Bahnwärter Thiel alle wegen der Bierpreise heulten, klemmte ich mir eine Flasche Prosecco unter die eine Achsel und eine Flasche Mate unter die andere und fand dadurch endlich einen Rausch, der günstig und sozialverträglich zugleich war.

2. Dank Münchner „Zufällen“ nie lang allein bleiben

Tanzvergnügen 1 Jahr Mit Vergnügen München – So schön war's auf unserer Geburtstagsparty

Ja, die Floskel „München ist ein Dorf“ ist so ausgelutscht wie…sorry, aber der Vergleich kann in einem Text übers Nachtleben nur schief gehen, aber ich hoffe, ihr wisst, was ich meine. Jedenfalls ist die Phrase alt, aber eben auch auf vielen Ebenen wahr. Ich könnte ein Buch schreiben über all die „Münchner Zufälle“ und „Daily Soap“-artigen emotionalen und körperlichen Verstrickungen von Menschen in meiner Umgebung – mich einbegriffen. Richtiger Enthüllungsjournalismus wäre das. Also im wahrsten Sinne des Wortes. Was ich aber eigentlich sagen möchte: Mir fehlt es unheimlich, einfach planlos – und manchmal sogar allein – ins Cucurucu zu stürmen, im Fox vorbeizuschneien, die Treppe zum Goldenen Reiter hinabzugleiten (manchmal schlittern bis fallen). Immer in dem Wissen, dass da schon irgendjemand steht, mit dem man ratschen, tanzen und eventuell auch einfach knutschen kann, wenn’s is‘.

3. Birkenstock bis Balenciaga: Vorm Pimpernel kotzen sie alle gleich

In Zeitungsartikeln, die von Menschen geschrieben werden, die noch auf wilden „Feten“ gefoxtrottet (okay, wow) haben, ist gerne vom „Partyvolk“ die Rede. Als ob jeder Mensch, der nach 22 Uhr das Haus verlässt, um einen Tanzlokal aufzusuchen, gleich wäre. Leute, selbst in München ist das ein bunter Blumenstrauß verschiedenster Partyvölker mit den unterschiedlichsten Wünschen und Vorstellungen – vor allem in Sachen Outfits, Musik und Mitfeiernden. Die einen wollen Call me Maybe und Glitzer an den High Heels, die anderen Techno und Glitzer im Hirn. Und so gibt es auch für alle einen Platz in den Clubs dieser Stadt.

Außer es ist 4 Uhr morgens und man will noch ein bisschen woanders tanzen. Dann hören die Partyvölker alle das gleiche Signal und machen sich auf zum letzten Gefecht – zu Beispiel ins Pimpernel oder die Gruam. Dort werden dann mit „dem wirklich letzten Schnaps“ alle Unterschiede egalisiert und sich bis zum gemeinsamen Erbrechen in den Armen gelegen. Ja, das fehlt mir. Das in den Armen liegen natürlich.

Ida sehnt sich nach der Kloschlange und dem obligatorischen Mitternachtssnack

4. Sich mit fremden Menschen in der Kloschlange verschwestern

Club Nachtleben

Es gibt wohl kaum einen Ort im Club, an dem mehr Liebe herrscht als in der Kloschlange. Diese magischen dreieinhalb Minuten, in denen man in der Ferne den Bass wummern hört und unter grellem Neonlicht von einem Bein aufs andere hüpft, weil der dritte goldene Ferrari dann doch ordentlich in der Blase drückt – that’s where the real magic happens! Mit verschmierter Mascara und außer Puste von den letzten durchtanzten Stunden werden hier noch mehr Komplimente als Teile verteilt und mit vollkommen Fremden auf Schwesternschaft getrunken.

Während man sich im nüchternen Alltag meist nicht traut, fremden Menschen auf der Straße zu sagen, wie ansteckend man ihr Lächeln und wie grandios man ihr Outfit findet, bricht beim Feiern alles aus einem heraus: Laune und Pegel sind auf dem Höhepunkt, Hemmschwelle und fehlplatziertes Schamgefühl auf dem Tiefpunkt und man möchte Menschen einfach mal sagen, wie krass man sie findet. Ach je, ich freue mich schon auf die Zeiten, in denen man endlich wieder vollkommen verschwitzt fremden Menschen in den Armen liegen und der willkürlichen Lobhudelei unter Neonleuchten fröhnen kann!

