Wissenschaft

#Auch Erwachsene können noch Empathie lernen

Von klein auf lernen wir, indem wir andere beobachten. Eine Studie zeigt nun, dass wir auch im Erwachsenenalter auf diese Weise empathischer oder weniger empathisch werden können. In Experimenten konnten sich Testpersonen stärker in den Schmerz anderer Personen einfühlen, wenn sie zuvor Bewertungen anderer gesehen hatten, die angaben, deutlich mitzuleiden. Andersherum fühlten sie weniger mit, wenn sie zuvor Bewertungen von weniger empathischen Menschen gesehen hatten. MRT-Scans offenbarten, dass die veränderten empathischen Reaktionen auch im Gehirn erkennbar waren – ein Hinweis darauf, dass mehr oder weniger Empathie tatsächlich durch Beobachtung erlernt werden kann.

Empathie ermöglicht uns, die Gefühle und Gedanken anderer zu teilen und entsprechend darauf zu reagieren. Manche Menschen, denen es leicht fällt, sich in andere hineinzuversetzen, gelten als besonders empathisch, während andere, die kaum einen Sinn für die Gefühle ihrer Mitmenschen haben, als wenig empathisch gelten. Andererseits hat sich gezeigt, dass das soziale Umfeld einen wichtigen Einfluss darauf hat, wie empathisch wir sind. So kann eine Atmosphäre, in der Menschen aufeinander achten, auch scheinbar unempathische Zeitgenossen mitfühlend machen.

Empathie im Test

Diesen Effekt hat ein Team um Yuqing Zhou von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking nun erstmals systematisch erfasst. Dazu nahmen die Forschenden zunächst Videos auf, wie Menschen mehr oder weniger schmerzhafte Elektroschocks an der Hand bekamen. Diese Videos zeigten sie ihren Testpersonen, die daraufhin angeben sollten, wie sie sich beim Betrachten der Aufnahmen fühlten und wie stark sie den Schmerz mitempfanden. Zusätzlich zeichneten die Zhou und ihr Team die Hirnaktivität der Probandinnen mit Hilfen von funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) auf.

Um Verzerrungen durch das Geschlecht auszuschließen, waren sowohl die Personen auf den Videos als auch die Testpersonen alle weiblich. Nachdem die Teilnehmerinnen ihr eigenes Rating abgegeben hatten, sahen sie die Videos erneut und erfuhren dazu die angeblichen Bewertungen anderer Teilnehmerinnen. Diese manipulierten die Forschenden allerdings so, dass sie entweder durchweg höher oder niedriger waren als die der jeweiligen Testperson. Danach sollten die Probandinnen erneut einige Videos anschauen und ihre Gefühle dabei angeben, wobei die Hirnaktivität ebenfalls per fMRT erfasst wurde.

Soziales Lernen

Tatsächlich zeigten sich Hinweise auf soziales Lernen: „Je nachdem ob empathische oder nicht empathische Reaktionen beobachtet wurden, stiegen oder sanken die Empathie-Ratings“, berichtet Co-Autorin Grit Hein von der Universität Würzburg. Die Testpersonen ließen sich demnach unbewusst dadurch beeinflussen, wie ihre Mitmenschen auf die Videos reagierten. Deutlich schwächer ausgeprägt war der Effekt dagegen, wenn die Forschenden den Probandinnen mitteilten, dass die gezeigten Bewertungen nicht von realen Teilnehmerinnen stammten, sondern computergeneriert waren.

„Interessanterweise änderte sich auch die neuronale Reaktion auf den Schmerz der anderen Person“, sagt Hein. So veränderte sich unter anderem die Vernetzung der anterioren Insel, einer Hirnregion, die mit Empathie in Verbindung gebracht wird. Aus Sicht der Forschenden deutet das darauf hin, dass die Testpersonen tatsächlich von den empathischen oder unempathischen Reaktionen der anderen gelernt haben – und nicht nur aus sozialer Erwünschtheit ihre Antworten angepasst haben. Obwohl die Ergebnisse aus einem experimentell konstruierten Kontext stammen, vermuten die Forschenden, dass es ähnliche Effekte in echten sozialen Situationen gibt.

Empathiefähigkeit bleibt formbar

„Die gute Nachricht aus unserer Studie ist, dass wir Möglichkeiten haben, die Empathiefähigkeit auch bei Erwachsenen durch entsprechende Maßnahmen in beide Richtungen zu formen“, sagt Grit Hein. „Es ist möglich positive Empathie von anderen zu lernen. Um langfristig zu gedeihen, braucht Empathie aber ein Klima gegenseitigen Respekts. Man kann jemanden respektieren, ohne Empathie mit dieser Person zu haben, aber es ist schwer Empathie zu entwickeln, wenn die andere Person nicht als Mensch respektiert oder Respektlosigkeit in der Gesellschaft akzeptiert wird.“

Quelle: Yuqing Zhou (Chinese Academy of Sciences, Beijing, China) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2313073121

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