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#Begriffspanscherei einer Kanzlerkandidatin

Begriffspanscherei einer Kanzlerkandidatin

In der Frühzeit des deutschen Fernsehens war der Chefsprecher der Tagesschau mehr als nur das Gesicht der Sendung. Ein Karl-Heinz Köpcke war bis zu seiner Pensionierung 1987 eine nationale Institution. Er war die Verbindung der Deutschen zum Weltgeschehen. Diese Zeiten sind lange vorbei, es kann sich auch kaum noch jemand an den vier Jahre später verstorbenen Köpcke erinnern.

Trotzdem gilt die Tagesschau weiterhin als die wichtigste Nachrichtensendung in Deutschland. Deren Chefsprecher sind Aushängeschilder geblieben, habituell verkörpern sie die Distanz zu den berichteten Ereignissen. Insofern war es eine Überraschung als der gerade erst pensionierte Jan Hofer seinen Wechsel zu RTL verkündete. Stand doch der Kölner Sender immer für das Gegenteil des Tagesschau-Konservativismus: Infotainment statt Distanziertheit.

Keine bloße Kopie

Gestern Abend erlebten die Zuschauer die Premiere des neu entwickelten Formats „RTL Direkt.“ Es soll um 22:15 Uhr die Lücke zwischen den Abendnachrichten um 18:45 Uhr und dem um Mitternacht gesendeten „Nachtjournal“ schließen. Bisher war das für RTL kein Problem, aber in den fragmentierten Medienmärkten haben solche Nachrichtenformate offenbar eine neue Attraktivität. Dabei ist das Konzept durchaus gelungen, weil es mehr ist als nur eine Kopie der „Tagesthemen“ oder des „heute journal“. Nicht der Nachrichtenüberblick steht im Mittelpunkt, sondern man setzt in den 20 Minuten einen inhaltlichen Schwerpunkt.

Das bietet an eher beschaulichen Tagen Möglichkeiten. So hatte die Redaktion zur Premiere die Kanzlerkandidatin der Grünen zum Interview eingeladen. Es sollte um eines der zentralen Themen des Wahlkampfes gehen: Können sich die Wähler die Kosten einer sogenannten „nachhaltigen Lebensweise“ leisten? In einer gelungenen Reportage wurde das am Beispiel einer Familie dokumentiert. Was kostet der Einkauf im Supermarkt und im Biomarkt? Wie verträgt sich das mit einem verfügbaren Haushaltseinkommen von etwas über 2.700 Euro? Allerdings war es wohl ein Scherz, dass eine solche Familie ihre drei Kinder in einer Boutique für nachhaltige Kleidung für 636 Euro ausstaffieren würde. Da braucht es schon einen Fernsehsender, um sich das bei diesem Haushaltseinkommen leisten zu können. Dafür war ein Ökostromanbieter günstiger als der bisherige Lieferant der Familie. Ob das nur für das erste Jahr nach dem Wechsel gilt, erfuhren die Zuschauer leider nicht.

Argumentatives Fastfood

In diesen Passagen war die Sendung gelungen. Natürlich gibt es keine Politiker, die in Wahlkämpfen unangenehme Fragen gerne beantworten. Das Ausweichen gehört zum Geschäft, Annalena Baerbock ist hier keine Ausnahme. Wobei sie es in dieser Disziplin zu einer besonderen Meisterschaft gebracht hat: Es gibt wenige Spitzenpolitiker, deren Antworten aus einer Ansammlung bloßer Wortkaskaden bestehen. Das macht es schwierig, daraus noch Argumente zu destillieren. Baerbock bietet auf diese Weise argumentatives Fastfood mit wenig nachhaltigem Sättigungsgefühl.

Immerhin erfuhren wir aber bei Jan Hofer, dass sie neuerdings nicht mehr aus dem Völkerrecht, sondern „aus dem Sport kommt“. Er hatte zwar bisweilen Schwierigkeiten, noch zu Wort zu kommen, aber das ist nicht nur bei dieser Kanzlerkandidatin ein Problem. Hofer wird allerdings auch nicht von einem Tagesschausprecher zum Moderator, indem er auf die Krawatte verzichtet. Er muss seine Distanziertheit ablegen, wenn er in Interviews den nötigen Biss entwickeln will.

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