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#Besatzer im Museum

Besatzer im Museum

Wer die zynische Maxime des „teile und herrsche“ zuerst auf den sprichwörtlichen Punkt gebracht hat, ist nicht geklärt. Vielleicht war es Machiavelli, vielleicht Ludwig XI., um ein Zitat aus klassischer Zeit handelt es sich bei „divide et impera“ jedenfalls nicht. Dem Präsidenten des rheinland-pfälzischen Landtags kann es als Praktiker der Macht egal sein, er zeigt sich jedenfalls zufrieden mit dem Ergebnis eines Gesprächs, zu dem er die Spitzen der beiden deutschen Archäologenverbände unlängst eingeladen hatte.

Vehement hatten Alfried Wieczorek und Patrick Schollmeyer – wie andere Vertreter historischer Disziplinen auch – Pläne kritisiert, den bisherigen Plenarsaal in Mainz zu erhalten und künftig als „Reallabor Demokratie“ zu nutzen, in dem neue Verfahren der Bürgerbeteiligung erprobt werden sollen. Nicht gegen die Idee als solche sprachen sich die beiden Wissenschaftler aus, sondern nur gegen die Ortswahl. Der Plenarsaal soll in der Steinhalle des Landesmuseums bleiben, die ihm in den vergangenen fünf Jahren während der inzwischen abgeschlossenen Sanierung seines angestammten Sitzes im Deutschhaus als Übergangsquartier gedient hat.

Das aber bedeutet, dass die ehemalige kurfürstliche Reithalle auf Dauer nur zum kleineren Teil für den Zweck zur Verfügung stehen wird, der sie international bekannt gemacht hat – die Präsentation von herausragenden Fundstücken des römischen Mogontiacum, so der lateinische Name der Stadt, darunter die berühmte Jupitersäule, in Form einer Gräberstraße.

Nach dem Gespräch verschickte das Büro von Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) Ende vergangener Woche eine Pressemitteilung, derzufolge die Archäologenvertreter sich praktisch auf ganzer Linie hatten überzeugen lassen und zufrieden damit sind, an der Erarbeitung eines Konzepts beteiligt zu werden. Unter den anderen Gegnern des Projekts war das Entsetzen groß, und sie hielten damit nicht hinter dem Berg. Schollmeyer berichtet im Gespräch mit der F.A.Z. von harten Angriffen, er benutzt sogar den Begriff „Shitstorm“. Er fühlt sich missverstanden, es bleibt allerdings im Unklaren, von wem. Dass die Darstellung des Landtagspräsidenten unwahr sei, sagt er nicht. Andererseits will er keine Zustimmung zu dessen Plänen geäußert, sondern eine ergebnisoffene Diskussion angemahnt haben. Schollmeyer spricht von einem runden Tisch, an dem nach Kompromissen gesucht werden soll.

Das richtet sich an die übrigen Gegner der Pläne, mit denen der Landtag vom Gast in der Steinhalle zu einer Art Besatzer mutiert. Die Altertumswissenschaftlerin Ulrike Ehmig vom Verband der Historiker und Historikerinnen hat eine Initiative auf der Internetseite openPetition gestartet, die sich für die vollständige Wiederherstellung der Halle als Museumsraum einsetzt. Die Petition zählt schon mehr als 2500 Unterstützer, gut achthundert davon aus Mainz.

Das Runde musste ins Eckige: Von 2016 bis zum Beginn der Pandemie tagte der rheinland-pfälzische Landtag in der Steinhalle des Landesmuseums.


Das Runde musste ins Eckige: Von 2016 bis zum Beginn der Pandemie tagte der rheinland-pfälzische Landtag in der Steinhalle des Landesmuseums.
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Bild: dpa

Es sind zahlreiche renommierte Wissenschaftler darunter, nicht zuletzt Mitglieder der beiden Archäologenverbände, deren Vorsitzende sich mit dem Landtagspräsidenten getroffen hatten. In Kommentaren äußern sie sich kundig und klar. Ehmig ist zufrieden und nicht in der Stimmung, sich über einen runden Tisch ziehen zu lassen. „Es ist nicht die Sache der Petition, sich um ein ,Abstimmen‘ von Verbänden respektive im gegebenen Fall um den Dialog von Personen, die als Vorsitzende von Verbänden zu einem Gespräch geladen waren, zu kümmern“, teilt sie auf Anfrage mit.

Auch der Freundeskreis des Mainzer Landesmuseums spart nicht mit harten Worten. Die Vorsitzende Elisabeth Kolz hat im Gespräch mit dem Internetmagazin „Mainz&“ von einem Wortbruch des Landtagspräsidenten gesprochen. Dessen Vorgänger habe offiziell zugesichert, dass es sich bei der Nutzung durch den Landtag nur um eine Interimslösung handele, von der beide Seiten profitierten, da die Halle dafür saniert worden sei. So aber verliere das Museum dauerhaft massiv an Ausstellungsfläche. Kolz monierte auch, dass die Öffentlichkeit viel zu spät von den Plänen informiert worden sei.

Es wäre in der Tat mehr als heikel, wenn der Landtag ausgerechnet sein Forum für Bürgerbeteiligung auf der Grundlage eines Akts der Überrumpelung etablieren würde. Die enorme Unterstützung für die Petition zeigt, dass sich nicht nur die Republik der Gelehrten gegen dieses moralisch verwerfliche und geschichtsvergessene Vorgehen wehrt, das den wichtigsten Mainzer Museumsraum zerstört.

Es wäre eine hübsche Pointe, wenn eine reale demokratische Debatte über das „Reallabor Demokratie“ dazu führte, dass für das Labor ein anderer Standort gesucht werden muss. Man könnte dann geradezu von einem ideellen Grundstein für eine gehobene politische Kultur sprechen.

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