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#Aufrechter Gang: Fragliche Ursprungs-Annahme

„Aufrechter Gang: Fragliche Ursprungs-Annahme

Bipedie heißt das Fachwort – aber wie entstand diese typisch menschliche Fortbewegungsweise? Schwindende Wälder waren möglicherweise nicht der Anstoß für die Entwicklungsgeschichte des aufrechten Gangs unserer Vorfahren, lässt eine Untersuchung bei Schimpansen vermuten. Denn auch in lichten Baumbeständen sind sie nicht mehr am Boden unterwegs. Den Beobachtungen zufolge erheben sich unsere nächsten Verwandten stattdessen am ehesten auf zwei Beine, wenn sie sich im Geäst fortbewegen. Möglicherweise liegt der eigentliche Ursprung des aufrechten Gangs in den Bäumen, sagen die Forscher.

Es ist geradezu ein Symbol für die menschliche Entwicklungslinie: Während Menschenaffen in der Regel auf allen Vieren laufen und sich nur selten aufrichten, begannen unsere Vorfahren sich zunehmend auf zwei Beinen fortzubewegen. Diese Entwicklung steht schon lange im Fokus der Anthropologie. Man vermutet bisher, dass landschaftliche Veränderungen in der afrikanischen Ursprungsregion der Homininen vor etwa fünf Millionen Jahren eine Rolle bei der Entwicklung der Bipedie gespielt haben. Damals wurde es dort erheblich trockener und die zuvor dichten Wälder wurden zunehmend lichter und verwandelten sich schließlich in Savannen. Dies könnte unsere Vorfahren immer mehr von den Bäumen auf den Boden gebracht haben. Auf dem festen Untergrund begannen sie dann möglicherweise immer häufiger, aufrecht zu laufen, besagt die Hypothese.

Schimpansen im Visier

Um für Beobachtungsdaten zu sorgen, die Licht auf diese mögliche Geschichte werfen, hat ein internationales Forscherteam nun das Bewegungsverhalten unserer nächsten Verwandten ins Visier genommen. Denn Schimpansen können am ehesten als ein Modell für unsere Vorfahren aus dem Miozän und Pliozän dienen. Im Zentrum der Studie stand eine Schimpansen-Population, die in einem für diese Menschenaffen ungewöhnlichen Umfeld lebt: Das Issa-Tal im Westen Tansanias ist nicht von dichten Wäldern geprägt, stattdessen leben die Tiere dort in einer eher trockenen, mosaikartig aufgebauten Landschaft mit lichten Baumbeständen und offenen Bereichen. Der Lebensraum ähnelt damit der bewaldeten Savanne, die als die Heimat der frühesten menschlichen Vorfahren angenommen wird, erklären die Forscher. Deshalb gingen sie der Frage nach, ob sich bei den Schimpansen des Issa-Tals abzeichnet, dass diese Art von Landschaft eine zweibeinige Fortbewegungsweise fördert.

Die Wissenschaft führten dazu umfangreiche Beobachtungen des Bewegungsverhaltens einer Gruppe Schimpansen in verschiedenen Kontexten durch. Vor allem erfassten sie Fälle von aufrechter Haltung und ob diese mit dem Aufenthalt auf dem Boden oder in den Bäumen verbunden waren. Sie analysierten dabei auch grundsätzlich die Beziehung zwischen Baum- beziehungsweise Boden-bezogenem Verhalten und der Vegetation. Die Ergebnisse verglichen die Wissenschaftler anschließend mit bereits vorhandenen Beobachtungsdaten dieser Art, die von Schimpansen-Populationen stammen, die in anderen Regionen Afrikas in Wäldern leben.

„Da es in Issa weniger Bäume gibt als in typischen tropischen Wäldern, in denen die meisten Schimpansen leben, erwarteten wir eigentlich häufiger Individuen auf dem Boden als in den Bäumen zu sehen. Und da viele der traditionellen Triebfedern der zweibeinigen Fortbewegung mit dem Aufenthalt auf dem Boden verbunden zu sein scheinen, dachten wir auch, mehr aufrechten Gang festzustellen“, sagt Seniorautor Alex Piel vom University College London. „Doch diese Erwartungen bestätigten sich nicht“.

Aufrecht in den Bäumen

Aus den Auswertungen des Teams ging hervor, dass die Issa-Schimpansen trotz ihres vergleichsweise offenen Lebensraums genauso viel Zeit in den Bäumen verbrachten wie andere Schimpansen, die in dichten Wäldern leben. „Issa-Schimpansen waren nicht terrestrischer als Schimpansen, die in Waldhabitaten leben, was darauf hindeutet, dass es keine einfache Regel ist, dass weniger Bäume mehr Zeit auf dem Boden bedeuten“, schreiben die Forscher. Was die aufrechte Haltung betrifft, stellten sie interessanterweise fest: In 85 Prozent der Fälle erhoben sich die Schimpansen auf zwei Beine, wenn sie sich im Geäst der Bäume bei der Nahrungssuche fortbewegten.

Zumindest was unsere nächsten noch existierenden Verwandten betrifft, bestätigt die Studie damit nicht die gängige Annahme zur Entwicklungsgeschichte des aufrechten Gangs, sagen die Forscher. „Das Leben in den Bäumen war möglicherweise ein wesentlicher Bestandteil der adaptiven Nische der Homininen, selbst als sich die Wälder zurückzogen“, schreiben die Forscher. Piel sagt dazu: „Unsere Studie deutet darauf hin, dass der Rückzug der Wälder im späten Miozän-Pliozän vor etwa fünf Millionen Jahren eher kein Katalysator für die Entwicklung der Zweibeinigkeit darstellte. Stattdessen blieben Bäume wahrscheinlich ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung dieser Fortbewegungsweise. Dabei könnte die Suche nach nahrungsproduzierenden Bäumen eine Triebfeder gewesen sein“, so der Anthropologe.

Wie die Forscher betonen, sind die Studienergebnisse allerdings nur als Hinweise zu betrachten: Nach wie vor bleibt ein Rätsel, warum die Vorfahren des Menschen schließlich eine aufrechte Fortbewegungsweise annahmen. Klar scheint, dass Schimpansen nur begrenzt als Modell dienen können, denn sie sind nicht mit den Wesen gleichzusetzen, die am Anfang der Entwicklungsgeschichte der menschlichen Linie standen. Die Forscher wollen nun auch für weitere Hintergrundinformationen bei den Schimpansen sorgen: „Wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, wie und warum die Schimpansen auch im Issa-Lebensraum so viel Zeit in den Bäumen verbringen“, sagt Co-Autorin Fiona Stewart vom University College London.

Quelle: University College London, Fachartikel: Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.add9752

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