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#Am Spielfeldrand der Liebe

„Am Spielfeldrand der Liebe“

Erst in der Mitte ihres Buchs findet Katja Kullmann zu ihrem Titel. Und will man es kitschig ausdrücken, findet sie da auch ganz zu sich. Nachdem sie in der ersten Buchhälfte meist von der „Frau ohne Begleitung“, der „Single-in“ oder der „alleinstehenden Frau“ geschrieben und andere Bezeichnungen oder Beschimpfungen zitiert hat – „spätes Mädchen“, „Katzenlady“, „Frigider Freak“ –, kommt es zu einem Mini-Showdown. Im Partystreitgespräch mit einer (nicht alleinstehenden) Frau fällt ihr der Begriff ein, mit dem sie fortan benennen wird, worum es ihr geht: die „Singuläre Frau“.

Novina Göhlsdorf

Redakteurin im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung

Mit Frauen meint Kullmann „alle Menschen und Maschinen, die sich als Frau verstehen“, mit singulär meint sie: ohne Zweierliebesbeziehung. Und weil ihr Buch ein Ich-Sachbuch ist und sie sein Thema ausgehend von der eigenen Person – weiß / westdeutsch / hetero / cis – erkundet, meint sie mit den Zweierliebesbeziehungen solche zu Männern (die sie nicht weiter definiert) oder, so heißt es an einer Stelle, „das Hetero-Drama“, wie es sich in der sogenannten westlichen Kultur seit Erfindung der romantischen Liebe seriell abspielt.

Heteronormativität kritisiert Kullmann nur beiläufig, sie kritisiert vor allem das, was „Amatonormativität“ genannt wird: die Vorstellung, Zweck und Glück eines Lebens lägen in der monogamen, möglichst ewigen Paarbeziehung. Dies gilt in besonderem Maße für Frauen, deren Dasein ohne Ausrichtung auf einen Mann auch von ihnen selbst oft für mangelhaft befunden werde, ja, für gar kein echtes Dasein.

Die „Singuläre Frau“ stelle diese Annahmen schon durch ihre Lebensweise infrage, die „eine Variante des angewandten Feminismus“ sei. „Singulär“ rufe Bedeutungen zwischen „einzigartig“ und „vereinzelt“ auf; doch der neue Begriff erlaubt es Kullmann auch, die jüngste Auflage der Frau ohne Mann (im Leben) in ihren Eigenheiten zu erfassen und zu würdigen. Nicht als Frau, der etwas fehlt, sondern als eine, die sich allein mehr denn je genügt.

Alles – das Buch auch – beginnt mit dem „mittelschweren Selbsterkenntnisschock“, den die Journalistin und Autorin Kullmann mit Ende 40 erlebt, als ihr bewusst wird, dass sie seit 14 Jahren ohne Beziehung ist, während sie ihr erwachsenes Leben zuvor weitgehend in a relationship verbracht hatte. „Das Alleinsein ist mir unterlaufen.“ Kein Ziel sei es gewesen, aber eine Konsequenz, der folgerichtige, zumindest unbewusste Plan, keine künftige Bindung mehr zu planen.

Als Kullmann begreift, dass ihr Nichtbeziehungsstatus längst keine Übergangsphase mehr ist, fängt sie an, ihn zu bedenken, wobei trotz Schock gleich klar ist: Kullmann mag diesen Status, ihr Leben und die unbegleitete Frau – als Sozialtyp und Einzelfall. Sie folgt dieser Frau, diesen Frauen, vom „Spielfeldrand der Liebe“ aus, um sich selbst und ihre Desertion vom Feld aufzuspüren. Sie verwebt Schilderungen, Gedanken und Argumente häufig alleinstehender Autorinnen aus literarischen, autobiographischen oder theoretischen Texten mit persönlichen Erlebnissen und denen von Bekannten und Freunden.

Dating-Dilemmata und Schlussmachen

Es geht um Dating-Dilemmata und ums Schlussmachen, um Kinderwünsche, die Lust auf Sex und das Älterwerden, um Einsamkeit der verträglichen oder fiesen Sorte und die „Monsterfrage“ danach, wieso man noch Single sei. (Auf die antwortet man übrigens, wenn es irgend möglich ist, am besten mit: „Wieso bist du nicht schlank?“)

Dabei macht Kullmann sich und ihre Geschichte zum wichtigsten Fall ihrer Studie, so ehrlich und schonungslos, selbstironisch und witzig, dass sogar Kapiteltitel wie „Warum ich ein guter Mensch bin“ und die Rede vom eigenen „wunderbaren“ Leben verkraftbar sind. Es tun sich früh genug Zweifel und Ambivalenzen auf, wenn sie – „eine längst schon leicht verknitterte Person“ – sich durch das „leicht neurotische, viertel- bis halbintellektuelle Mittelklassemilieu“ in Berlin laviert.

Die Frau ohne Mann hatte ihre Orte und Zeiten

Immer wieder nimmt Kullmann von ihrer Selbsterzählung Abstand, kehrt zu ihr zurück. Sie kontextualisiert sich. Damit erhält Form, was dann kaum noch gesagt werden muss: Gelebte Beziehungen sind wie die Phantasien davon kulturell programmiert und bedingt durch äußere – politische, wirtschaftliche, soziale – Umstände. Ausreichend ungewohnt gelebte Beziehungen können die Umstände aber auch verändern.

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