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#Alle für einen, keiner für sich

Alle für einen, keiner für sich

Im Grunde könnte die ZDF-Reportagereihe „37°“ eines der Fernsehformate der Stunde sein. Es hat sich Empathie, Inklusivität, Teamgeist und Optimismus auf die Fahnen geschrieben, also aktuelle Spitzenreiter der Programmausrichtung. Die meisten der Reportagen folgen allerdings dem exakt gleichen, betulich wirkenden Muster. Exposition, man lernt drei Protagonisten mit unterschiedlichen Ansichten kennen, O-Töne, Kommentierung, keine Zeit für Vertiefung, positiver Ausblick, Schluss. In dreißig Minuten ist man durch mit dem Thema.

„Dance till you break – The Saxonz“, ein für die ZDF-Mediathek und die Streaminggewohnheiten eines jüngeren Publikums entwickelter, ziemlich cooler „37°“-Dreiteiler von Maike Conway, hält besser mit. Verspielt, dynamisch und frei erzählt, behält diese Ausgabe das Merkmal der Menschenfreundlichkeit und Mitmenschlichkeit bei, porträtiert die Protagonisten aber vielschichtiger, nicht nur durch Gespräche und Beobachtung, sondern durch mitreißende Tanzeinlagen zu treibendem Hip Hop.

Einmontiert ist selbstgedrehtes Material der Gruppe, es gibt Ausschnitte aus Meisterschaftsbattles, von herausfordernder Probenarbeit und stillem Einzeltraining im Ballettsaal und jede Menge Binnengeschichten, die mal von den Strapazen des Breakens, von Schmerzen und vom Quälen des akrobatisch malträtierten Körpers handeln wie in klassischen Tanzdokus, mal von Migrationserfahrungen der Eltern, die etwa aus Kasachstan stammen oder Kroatien, oder von Zukunftsplänen, dem Aufwachsen in der ostdeutschen Platte, von den Schwierigkeiten, nach dem Verlust der Ehefrau ein Kind allein großzuziehen, vom Patchworken der Familie oder Introvertiertseindürfen trotz Breaken, vom Ausdruck der Persönlichkeit im Tanzen – und vor allem darüber, dass die Crew, das Team, immer der Star ist. Oder sein sollte.

Die vielfältige Mannschaft als neuer Star

Lehmi, Gründer und „Mastermind“ der „Saxonz“ – bekennend weltoffener Sachsen –, Rossi, der nach übler Schulterverletzung inzwischen auch als Physiotherapeut arbeitet und Vater von Feenja ist, und Kelox, der als erster Breaker an der Palucca-Hochschule Choreographie studiert, sind die Tänzer, deren Porträts am deutlichsten werden. Für sie ist Breaken Lebensmittel und -zweck, und sie teilen, was Tänzer immer beschäftigt: Das Verhältnis zu ihrem Körper als Interpretationsinstrument, ihre künstlerische Weiterentwicklung. Joanna, die einzige Frau im Team, studiert Psychologie. Dennis, der Marketingexperte, zeigt im dritten Teil die neugegründete Breakdance-Schule. Anton, zurückhaltend, wählt sorgfältig Worte und Moves seiner Battles. Die Crew ist auch deswegen der Star, weil ihre Integration verschiedener Charaktere beispielhaft ist.

Rossis Freundin Joanna ist wie eine Mutter für seine Tochter Feenja, deren Mutter kurz nach der Geburt an Krebs gestorben ist.


Rossis Freundin Joanna ist wie eine Mutter für seine Tochter Feenja, deren Mutter kurz nach der Geburt an Krebs gestorben ist.
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Bild: ZDF und Tobias Tempel

Man kann im Moment von einem regelrechten Produktionen-Paradigmenwechsel sprechen. In den Sendern stehen die Zeichen auf Warmherzigkeit, Diversität und Digitalpräsentation. Zynismus, Ellenbogen und Egoismus sind von gestern. Der neue Star ist die vielfältige Mannschaft, am liebsten auf Abruf im Netz. Nicht umsonst machen Eckhart von Hirschhausen und die Maus Sendungen zusammen. Und während die Mediatheken von ARD und ZDF vernetzt werden, kümmern sich die Privaten zwar um ihre Informationskompetenz, deutlicher aber noch um Unterhaltung in neuer Kuscheligkeit, bei der man vor lauter Respekt und Liebhaben unter den Teilnehmenden ganz vergisst, dass am Ende nur eine oder einer „Let‘s Dance“-Pokalgewinner oder DSDS-Sieger oder „Germany‘s Next Topmodel“ werden kann. Was ohnehin mehr und mehr egal scheint. Wo Vereinzelung über anderthalb Jahre geboten war, zeigen die Sender nichts so gern vor wie ihr Postulat der Gemeinsamkeit.

Auch „Dance till you break“ hält am Ende nichts von üblichen dramaturgischen Sieges-Höhepunkten. Als die „Saxonz“ mit der Staatskapelle Dresden und Christian Thielemann bei der Feier „30 Jahre Freistaat Sachsen“ im Stadion Aue auftreten und zu Dvoraks „Slawischen Tänzen“ breaken – was ein wenig seltsam aussieht –, hält sich der Film damit nicht lange auf. Länger ist der Ausschnitt von Kelox‘ in Hellerau öffentlich aufgeführter Masterarbeit, einem autobiografisch gefärbten Solostück mit dem Titel „Layover“. Aber auch hier verkneift sich der Film das Ergebnis der Beratungen der Prüfungskommission der Palucca-Hochschule. „Dance till you break“ endet mit einem Stück der Crew. Hinter einer Schattenwand tanzen neun Tänzer und eine Tänzerin anonymisiert ihren besten Move. Um dann zusammen hervorzutreten. Jeder kann etwas perfekt, miteinander wird es großartig. Das ist wieder ganz „37°“. Wogegen nichts zu sagen ist.

Dance till you break – The Saxonz, in der ZDFmediathek

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