5. Kulinarische Hochgenüsse beim Mitternachtssnack am Sendlinger Tor

Nirgends schmeckt’s so gut wie bei Mama? Nirgends schmeckt’s so gut wie nachts am Sendlinger Tor! Es ist einfach ein ungeschriebenes Gesetz, dass auch der räudigste Mitternachtssnack zum kulinarischen Hochgenuss wird, wenn man davor ein bis elf Weinschorlen inhaliert hat. Let’s face it: Der schönste Moment der Nacht ist eigentlich, wenn man aus dem Tanztempel des Vertrauens in die dunklen Straßen stolpert und durch die Frischluftpeitsche aufgeweckt feststellt, dass jetzt ein grandioser Moment für Currywurst wäre. Egal ob Bergwolf, Bazi’s, Gute Nacht Wurst oder der shady Pizza-Laden an der U-Bahnstation – angedüdelt in eine deftig fettige Ladung Kohlenhydrate zu beißen, ist einfach das Höchste der Feiergefühle!

Lilli will sich wieder unsterblich verlieben und den ganzen Tag mit Kater im Bett liegen

6. Sich jede Nacht neu schockverlieben

Folgendes Szenario: Ihr sitzt mit Freund*innen in einer Bar eures Vertrauens oder steht alleine am Tresen, um neue Getränke zu holen. Und dann ist da auf der anderen Seite des Raumes, am gegenüberliegenden Ende der Theke dieser unglaublich schöne Mensch. Unter anderen Umständen und bei Tageslicht betrachtet würde euch diese Person vielleicht gar nicht auffallen. Aber das schwummrige Licht, die Euphorie der Nacht und der gewisse Pegel treiben die Emotionen nach oben. Eure Blicken treffen sich und, zack, da ist es um euch geschehen. Hallo, Schockverliebtheit!

Diese Liaison zwischen euch und dem*der Fremden hört allerdings auch genau hier auf. Ihr kehrt mit neuen Getränken an euren Platz zurück, widmet euch wieder dem Gespräch. Die Bubble der Schockverliebtheit bleibt konserviert – es geht nicht darum, jede Nacht jemand Neues mit nach Hause zu nehmen.

7. Der Sonntagskater als gesellschaftlich akzeptierter Grund, im Bett zu bleiben

Kater

Wie es nach jeder guten Trennung ist, verschönert man in der Erinnerung den ein oder anderen negativen Charakterzug der Verflossenen. Aber mal ehrlich: War der Kater nach dem Feiern wirklich so schlimm? Das bisschen Dröhnen im Schädel, der kleine Anflug von Übelkeit – come on! Wenn wir ehrlich sind, ist der sonntägliche (Sonntag hier stellvertretend für sämtliche Wochentage) Kater der einzig gute und in der Münchner Gesellschaft akzeptierte Grund, einen ganzen Tag im Bett zu bleiben. Als unter einem Kater Leidende*r, wird man höchstens gefragt, ob man sich schon das Konterbier reingestellt hat. Und wenn alle Stricke reißen, wartet die rettende Paulaner Spezi im Kühlschrank des nächsten Kiosk.

Beim nächsten Mal könnte man ja weniger trinken? Der ganzen Misere gekonnt aus dem Weg gehen? Nix da! Her mit drei Weinschorlen und vier Blutgrätschen zum nachspülen. Ich will mir meinen Kater verdienen!

Schelli träumt von echten Konzertperlen und Drinks, die die Hausbar nicht hergibt

8. Konzerte, die das Leben in der Stadt rechtfertigen

Feierwerk

Meine Eltern wohnen auf dem Land. Manchmal entsteht bei meinen Besuchen ein belebtes Gespräch darüber, wo es sich besser leben lässt: Land oder Stadt. Und immer, wirklich immer wenn alle Argumente vorgetragen wurden, ziehe ich meine Trumpfkarte. „Ja, aber Kultur!“ Es ist mir egal, wo du wohnst, aber wenn dein kultureller Höhepunkt das jährliche Volksfest ist, dann will ich nicht dein Nachbar werden. In München haben wir zwar auch einen etwas zu groß geratenen Rummel, aber die kulturellen Höhepunkte liegen für mich in den Konzerthallen dieser Stadt.

