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#Der Jugend eine Stimme geben

Der Jugend eine Stimme geben

Zu Beginn der Corona-Krise konnte man meinen, Junge seien besser vorbereitet als Alte. Sie verbrachten ohnehin viel Zeit vor Handy- und Computer-Bildschirmen, aus Sicht vieler Eltern zu viel. Nach bald zwei Jahren aber hat sich gezeigt, dass Erwachsene über bessere Strategien verfügen, den Pandemie-Alltag erträglicher zu machen: ein wenig Heimsport vorm ersten Zoom-Meeting, digitales Mittagessen mit der Kollegin, nach Feierabend einmal um den Block gehen.

Kindern und Jugendlichen fällt es schwerer, die Niedergeschlagenheit im Zaum zu halten. Als die Schulen geschlossen waren, schliefen viele, vor allem in bildungsfernen Familien, bis der Teams-Call des Lehrers sie weckte, gingen teils den ganzen Tag nicht raus, zockten bis in die Nacht Computerspiele oder scrollten durch Bilder perfekter Körper auf Instagram. Die Folgen sind bekannt: Gewichtszunahme, Essstörungen, Ängste, Depressionen. Im Juni 2021 waren 37 Prozent mehr Kinder und Jugendliche in therapeutischer Behandlung als im Juni 2019.

Andere Folgen sind weniger gravierend. Niemand entwickelt eine Angststörung, weil der Klassenausflug ausfällt, der Schüleraustausch mit Frankreich, die Skifreizeit mit der Parallelklasse. Doch was dort passiert wäre, fehlt nun – eine Freundschaft mit dem Mädchen, das man davor doof fand, der erste Kuss oder auch nur die Erkenntnis, dass im Elsass Froschschenkel gegessen werden. Vieles können die Jugendlichen nachholen, manches nicht.

Auch Erwachsene müssen auf Hobbys und Kontakte verzichten. Es schmerzt sie, den Tanzkurs auszusetzen, aus dem Freundeskreis nur noch Einzelne zu treffen. Zwei Jahre sind für sie aber ein überschaubarer Zeitraum – für Kinder hingegen eine halbe Ewigkeit. Das ist nicht nur eine Frage der Wahrnehmung des „Schon wieder Weihnachten“ versus „Wann ist endlich wieder Weihnachten“.

Zwischen 12 und 14 passiert mehr als zwischen 42 und 44

Zwischen zwölf und 14 passiert in der Regel einfach mehr als zwischen 42 und 44. In diesem Alter entwickeln sich Kinder zu Jugendlichen – rund um die Schule, zusammen mit Gleichaltrigen. Die werden immer wichtiger, die Eltern immer unwichtiger. Vor allem während der Schulschließungen haben junge Menschen aber sehr viel Zeit mit ihren Eltern verbracht. Als die Schulen wieder öffneten, beobachteten Lehrer teils Sprachlosigkeit zwischen den Schülern, teils Aggressivität. Sie hatten den Umgang mit Gleichaltrigen verlernt.

Von einer verlorenen Generation zu sprechen ist trotzdem übertrieben. Die meisten Kinder und Jugendlichen haben gut in Schulstoff und sozialen Umgang zurückgefunden, den Sommer mit seinen niedrigen Inzidenzen und größeren Freiheiten genossen. Aber sie fürchten sich davor, dass ihre Schulen noch einmal schließen könnten.

Die Politik versucht, ihnen und ihren Eltern diese Angst zu nehmen. Allerorten heißt es, dass die Jungen schon genug gelitten hätten in der Pandemie. Schulen müssten das Letzte sein, das geschlossen werde: Das bekräftigten zuletzt noch einmal die Kultusminister. Aber wie viel sind ihre Worte noch wert, wenn sich erst die Omikron-Welle richtig auftürmt? Unlängst erklärten Lehrerverbände, es dürfe keinen Präsenzunterricht „um jeden Preis“ geben, und Thüringens Bildungsminister bezeichnete es als Fehler, dass flächendeckende Schulschließungen derzeit gesetzlich nicht mehr erlaubt sind.

Natürlich sorgen Lehrerverbände sich um die Lehrer, und Thüringen muss auf seine extrem hohen Inzidenzen reagieren. Aber es gibt bessere Antworten als Distanzunterricht: Eltern können und sollten ihre Kinder ab fünf Jahren impfen lassen, Schulen die Schüler jeden Tag testen, auch die Geimpften. Würden Schulen zur kritischen Infrastruktur erklärt, könnte das Quarantänezeiten verkürzen.

Studien deuten darauf hin, dass das Infektionsrisiko in Schulen deutlich geringer ist als im häuslichen Umfeld. Gleichzeitig sind Restaurants und Kinos gut besucht. In Hamburg dürfen sich selbst nach einer deutlichen Verschärfung der Corona-Regeln noch 200 Zuschauer bei Veranstaltungen in Sporthallen versammeln. Und viele Erwachsene fahren täglich ins Büro, obwohl sie ihre Arbeit gut von zuhause aus erledigen könnten und offiziell eine Homeof­fice-Pflicht gilt – weil ihnen Arbeitsweg, Ortswechsel, Gewohnheiten guttun. Diese Möglichkeit haben Schüler im Distanzunterricht nicht.

Kinder und Jugendliche können nicht nur weniger selbstbestimmt ihren Pandemiealltag gestalten. Ihre Corona-Nöte haben keine öffentlichkeitswirksame Interessenvertretung. Wenn jetzt mit der Omikron-Variante die Infektionszahlen wieder steigen, wird sich zeigen, ob es diesmal jemand für sie übernimmt. Es würde bedeuten, dass kein Klassenausflug ausfällt, solange es keine Impfpflicht für Erwachsene gibt, und dass keine Schule schließt, solange das Restaurant nebenan noch geöffnet ist. Alles andere wäre unverantwortlich.

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