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#Akademie dringt auf „unverzügliche“ nationale Kohlenstoff-Strategie

Schneller, energischer, durchdachter – die CO2-Entnahme-Pläne der Ampel müssten nach Auffassung der Nationalakademie Leopoldina nachgebessert werden.

In einer Adhoc-Stellungnahme der Nationalakademie Leopoldina drängen acht führende Klima- und Energieexperten der Ampel zu raschem Handeln, um möglichst bald klimaschädliches Kohlendioxid langfristig aus der Atmosphäre entfernen und aus der Abluft von großen Industriebetrieben neutralisieren – oder sogar mit Gewinn nutzen – zu können. „Eine nationale Strategie für das Kohlenstoffmanagement muss mit hoher Dringlichkeit vorangetrieben und deren Umsetzung unverzüglich auf den Weg gebracht werden“, heißt es in dem sechsseitigen Papier. Die von der Bundesregierung skizzierten Pläne könnten bisher „nicht überzeugen“. An einigen Stellen der erst im Februar vorgelegte Ampel-Eckpunkte-Konzepte seien zudem Korrekturen nötig.

Mit der Abtrennung und Speicherung oder Nutzung von CO2 (CCS oder CCU) beginnt für die Wissenschaftler eine neue Phase der Klimapolitik. Kohlenstoffmanagement heißt die Strategie. Lange war das Thema lediglich hinter den politischen Kulissen quasi als Last-Exit-Strategie gehandelt worden. Die größte Sorge insbesondere bei Wissenschaftlern und Klimaschützern war, dass die nach dem Pariser Klimaabkommen dringend nötigen Emissionsreduktionen bei Kohle, Öl und Gas nicht mehr konsequent angegangen werden, sollten erst einmal technische Auswege zur nachträglichen Eliminierung des CO2-Ausstoßes verfolgt werden.

Emissionsminderung reicht nicht

Daran hat sich nichts geändert. Und auch in der Leopoldina-Stellungnahme kommt klar zum Ausdruck, dass die schnelle Emissionsminderungen Vorrang hat. Allerdings, so die Autoren, „können die Klimaziele nicht allein durch Emissionsreduktion erreicht werden“. Das entscheidende Ziel – Klimaneutralität bis spätestens 2050 – sei nur erreichbar, wenn langfristig im eigenen Land jährlich mindestens 60 bis 130 Millionen Tonnen Kohlendioxid durch CCS oder CCU durch Kohlenstoffmanagement neutralisiert würden. Dies wird allein durch die unvermeidlichen Emissionen aus Teilen der in Deutschland starken Schwerindustrie – Zementproduktion beispielsweise – nötig, wo trotz Reduktionsmaßnahmen weiterhin fossile Ressourcen eingesetzt werden müssen.

Den vor allem auf und nach dem Klimagipfel von Dubai diskutierten Plänen internationaler Öl- und Gaskonzerne, mit Hilfe von CCS und CCU den Einsatz fossiler Brennstoffe verlängern zu können, erteilten die Leopoldina-Autoren eine deutliche Absage: „Die Nutzung fossiler Energieträger sollte sich dadurch nicht verlängern.“ Überhaupt wird in dem Papier betont, dass noch gar nicht absehbar ist, wann und in welchem Umfang diese Technologien einsetzbar sein werden. Noch seien vielfach die Kosten zu hoch, um die Anlagen ausreichend hochzuskalieren, und die Technologien wie die direkte Entnahme und chemische Umwandlung von CO2 aus der Luft seien noch unausgereift und ineffizient.

Den Experten geht es offenbar darum, zu verhindern, dass planerisch falsche Weichen gestellt und Fehlinvestitionen verhindert werden. So wird in dem Papier mit dem Titel „Schlüsselelemente des Kohlenstoffmanagements“ darauf hingewiesen, dass die Anlagen zur Nutzung der direkten Entnahme von CO2 aus der Luft und die Umwandlung in Produkte aus Effizienzgründen nur im großen Stil an geeigneten Orten gebaut werden sollten – wo „trockene Luft und niedrige Energiekosten“ vorliegen. Das trifft für Deutschland nicht zu. Überhaupt wird Wert daraufgelegt, dass ein effektives Kohlenstoffmanagement nicht im nationalen Alleingang Sinn macht. Vielmehr solle die nationale Strategie von Anfang an als Teil eines europäischen und internationalen Netzwerks aufgezogen werden.

Nicht nur unterm Meer speichern

Der Plan und die geltende Gesetzgebung, wonach die dauerhafte Speicherung und Entsorgung von CO2 im Untergrund (CCS) nur unter Meeresböden möglich sein soll, wird kritisiert. Dies sei „Ausdruck einer Strategie der Vermeidung von politischen Auseinandersetzungen über Speicherstandorte“. Aus wissenschaftlicher Sicht spreche nichts gegen Speicherung auf dem Festland. Ebenso müsse rechtlich bei der Nutzung beziehungsweise dem Schutz von Mooren als natürliche Kohlenstoffspeicher nachgearbeitet werden. Entwässerungsanlagen, die Moorflächen verringern, müssten entfernt werden. Die Autoren sprechen sich außerdem gegen die Ausweitung von Feldern und Wäldern, um auf diesen Böden im großen Stil Bioenergiepflanzen zu gewinnen. Dies sei mit einer langfristigen, ökologisch nachhaltigen Landnutzung nicht vereinbar.

Bis jetzt gibt es für den Handel mit CO2-Zertifikaten aus dem Kohlenmanagement noch keinen einheitlichen, funktionieren Markt. Auch dies hat nach Auffassung der Forscher Vorrang. Deutschland müsse Rahmenbedingungen schaffen, die neue „Geschäftsmodelle und stabile Märkte“ ermöglichten. An der Ausarbeitung der Empfehlungen waren neben dem Leopoldina-Präsidenten Gerald Haug, der Potsdamer Klimaökonom Ottmar Edenhofer beteiligt, die Nürnberger Ökonomin Veronika Grimm, der Hamburger Klimaforscher Jochem Marotzke, der Jülicher Verfahrenstechniker Wolfgang Marquard, der Energiespeicherexperte Robert Schlögl, der Katalysefachmann Ferdi Schüth und Energieexperte Ulrich Wagner.

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