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#6558 Verdächtige festgenommen, 740 Millionen Euro beschlagnahmt

Über mehrere Jahre waren Kryptohandys für Verbrecher in aller Welt der wichtigste Trumpf im ewigen Katz-und-Maus-Spiel mit den Sicherheitsbehörden. Vor allem im internationalen Drogenhandel kommen die modifizierten Mobiltelefone zum Einsatz: Die Anbahnung der illegalen Geschäfte, Verhandlungen, die Koordination des Transports und was sonst alles notwendig ist, lässt sich über die verschlüsselten Chats auch auf die Ferne erledigen, ohne dass sich die Kriminellen treffen müssen, ohne dass sie Sorge haben müssten, abgehört zu werden.

Doch dann gelang es Ermittlern, die wichtigsten Anbieter der Kryptodienste zu hacken und den Spieß umzudrehen. Sie erhielten plötzlich Einblicke in die Geschäfte und Strukturen der organisierten Kriminalität, wie sie zuvor nie möglich waren. Phasenweise konnten sie die Nachrichten und damit die illegalen Aktivitäten sogar live verfolgen. Beteiligte Ermittler sprachen von „kriminalistischem Gold“.

Einer dieser Kryptodienste war Encrochat – den französische und niederländische Ermittler Anfang 2020 infiltrierten. Gemeinsam mit der europäischen Ermittlungsbehörde Europol, die eine Taskforce namens „Emma“ einrichtete, fingen sie mehrere Monate lang die darüber verschickten Nachrichten ab. Im Juli 2020 schalteten sie den Dienst dann ab – und nahmen in einer ersten europaweiten Operation Hunderte Verdächtige fest.

Mehr als 115 Millionen „kriminelle Unterhaltungen“ ausgewertet

Seither sind Tausende weitere Festnahmen dazugekommen – wie aus der Bilanz hervorgeht, die Europol am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Lille gemeinsam mit den beteiligten Ermittlungsbehörden vorstellt. Weltweit wurden auf der Grundlage der entschlüsselten Encrochat-Daten demnach 6558 Verdächtige festgenommen, darunter 197 „High Value Targets“, also Hintermänner und besonders „große Fische“. 739,7 Millionen Euro Bargeld wurden beschlagnahmt, 154,1 Millionen Euro auf Bankkonten oder in bar eingefroren.

Mit goldenen Symbolen und „VIP-Chat“: beschlagnahmtes Encrochat-Handy


Mit goldenen Symbolen und „VIP-Chat“: beschlagnahmtes Encrochat-Handy
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Bild: ZIT

Außerdem beschlagnahmten Ermittler in den an den Encrochat-Verfahren beteiligten Ländern in den vergangenen drei Jahren:

  • 30,5 Millionen Pillen chemischer Drogen
  • 103,5 Tonnen Kokain
  • 163,4 Tonnen Cannabis
  • 3,3 Tonnen Heroin
  • 971 Fahrzeuge
  • 271 Grundstücke oder Immobilien
  • 923 Waffen
  • 21.750 Stück Munition
  • 83 Boote
  • 40 Flugzeuge

Die Zerschlagung von Encrochat habe die organisierte Kriminalität in Europa und darüber hinaus erschüttert, schreibt Europol jetzt. Gewalttätige Angriffe, Mordversuche, Korruption und groß angelegte Drogentransporte seien dadurch verhindert worden. Außerdem hätten die Ermittlungsbehörden umfangreiche Informationen über die organisierte Kriminalität erhalten. Insgesamt seien mehr als 115 Millionen „kriminelle Unterhaltungen“ von mehr als 60.000 Nutzern ausgewertet worden.

BGH: Chats als Beweismittel zulässig

Ein weiterer Schlag gegen das organisierte Verbrechen gelang europäischen Ermittlern Anfang 2021, als sie den ebenfalls weitverbreiteten Kryptodienst Sky ECC knackten. Im Juni 2021 folgte dann „Operation Trojan Shield“, bei der kein Kryptodienst gehackt werden musste. Vielmehr zeigte sich, dass das amerikanische FBI Handys mit einer App namens Anom selbst auf den Markt gebracht hatte, um Kriminelle in aller Welt in die Falle zu locken.

Auch in Deutschland wurden auf Grundlage von entschlüsselten Kryptochats in den vergangenen Jahren Tausende Ermittlungsverfahren eingeleitet. Staatsanwaltschaften in etlichen Bundesländern erhielten neue Stellen, an Gerichten wurden neue Strafkammern geschaffen, um die enorme Zahl überhaupt bewältigen zu können.

Verteidiger stellten in den Gerichtsverfahren immer wieder die Verwertbarkeit der Encrochat-Nachrichten als Beweismittel infrage. Sie kritisierten unter anderem die Erhebung der Daten durch die Ermittler als rechtswidrig. Anfang März 2022 entschied jedoch der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH), dass die entschlüsselten Chats als Beweismittel zulässig sind, wenn sie der Aufklärung schwerer Straftaten dienen. Ein Beweisverwertungsverbot bestehe „unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt“. Verstöße gegen menschen- oder europarechtliche Grundwerte oder gegen grundlegende Rechtsstaatsanforderungen lägen nicht vor, so der BGH.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und der Europäische Gerichtshof in Luxemburg haben ebenfalls Encrochat-Verfahren vorliegen. Ihre Entscheidungen stehen noch aus.

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