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#Assad und kein Ende

Assad und kein Ende

Syrien hat wieder gewählt. In den sozialen Medien wurden Wetten abgeschlossen, wie viel Prozent Assad diesmal bekommen wird. Die Initiative „Adopt a Revolution“ schrieb dazu sogar ein Gewinnspiel aus, bei dem man eine Tasse gewinnen konnte. Es gibt einen Witz, den ich vor ein paar Tagen gelesen habe und den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte: Geht ein Syrer zur Wahl. Auf dem Heimweg fällt ihm ein, dass er versehentlich nicht Assad gewählt hat. Er kehrt um und sagt, er würde seinen Fehler gerne korrigieren. Der Wahlhelfer darauf, nicht nötig, das habe ich längst getan. Baschar al-Assad, das ist dieser Augenarzt, der es bis zum Diktator geschafft hat und mit seinen 55 Jahren immer noch aussieht wie ein Milchbubi.

Diktatur ist in Syrien Familienbusiness, allerdings weniger im Sinne eines mittelständischen Unternehmens, sondern eher der Mafia: Schon Baschars Vater war Diktator. Damit er die Nachfolge antreten konnte, wurde extra das in der Verfassung festgelegte Mindestalter für einen Präsidenten auf 34 Jahre gesenkt. Die Assads und die Makhloufs (Baschars Familie mütterlicherseits) haben Syrien unter sich aufgeteilt und wichtige Posten in Wirtschaft, Militär und Geheimdienst besetzt. Diese familiengeführte Diktatur läuft bis heute nicht ohne Drama. Schön konnte man das am Beef zwischen Baschar und seinem Cousin Rami Makhlouf (auch genannt Rami al-Harami, Rami, der Dieb) sehen.

Glückwünsche und ritualisiertes Verurteilen

Zurück zu Assad. Fünfzig Jahre Diktatur, Folter und Mord. Zehn Jahre Krieg, und er ist immer noch da. Ein Krieg, an dessen Anfang mal der Ruf nach Freiheit und Menschenrechten stand. Zehn Jahre Städte bombardieren und zehn Jahre, in denen es immer hieß, jemand muss ihn stoppen. Stattdessen eilte Russland zu Hilfe. Die Assads sind wirklich unverwüstlich, keine Revolution, keine Krebserkrankung (seiner Frau und Möchtegern-Lady-Di) und schon gar kein Corona konnten sie stoppen. Nun also die Wiederwahl, wobei man kaum von einer Wahl sprechen kann, nicht mal von Wahlmanipulation. Wahlmanipulation ist, Menschen daran zu hindern, Wahllokale zu betreten, absichtlich falsch auszuzählen und das Ergebnis hier und da zu korrigieren. Das, was Assad veranstaltete, glich eher einem Theaterstück, in dem jeder seine Rolle zu spielen hatte. Er natürlich die Hauptrolle, alle anderen die Statisten.

Ronya Othmann


Ronya Othmann
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Bild: Kat Menschik

Auch das Bühnenbild musste stimmen, in jedem Wahllokal hing sein Bild, wie auch überall sonst in Assad-Syrien. Die Wahlurnen wurden aufgestellt und wieder eingesammelt. Im Fernsehen konnte man die Auszählung sehen. Dann das Ergebnis: sagenhafte 95,1 Prozent. Klatsch, klatsch. Wer hätte das gedacht. Aftershow-Wahlparty in den Straßen. Putin sandte Glückwünsche, Rohani aus Iran und Lukaschenko aus Belarus. Diktatoren gratulieren einem Diktator zur erfolgreichen Fake-Wahl. Aus den USA und Europa kam wie immer ritualisiertes Verurteilen. Dabei hat man sich wirklich Mühe gegeben. Sogar zwei Gegenkandidaten gab es, die kannte zwar niemand, aber vor 2014 konnte man nur Assad „Ja“ oder „Nein“ ankreuzen, und damit die Wahl nicht so schwerfiel, waren einige Wahlzettel vorausgefüllt.

Gegen die Entwürdigungen des Regimes blieb nur der Witz

Assad hat es diesmal sogar fertig- gebracht, mehr Stimmen zu bekommen, als es Wahlberechtigte gibt, und ist trotzdem – ganz bescheiden – bei nur 95,1 Prozent geblieben. Sein Vater hatte sich schon mal 100 Prozent gegönnt. Doch wozu der ganze Aufwand, wenn es sowieso scripted reality ist. Oft heißt es, diese Wahlen seien nur ein Schauspiel für den Westen. Aber niemand, weder der Westen noch sonst wer, glaubt ernsthaft, dass das Theater auch irgendwie entfernt etwas mit Demokratie zu tun hat. Trotzdem lässt Assad die Leute in den Wahllokalen antanzen. Wenn es sein muss unter Zwang. Wie das Regime schon 2011 die Menschen vor die Wahl stellte „Assad – oder wir brennen das Land nieder“, ist dieses Wahl-Theater nur eine weitere Demütigung und Unterwerfungszeremonie. Die Menschen sollen diese Lüge nicht glauben. Sie sollen sie nur so lange wiederholen, bis sie an gar nichts mehr glauben. Wie die Menschen auf den Straßen, die auf den Aufmärschen fürs Regime „Assad bis in Ewigkeit“ schreien mussten. Wie die Menschen in den syrischen Gefängnissen, die man so lange folterte, bis sie sagten, es gebe keinen Gott außer Baschar.

Verlieren konnte die Familie Assad nie besonders gut. Letztes Jahr wurde zum Andenken an Baschars Bruder Basil ein Museum eröffnet. Dort erinnert man auch an seine Karriere als Springreiter. Keine Erwähnung findet, dass er seinen „Freund“ Adnan Kassar ins Gefängnis werfen ließ, nachdem dieser ihn in einem Turnier besiegte. Kassar blieb 21 Jahre in Haft. Gegen die täglichen Entwürdigungen des Regimes blieb in Syrien nur der Witz. Einen hat mir mein Vater erzählt: Assad hat Hunger und sagt seinem Diener, bring mir Essen. Dieser bringt ein Huhn, eine Kuh und einen Esel. Assad fragt das Huhn, warum bist du hier. Das Huhn sagt, ich gebe dir Eier. Assad fragt die Kuh. Die Kuh sagt, ich gebe dir Milch. Assad fragt den Esel. Der Esel sagt, ich bin wie du, bei mir weiß auch keiner, warum ich hier bin.

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