Sei es Yasiin Bey (früher Mos Def) in der Muffathalle, Hurray for Riff Raff in der Milla – oder irgendwas Verschwurbeltes im Import Export, was ich mich nachdrücklich beeindruckt und wovon ich gleichzeitig innerhalb der Wochenfrist wieder den Namen vergessen habe. Egal. Egal ob verschwitzt in der Menge oder eher gemütlich am Tresen lehnend. Konzerte sind Leben für mich. Sind der Grund, warum ich nicht auf dem Kaff wohne. Gut, da würden mir noch ein paar mehr einfallen, aber bei meinen Eltern fehlt mir aktuell mein größter Trumpf.

9. Drinks, die die Hausbar einfach nicht hergibt

Erdnussbutter-Bourbon & Spanish Toast: Die Ménage Bar im Glockenbach

Wer mal einen wirklich langen, mit viel Halbwissen gefüllten Frontalvortrag von mir hören will, nach dem wirklich niemand gefragt hat, der spricht mich einfach auf Eis an. Nicht das aus Kugeln und Waffeln, sondern das im Glas klirrende. Nichts macht eine gute Cocktailbar so sehr aus, wie ihr Eis – neben der Expertise der Barkeeper*innen und dem Ambiente vielleicht. Aber das Ambiente kann ich mit Abstrichen bei Mensch und Tresen auch zu Hause erzeugen, ebenso einen guten Whiskey Sour. Wo es hapert, das ist das Eis. Zu viel Luft, nicht gleichmäßig gefroren, zu kleine Würfel. Je mehr Luft im Eis oder je kleiner seine Oberfläche, desto schneller schmilzt es – und verwässert damit besagten Whiskey Sour. Natürlich gibt es gewisse Tiki-Drinks, wo das keine schlechte Sache sein muss. Wenn gerade allerdings die Zeit für Tiki-Drinks wäre, müsste ich diesen Blogeintrag vielleicht gar nicht schreiben. Sieh an, nur ein halblanger Frontaltext. Cheers!

Wir alle vermissen Pfandmarken und wollen endlich wieder über Münchens Nachtleben granteln!

10. Sich von den Pfandmarken im Geldbeutel eine ganz eigene Geschichte erzählen lassen

Wie unser liebster Satire-Abklatsch „Wirklich Ungern München“ auf Instagram einst richtig festgestellt hat, hat München seine ganz eigene Kryptowährung, die aktuell mindestens so schwer zu Bargeld zu machen ist wie ein Bitcoin. Pfandmarken. So oft haben wir uns am nächsten Morgen geärgert, weil wir mal wieder eine Monatsmiete in Form von Holzmarken oder Fliesenabstandshaltern (Hallo, Bahni!) im Geldbeutel hatten. Wenn wir heute eine in der Sofaritze finden, werden wir allerdings nostalgisch, halten sie uns ans Ohr und lauschen dem Rauschen der Münchner Nacht, dem Wummern der Anlagen und dem Vibrieren der Nachttram, die wir gerade verpasst haben. Ob man Münchner Taxis auch mit Pfandmarken bezahlen kann?

11. Gepflegt über die Unzulänglichkeiten des Münchner Nachtlebens granteln

Aus Pietätsgründen soll man ja nicht schlecht über die Toten sprechen und weil – so hart es auch klingen mag – die Münchner Clubs aktuell zumindest im Wachkoma liegen, liegt es uns fern über schlechte Anlagen, die falsche Musik, furchtbare Mainstream-Partys oder die fehlende Vielfalt zu schimpfen. Trotzdem täten wir gerade nichts lieber, denn so eine ordentliche Hasstirade über das Münchner Nachtleben würde eigentlich nur eins bedeuten: Dass sie am Leben ist.

Noch mehr Club-Vermissung

11 Clubs in München, denen wir hinterhertrauern
Atomic, Erste Liga, Registratur. Wenn wir an das Münchner Nachtleben denken, dann oft mit Nostalgie und einer Prise Wehmut. Daher wollen wir hier all den Clubs Tribut zollen, die wir so schmerzlich vermissen.

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Club Legenden #1: Cocktails zwischen Haifischen im Yellow Submarine
Heute kaum mehr vorstellbar, aber München war mal die Partystadt schlechthin. In den wilden 60ern und 70ern feierten hier Jimi Hendrix, Freddy Mercury und Co. Schwabing und die Leopoldstraße waren der Place-to-be. Ganz vorne mit dabei: Das Yellow Submarine.

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