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#Aron Boks‘ „Nackt in die DDR“ erzählt über Willi Sitte

Inhaltsverzeichnis

Zwei Gründe heben Aron Boks’ Buch „Nackt in die DDR“ aus dem Fluss der Bücher heraus. Zum einen ist es der Versuch, die Ambivalenzen im Maler- wie im Funktionärsleben von Willi Sitte möglichst gerecht darzustellen, und zum anderen die Annäherung eines Sechsundzwanzigjährigen an die DDR. Als eine Kollegin in seiner Redaktion einen Artikel über die DDR schreibt, fragt sich Boks, ob der Text nicht eine höhere ­Authentizität besäße, wenn er ihn verfasste. Er recherchiert zwar erst seit ein paar Monaten zu dieser Zeit, aber ist im ostdeutschen Harzstädtchen Wernigerode geboren. Ganz nebenbei erscheint unausgesprochen das Thema kultureller Aneignung. Sie wurde von westdeutschen Historikern und Journalisten bei der Suche nach einem Bild von der DDR ohne Skrupel praktiziert, von manchen bis heute. Nur nannte man diese Übergriffigkeiten gleich nach der Wieder­vereinigung noch nicht so.

Warum sich in „Nackt in die DDR“ für den Autor das Interesse an der DDR mit dem an Willi Sitte verbindet, ist leicht erklärt: Aron Boks ist Sittes Urgroß­neffe. Nun hat Willi Sitte mit seinen „Fleischbergen“ und großflächigen Propagandabildern beim Publikum schon in der DDR nicht durchgehend Gefallen produziert, weshalb der Spruch entstand: Lieber vom Leben gezeichnet als von Sitte gemalt. Um das Bild des Präsidenten des Künstlerverbands, dem Willi Sitte vierzehn Jahre lang vorstand, steht es noch um einiges schlechter. Man sah in ihm den Gralshüter des sozialistischen Realismus, ein Amt, das er sich als Mitglied der Volkskammer und des ZK der SED autorisieren ließ. Man hätte freilich se­hen können, dass Sittes Bilder nie im Stil eines platten Realismus gemalt waren, sondern eher expressiv und mit dickem Farbauftrag. Realistisch durchaus, aber eher von der Art, die ­keine Tabus kennt. Sitte lehnte die ­Idealisierung und Verschönerung der na­tür­lichen Nacktheit ab.

Erzählung und Sachbuch zugleich

Aron Boks’ „Nackt in die DDR“ ist Erzählung und Sachbuch zugleich. Der Titel spielt darauf an, dass der Autor bei seiner Recherche den historischen Raum DDR nackt, also so gut wie ohne Vorwissen betrat. Er will wissen, „was die ganze Geschichte mit mir zu tun hat“, der er weder die DDR noch Willi Sitte kennengelernt hat. Das stimmt zuversichtlich, weil es zeigt, dass nach­folgende Generationen an dieser Erzählung mitschreiben wollen. Interessant, dass die Großmutter zur Kronzeugin wird, während die Mutter, die im Jahr der Wiedervereinigung Abitur gemacht hat, sich den Fragen des Sohnes vehement entzieht: „Meine Mutter sagt, es gibt heute nichts mehr zu sagen.“ Als wiederhole sich das Schweigen nach Krieg und Vertreibung.

Das Cover zu Aron Boks’ Buch


Das Cover zu Aron Boks’ Buch
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Bild: Verlag

Die Materialsammlung, die Boks für sein Sitte-Bild aufbietet, ist imponierend. Fällt ein Begriff aus der DDR-Geschichte – Bitterfelder Weg, das berüchtigte 11. Kulturplenum, die Petition gegen die Ausbürgerung Biermanns von 1976 –, gibt es eine Fußnote. Sitte habe sich „außer­ordentlich beunruhigt über die eingetretene Situation durch das Auftreten von Wolf Biermann in der BRD“ gezeigt. Kein halber Satz zur Verteidigung, dabei hatte Sitte den Sänger mehrfach zu Konzerten in die Hochschule nach Halle eingeladen. Da sich hier eine der Ambivalenzen im Sitte-Bild zeigte, versuchte Boks ein Gespräch mit Wolf Biermann zu bekommen und erhielt von ihm eine souveräne Antwort: „Nun, dein Urgroßonkel war ein großer Maler, ein großer Künstler, aber ein kleiner Mensch.“

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