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#Auf dem Powertrip

„Auf dem Powertrip“

Die Schöpfer der aufgekratzten, aber sehenswerten Anti-Marvel-Serien­adaption des Comics „The Boys“ (von Darick Robertson und Garth Ennis) gehören zu den wenigen ihres Fachs, die sich nicht darauf verlassen, in jeder neuen Staffel einfach nur die Regler der einzelnen Gewerke höher zu drehen, um Schauwert zu generieren. Sie bauen auf ihre Erzählung. Diese gerät zwar ob der Drastik des Gezeigten mitunter in den Hintergrund, kämpft sich jedoch mit jeder Wendung im Zusammenspiel großartig besetzter Figuren wieder nach vorn und fesselt den Zuschauer wie eine Telenovela auf Crack. Man guckt „The Boys“ in der Regel nicht wegen seiner liebevoll inszenierten Splatter-Effekte, sondern trotzdem.

Die Serie kreist um eine Truppe konzerngesteuerter Superhelden, die von einer Truppe regierungsgesteuerter Söldner aufgemischt wird, während Konzern und Regierung im Hintergrund ihren Machterhalt verhandeln. Jede der Figuren – sowohl die „Supes“ genannten Helden als auch deren Antagonisten – wird dabei mit einigermaßen geerdeten Konflikten ausgestattet. Der kernige William „Billy“ Butcher (Karl Urban) muss trotz größter Daddy-Issues für seinen Ziehsohn, das Kind seiner toten Frau, einstehen, während „Homelander“ (Anthony Starr), eine Art patriotisch-männliches Pin-up-Girl der amerikanischen Rechten, nach einer Liaison mit einer original „Nazi-Braut“ nicht über seine Ödipuskomplexe hinwegkommt.

Blick ins finstere Herz einer gebeutelten Showbranche

So geht es grob zur Sache, doch wirkt diese Grobheit wie ein trojanisches Pferd für all die hochaktuellen Feinheiten, die sich mit jeder Folge einschleichen. „The Boys“ verweist nicht auf pathetische Grundkonflikte in einem eskapistischen Paralleluniversum, sondern ins finstere Herz einer gebeutelten Showbranche und dessen, was sie ihrem Publikum noch zu sagen hat.

Raste noch in Staffel zwei ein Motorboot in den Körper eines gestrandeten Pottwals – stellvertretend für den Umgang der Menschen mit dem Planeten geht es hier gern Meeresbewohnern an den Kragen –, sind die Bösartigkeiten, denen sich die Helden und Antihelden in der dritten Staffel gegenseitig aussetzen, raffinierter: Nicht erst seit der Unterwasserdokumentation „My Octopus Teacher“ wissen wir um die Feinfühligkeit der achtarmigen Meeresbewohner, von denen einer mit der Aquaman-Parodie „The Deep“ ­(Chace Crawford) befreundet ist, dessen Superkräfte es ihm gestatten, mit Meerestieren zu kommunizieren. Nach seinem unrühmlichen Ausstieg aus den „Seven“, der Superhelden-Maskottchen-Truppe des mächtigen „Vought“-Konzerns, kommt es nun zu einer Wiedervereinigung, bei der der charismatisch-diabolische Homelander in jovialer Freundlichkeit ein gewaltiges Meeresfrüchtebuffet auffahren lässt. Und bei all den explodierenden Leibern und brechenden Knochen: Die Szene, in welcher der menschliche Meeresdiplomat seinem vielarmigen Freund (und mehr?) wiederbegegnet, der nun auf einem Teller um sein Leben bettelt, gehört wohl zu den schwärzesten der jüngsten Seriengeschichte.

Es sind auch diese vielschichtig erzählten Gewaltexzesse, die die Schaulust der Serie ausmachen. Der Reiz, der von einer aufflackernden oder besser: ausgelebten Aggression ausgeht, gehört vermutlich zu den stärksten, die Schaulust im Menschen entfachen. In „The Boys“ gerät das jedoch nicht wie in Quentin Tarantinos Spätwerken zum Selbstzweck, sondern wird in Kombination mit der Erzählung zum fesselnden Stresstest für Übermenschen auf einem Powertrip ohne Wiederkehr. „The Boys“ ist auch die Erzählung eines trotz vieler Laster und Fehlgriffe immer noch mächtigen Mannes in Amerika, der anhand seiner Quoten austestet, wie viel „Wahrheit“ und „Freiheit“ das Land verträgt.

Wer der Serie bis in die dritte Staffel folgt, kann beobachten, wie sie dazulernt, nicht immer an der gleichen Stelle in die gleiche Richtung abbiegt und dennoch auf charmante Weise unbelehrbar ist: Die Seitenhiebe gegen die Vereinnahmung des Marvel-Universums durch den vor allem um politische Korrektheit bemühten Disney-Konzern wirken hier so brachial platziert wie der Cowboyhut auf dem Haupt des raketenfahrenden Amazon-Chefs Jeff Bezos, dessen Streamingportal Amazon Prime Video die „Boys“ produziert. Allein, eine kluge Antwort auf die verantwortungslose Gewaltbereitschaft vieler Macht-Menschen findet auch sie nicht. Nazis, Übermenschen und solche, die es werden wollen, werden hier auch einfach nur zu Mus verarbeitet – von Hand, versteht sich.

The Boys, Staffel 3, läuft bei Amazon Prime.

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