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#Beste Zeit des Lebens?

Beste Zeit des Lebens?

Grob unterteilt, gibt es bei mir im Studium momentan zwei Typen von Leuten. Typ eins kriegt bei Wörtern wie Hörsaal, Präsenzveranstaltung und sogar Mensaessen einen verträumt-ehrfürchtigen Schimmer in den Augen, und von den WG-Partys, die jetzt nach den Klausuren endlich stattfinden sollen, redet er, als gehe es um Feste in Gatsbys Villa. Ich bin im zweiten Semester. Wer mit mir angefangen hat, studiert seit bald einem Jahr unterm großen C und war womöglich noch nie in einem Gebäude der Uni und in keiner WG außer der eigenen. Typ zwei, tendenziell ein paar Jahre älter, steht leicht amüsiert daneben und denkt hinter einem milde-altklugen Lächeln: als ob. Als ob „Diskussionen“ in Seminaren bloß deshalb besser würden, weil sie wieder Personen im selben Raum führten, und als ob das Problem nicht wäre, dass eine Hälfte nie das gelesen hat, worüber sie redet, und die andere Hälfte sich nicht traut, etwas zu sagen.

Bei meinem ersten Studienversuch nach dem Abi war ich selbst Typ eins und damals, nach dreizehn Jahren Wikipedia-Referaten und Pflichtlektüren, meine Erwartung ans Uni-Leben riesig. Frei und erwachsen, das würde ich als Student endlich werden. Wie frustrierend muss es sein, diese Erwartungen noch ein Jahr länger mit sich herumzutragen, während man allein in seinem Zimmer vor einem Bildschirm sitzt und Dozentinnen und Kommilitonen bloß als Zoom-Kacheln kennenlernt. Man kann es sich ungefähr vorstellen und auch daran ablesen, dass an vielen Unis die Nachfrage nach psychologischen Hilfsangeboten enorm gestiegen ist. Klar ist die Sehnsucht nach dem Davor groß.

Ziemlich demotivierende Mittelmäßigkeit

Und trotzdem kommt es mir so vor, als hätte der Vor-Corona-Zustand über die vergangenen Monate auch in diesem Gesellschaftsbereich eine etwas zu heiligenscheinhelle Strahlkraft gewonnen. Auch an den Unis war davor längst nicht alles so toll. Denn zur „Die beste Zeit des Lebens“-Erzählung rund ums Stichwort Studentenleben gehören seit Langem auch die halb lustig gemeinten Anekdoten über Professoren, die ihre Vorlesungen seit der Umstellung von Overhead auf PowerPoint nicht mehr verändert haben, und über Hausarbeiten, die sowieso niemand liest. (Ein Freund von mir hat einmal eine Hausarbeit abgegeben, die mitten im Satz abbrach, weil er die Uni wechseln würde und es ihm egal war, ob er bestünde. Er bestand.)

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Man klingt schnell, als sehne man sich nach früher, wenn man jetzt von Massen-Vorlesungen anfängt, in denen die Leute höchstens mal fragen, ob etwas klausurrelevant ist. Einem Früher, das ich überhaupt nicht erlebt habe und das angeblich an einem Schreckensort endete, den ich auch bloß als WG-Party-Gröler „Bologna“ der Wiener Band Wanda kenne. Was ich ein bisschen kennengelernt habe an zwei deutschen Unis, ist ziemlich demotivierende Mittelmäßigkeit. Einen Bachelor in Politik und VWL konnte ich pro­blemlos machen, ohne dass je ein einziger ökonomischer Theoretiker drankam. Am Anfang versuchte ich noch, mit extracurricularen Veranstaltungen aus dem Studienverlaufsplan auszubrechen und mir mein Studium zurechtzubasteln. Aber bald hatten mich das beruhigende Abhaken der Pflichtveranstaltungen und der steigende Count von Leistungspunkten korrumpiert. Das fies Angenehme hinter dem bösen Wort „verschult“ ist ja, dass man von den vielen Bewertungen wirklich ein bisschen high wird und das Gefühl bekommt, alles richtig zu machen.

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