Nachrichten

#Auf den Schultern von Riesen über sich hinauswachsen

Auf den Schultern von Riesen über sich hinauswachsen

Was mag den Gitarristen Derek Trucks und seine Frau Susan Tedeschi geritten haben, ein rockhistorisch so ikonisches Album wie „Layla and Other Assorted Love Songs“ komplett neu einzuspielen? Muss so ein Update nicht blasphemisch wirken? Und kann die Tedeschi Trucks Band bei so einem Wagnis nicht nur verlieren?

Als das Original 1970 von Derek and the Dominos veröffentlicht wurde, klang es nicht nur wie das letzte strahlende Monument eines visionären Jahrzehnts. Die Zusammenarbeit des Slide-Gitarristen Duane ‚Skydog‘ Allman mit Eric Clapton („Derek is Eric“) hatte ein Werk geschaffen, in dem sich der britische White-Boy-Blues perfekt mit seinen amerikanischen Wurzeln verband. Erst auf diesem Album machte Clapton die Musik seines lebenslangen Vorbilds Robert Johnson zu seiner eigenen. Nach sieben Jahren des Zuhörens, des Nachspielens, der unermüd­lichen Blues-Propaganda fand der liebeskranke tragische Held in „Layla“ seinen persönlichen Blues und konnte seine Gefühlstiefe endlich heroisch auskosten.

Bei aller Skepsis dürfte heute wohl keine andere Band in einer fast schon „kosmischen Koinzidenz“ dafür prädestiniert sein, aus den klassischen Songs neue Funken zu schlagen, als das Tedeschi-Trucks-Ensemble. Nicht nur hatten die bluesbegeisterten Chris und Debbie Trucks ihrem erstgeborenen Sohn aufgrund dieses Albums den Namen „Derek“ gegeben: „Mein Vater spielte meinem Bruder und mir die Platte oft zum Einschlafen vor. Damit hat sie sich tief in meine DNA eingebrannt“, erinnert sich Trucks. Später sollte er von 1999 bis zur Auflösung 2014 den prestigeträchtigen Gitarristen-Stuhl von Duane Allman bei den Allman Brothers übernehmen. Nebenbei begleitete Trucks auch Eric Clapton auf mehreren Welttourneen und, um die Reihe der untergründigen Verbindungen voll zu machen: Der Erscheinungstag des Albums, der 9. November 1970, war zufällig der Geburtstag von Susan Tedeschi. So schien die kreative Auseinandersetzung mit dem „Layla“-Klassiker fast vorbestimmt zu sein.

Mit einem willkommenen Verfremdungseffekt

Mitgeschnitten bei einem Konzert am 24. August 2019 im Rahmen des LOCKN’-Festivals in Arrington, Virginia, war das spezielle Programm vor den Besuchern bis zuletzt geheim gehalten worden. Man wusste nur, dass an diesem Abend die zwölfköpfige Gruppe um zwei weitere Gitarristen, den langjährigen Clapton-Begleiter Doyle Bramhall II und Trey Anastasio von der Fusion-Band Phish verstärkt werden sollte. Schon mit den ersten Takten von „I Looked Away“ war klar, dass die Rekonstruktion des klassischen Materials voller Respekt und Emphase geschehen würde – allein durch Gospel-Chorgesang, wuchtige Bläsersätze, rauchige Unisolo-Vocals und wärmende Orgelklänge erweitert. Doch trotz ihres Breitwandsounds klingen die Stücke intim und besitzen strukturelle Tiefenschärfe.

Mit drei Gitarristen und einer Gitarristin auf der Bühne gerät das „Layla“-Konzert zu einer Freudenfeier der zeitgenössischen Bluesgitarre: Trucks übernimmt die musikalischen Anteile von Duane Allmann, während Anastasio die Clapton-Parts spielt. In die Lücken dieses feinnervigen Dialogs stoßen immer wieder Bramhall II und Tedeschi mit ihren Licks hinein. Vor allem die neue Version von „Why Does Love Got To Be so Sad?“ entwickelt eine Schubkraft, die gleichzeitig betäubend und betörend ist.

Ein willkommener Verfremdungseffekt entsteht, wenn Susan Tedeschi mit souldurchtränkter Stimme jene Texte singt, in denen Clapton zuvor sein persönliches Liebesdrama mit Pattie Boyd („Layla“), der Frau seines besten Freundes George Harrison, verarbeitete. Selbst einen Song wie „Have You Ever Loved A Woman“ von Freddie King hatte er wegen seiner umweglosen Adressierung an Pattie ausgewählt. Doch jetzt ergeben sich plötzlich ganz neue genderspezifische Perspektiven in den Liedern, die nicht minder starke Bedeutungen generieren. Natürlich hatte Trucks sich schon in der Clapton-Band, aber auch mit Susan Tedeschi immer wieder einzelne Stücke des Albums wie „Key To The Highway“ oder auch die Hendrix-Ballade „Little Wing“ anverwandelt.

So steht hier auch nicht das inzwischen fast zu Tode gecoverte Hendrix-Original, sondern die druckvollere Dominos-Version von „Little Wing“ Pate für Trucks implodierende Entzifferung. Den Schlusspunkt der Platte setzt eine Studioaufnahme von „Thorn Tree in the Garden“. Allein mit einer Akustikgitarre kommentiert Trucks das rauchige Raspeln seiner Frau. Wer ihm heute vorwirft, er kopiere doch nur die Blues-Inventionen von Clapton & Co., dem hält der zweiundvierzigjährige ­Slide-Zauberer selbstbewusst entgegen, so sei es halt schon immer in der Geschichte des Blues gewesen. „Hier gibt es nur ein einziges großes musikalisches Gedächtnis, aus dem jeder schöpfen und das jeder auf seine Weise neu definieren kann.“

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!