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Aufrecht wie ihr

Von den Nationalsozialisten als „Nazifresser“ tituliert worden zu sein darf man wohl als Ritterschlag werten. Diese gefährliche Ehre wurde Ferdinand Mührdel im Jahr 1933 zuteil. Als Leiter der Politischen Polizei in Frankfurt war er während der Weimarer Republik entschieden gegen Umtriebe der NSDAP und ihrer Unterorganisationen vorgegangen. Im Zuge der „Machtergreifung“ entlassen, wurde er kurz darauf zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Da er einer von wenigen unbelasteten Beamten war, machten ihn die Amerikaner nach dem Krieg zum Frankfurter Polizeipräsidenten, später wurde er Chef des Hessischen Landeskriminalamts.

Matthias Alexander

Dieser Tage ist ein Konferenzraum im Frankfurter Polizeipräsidium, der bisher nur mit einer Nummer versehen war, nach Mührdel benannt worden. Und zwei weitere Mehrzweckräume tragen nun die Namen von Christian Fries und Otto Kaspar. Der Kriminalbeamte Fries gehörte einer Widerstandsgruppe an, die am 20. Juli 1944 in Frankfurt die Macht übernehmen sollte, nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler aber nicht tätig wurde. Und Kaspar hat die Meldekarte der jüdischen Familie Senger erst manipuliert und dann verschwinden lassen, weshalb sie überleben konnte. Valentin Senger berichtet davon in seinem Roman „Kaiserhofstraße12“.

Der Kriminalbeamte Christian Fries stand bereit, am 20. Juli 1944 in Frankfurt loszuschlagen. Das Scheitern des Hitler-Attentats verhinderte die Aktion.


Der Kriminalbeamte Christian Fries stand bereit, am 20. Juli 1944 in Frankfurt loszuschlagen. Das Scheitern des Hitler-Attentats verhinderte die Aktion.
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Bild: Institut für Stadtgeschichte

Der Entschluss von Gerhard Bereswill, die drei Männer, die sich dem Naziterror widersetzt hatten, zu ehren, hat einen geschichtspädagogischen Hintergrund. Dem Frankfurter Polizeipräsidenten geht es darum, der Ausbildung von extremistischen Tendenzen in den eigenen Reihen vorzubeugen. Der Anlass: Vor gut zwei Jahren sind Beamte des 1.Polizeireviers auffällig geworden, weil sie in einer Chatgruppe rassistische und antisemitische Inhalte ausgetauscht haben. Von einem Computer des Reviers aus wurden zudem Kontaktdaten der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz abgerufen, die Drohschreiben mit Todesdrohungen und Beleidigungen erhielt, gezeichnet mit „NSU 2.0“. Abschließende Ermittlungsergebnisse liegen immer noch nicht vor, und somit ist ungeklärt, ob es einen inneren Zusammenhang zwischen ihnen gibt.

Die Fälle sind beunruhigend, und die bescheidenen Ermittlungserfolge sind es ebenfalls. Auch wenn für einen Generalverdacht gegenüber der Frankfurter Polizei kein Anlass besteht, wirken sich die Vorgänge auf die öffentliche Wahrnehmung ihrer Arbeit aus. Beamte mussten sich die Frage anhören, ob sie „auch vom Nazi-Revier“ seien. Der Frankfurter Polizeipräsident wollte jedenfalls etwas tun. Rollenvorbilder in der Vergangenheit ausfindig zu machen gehört zu seinem Präventionskonzept.

Bereswill, im Auftritt stets besonnen, ist auch bei der Ehrung der drei mutigen Beamten mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen. Er beauftragte die Historiker Lutz Becht und Thomas Bauer vom Frankfurter Institut für Stadtgeschichte, die Geschichte der Frankfurter Polizei zwischen 1933 und 1945 im Allgemeinen und die Biographie der drei zu ehrenden Beamten zu untersuchen. Die Studie, die allen Mitarbeitern der Frankfurter Polizei zur Verfügung gestellt werden soll, liegt nun unter dem Titel „Die Frankfurter Polizei und drei aufrechte Beamte im Nationalsozialismus“ vor (Henrich Editionen, 14,95 Euro).

Mit wissenschaftlicher Studie unterlegt

Es galt auszuschließen, dass sich irgendwo noch Dokumente finden lassen, die die in Umrissen bekannte Rolle von Fries und Kaspar in ein anderes Licht tauchen könnten. Beide stehen für den heiklen Balanceakt jener, die einerseits dem Nazi-Regime als Beamte dienten, es im Geheimen aber punktuell bekämpften. Fries etwa war an der Festnahme von Kommunisten beteiligt, was ihm nach dem Krieg eine Verleumdungskampagne durch die KPD eintrug, die ihn für 15 Monate in ein Internierungslager brachte.

Zudem liegt es in der Natur der Sache, dass die Tätigkeit im Widerstand kaum dokumentiert ist. Keine Spuren zu hinterlassen war Teil der Überlebensstrategie. Die Historiker müssen sich deshalb im Fall von Fries nicht zuletzt auf dessen Selbstauskünfte verlassen. Über die Motivation von Kaspar, der ihm unbekannten Familie Senger zu helfen, ist gar nichts bekannt. Immerhin, sein Tun ist verbürgt, und bei Fries besteht aufgrund von Aussagen Dritter kein Anlass, an seiner Beteiligung am Widerstandsnetzwerk zu zweifeln.

Gleichwohl, in einer Zeit, in der die wachsende Zahl von Selbstgerechten immer höhere Maßstäbe an das Verhalten historischer Figuren anlegt, ist die Ehrung von Männern wie Fries und Kaspar fast schon mutig zu nennen. Offenbar mit Bedacht wurde bei ihrer Charakterisierung das Wort „Helden“ vermieden und der Begriff „Aufrechte“ gewählt. Vielleicht liegt genau darin die höhere Vernunft der symbolischen Handlung: die heutigen Beamten nicht mit überlebensgroßen Vorbildern zu konfrontieren, sondern an Männer zu erinnern, die sich in kleinerem Maßstab bewährten.

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