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#Bedroht in Moskau, ignoriert in Berlin

„Bedroht in Moskau, ignoriert in Berlin“

Arschak Makitschjan hatte gehofft, in Berlin vor russischem Zugriff sicher zu sein. Der 28 Jahre alte ­Moskauer setzt sich für Belange ein, die einem in Russland mindestens den Argwohn der Mächtigen eintragen: Klima- und Umweltschutz, Feminismus, Frieden. Nach dem Überfall auf die Ukraine und neuen Repressionsgesetzen war es für Makitschjan und seine Frau, die ebenfalls Aktivistin ist, zu gefährlich geworden.

Jetzt sorgt sich Makitschjan, weil die Touristenvisa, mit denen beide im März nach Deutschland gekommen sind, am 20. Juni ablaufen und eine Verlängerung trotz etlicher Versprechen der Bundesregierung nicht in Sicht ist, wie in zahlreichen anderen Fällen von Russen und Belarussen, die vor ihren Regimen geflohen sind. Zudem beginnt an diesem Donnerstag in Moskau ein Verfahren, in dem Makitschjan, der armenische Wurzeln hat, seine einzige Staatsangehörigkeit aberkannt werden soll: die russische.

Makitschjan war beim russischen Ableger von Fridays for Future dabei, vertrat die kleine, bedrängte Klimaschützerschar seines Landes bei Gipfeln in Madrid und Glasgow und traf Greta Thunberg. Dutzende Male stellte er sich mit Plakaten ins Moskauer Zentrum, oft wurde er abgeführt. Der Geiger, der das Moskauer Konservatorium abgeschlossen hat, versuchte, politisch etwas zu verändern, trotz aller Gefahren. Zu den Unterhauswahlen im vergangenen September ließ man Makitschjan nicht selbst kandidieren. Also unterstützte er eine Frauenrechtlerin; das Mandat erhielt aber ein kremltreuer Publizist, der Klimawandel für eine Verschwörung hält, um „Russland unter Kontrolle zu bringen“.

Makitschjan fühlt sich nicht ernstgenommen

Nach dem Überfall auf die Ukraine engagierte sich Makitschjan gegen den Krieg, den er so nennt und nicht „Spezialoperation“, wie Präsident Wladimir Putins Strafverfolger fordern. Zur Hochzeit am 24. Februar, zufällig dem Tag des Überfalls, trug Makitschjan ein weißes Hemd mit der Aufschrift „Fuck the war“, seine Braut die Farben der Ukraine, blaues Kleid und gelben Blumenstrauß. Auch in Berlin, wo das Paar bei Freunden untergekommen ist, engagiert sich Makitschjan, fordert ein Embargo gegen fossile Brennstoffe aus Russland, etwa mit einem Schild in den Händen, auf dem mit Blick auf Putin und die Deutschen steht: „Wir haben ihn nicht gewählt, ihr wählt es, ihn zu bezahlen.“




Neulich schaute Makitschjan auf sein Profil im russischen Behördenportal „Gosuslugi“, um nach dem Stand zweier Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen ihn zu schauen. Da sah er eine Mitteilung über ein neues Zivilverfahren. Anwälte fanden heraus, dass ihm die Staatsangehörigkeit aberkannt werden soll. Makitschjan kam im Alter von einem Jahr aus Armenien nach Russland.

Laut seinen Anwälten lautet der Behördenvorwurf, in 2004 eingereichten Dokumenten seien falsche Informationen enthalten; sie sprechen von „politischer Verfolgung“ und wollen beweisen, dass Makitschjan die russische Staatsangehörigkeit völlig legal erhalten habe. Vielen Einwanderern werde die Staatsangehörigkeit später wieder aberkannt, teilen die Anwälte der F.A.Z. mit. Doch dies sei „der erste uns bekannte Fall, in dem ein politischer Aktivist auf diese Weise um seine Staatsangehörigkeit gebracht wird“.

Auch Makitschjan wertet das Vorgehen als Vergeltung, will aber seinen Einfluss nicht überbewerten. In Deutschland würden er und seine Mitstreiter „ignoriert“, und in Russland sei er „kein Nawalnyj“, sagt er der F.A.Z. Dem inhaftierten Oppositionsführer folgen Millionen Menschen in den digitalen Netzwerken, Makitschjan nur Tausende. Schon früher sei er vom Regime als Geiger nicht ernst genommen worden, zudem als ethnischer Armenier oft mit „Nazi-Ansichten“ konfrontiert.

Vor allem solle der nun beginnende Prozess russische Staatsbürger anderer Nationalitäten einschüchtern, sagt Makitschjan: Der Ukrainekrieg lasse nationale Minderheiten über „russischen Kolonialismus“ nachdenken, der „Schauprozess“ solle Unzufriedene in die Schranken weisen. Es drohe ein „Präzedenzfall mit schrecklichen Folgen“. Hinzu kommen die Visums- und Geldsorgen. Als Touristen dürfen er und seine Frau nicht arbeiten. Makitschjan hat neulich seine Geige verkauft. Statt neue Aktionen zu planen, treffen sie Anwälte, die Bleibeoptionen ausloten. Alles ist kompliziert, nur eines klar: „Ich will nicht schweigen“, sagt Makitschjan. „Ich kämpfe weiter für ein normales Russland.“

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