#Bidens gezielte kleine Hiebe
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„Bidens gezielte kleine Hiebe“
In seiner Rede zur Lage der Nation führte Joe Biden am Dienstagabend im Repräsentantenhaus vor, wie man auch ohne laute Töne angriffslustig sein kann. Die Taktik: Heranpirschen, zielgenaues Piesacken und dann der schnell ausgeführte Hieb. Das Brüllen überließ er den Getroffenen.
Anders war das im Repräsentantenhaus noch vor einem Monat. Da hatten die Republikaner in dieser Kammer eine andere Form des Streitens vorgemacht: das Brüllen, das Kratzen bis aufs Blut, schließlich die halbherzige Entschuldigung und am Ende ein oberflächlicher Frieden. Nach vier Tagen, 15 Wahlrunden und viel öffentlicher Auseinandersetzung wählte die Partei damals Kevin McCarthy schließlich zum Sprecher des Repräsentantenhauses.
Auch Präsident Biden hatte es in den vergangenen Monaten mit Direktangriffen versucht. Noch im September warnte er vor den Trump’schen „America-First“-Republikanern, die eine Gefahr für die Demokratie darstellten. Es sei ein Kampf um die „Seele Amerikas“. Damals stand das Land kurz vor den Kongresswahlen, und es ging darum, möglichst viele Demokraten zum Wählen zu bewegen. Inzwischen ist die Lage eine andere, und so hat sich auch der Ton des Präsidenten wieder geändert.
Biden scherzt mit McCarthy
Biden wandte sich in seiner Rede zur Lage der Nation vor dem gespaltenen Kongress am Dienstagabend an seine „republikanischen Freunde“. Wenn es in der letzten Legislaturperiode gelungen sei zusammenzuarbeiten, „dann gibt es keinen Grund dafür, dass wir uns nicht auch jetzt auf wichtige Dinge verständigen können“. Damals hatte man sich parteiübergreifend unter anderem auf ein gewaltiges Infrastrukturpaket geeinigt. Konflikte würden das Land dagegen nicht weiterbringen, sagte Biden am Dienstag. Gleich zu Beginn scherzte der Präsident mit Sprecher McCarthy: Er ruiniere diesem nur ungern den Ruf – freue sich aber darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Wie schwierig diese Zusammenarbeit werden dürfte, offenbarte sich noch während Bidens Rede. Vor ihm aufgefächert saßen traditionell alle Abgeordneten des Repräsentantenhauses, alle Senatoren, sein Regierungsteam und auch Oberste Verfassungsrichter. Von rechts, von demokratischer Seite, kam viel Applaus, von den Republikanern links dagegen immer wieder Buhrufe und Einwürfe.
Am lautesten wurde es beim Thema Schuldenobergrenze. Doch Biden wusste das für seine Zwecke zu nutzen. Erst stichelte er, warf den Republikanern vor, unter der Trump-Regierung seien Amerikas Schulden vier Jahre in Folge gestiegen. Nun wollten einige Republikaner die Kranken- und Sozialversicherung immer wieder auslaufen lassen, „anstatt die Wohlhabenden ihren gerechten Anteil zahlen zu lassen“. Sofort wurde er heftig ausgebuht. Er sage ja nicht, dass es sich dabei um alle Republikaner handele, gab Biden zurück. Und: Er freue sich, dass einige sich offenbar umentschieden hätten. Damit saß der erste Hieb. Der Präsident dürfte den Republikanern das immer wieder vorhalten, wenn es um die Anhebung der Schuldenobergrenze geht, für die sie Kürzungen an anderer Stelle fordern.
Biden hat nicht nur wegen des geteilten Kongresses zwei schwierige Jahre vor sich. In jüngsten Umfragen sagt ein Großteil der Demokraten, er habe kaum etwas erreicht in seiner bisherigen Amtszeit. Nur vier von zehn Befragten wollen, dass der Achtzigjährige noch einmal als Präsidentschaftskandidat antritt. Es ist jedoch zu vermuten, dass Biden genau das in den nächsten Wochen ankündigt. Auch die Schwerpunkte seiner Rede am Dienstag ließen darauf schließen.
So widmete sich Biden all jenen Themen ausgiebig, die bei vielen Wählern gut ankommen: eine bessere Gesundheitsversorgung, mehr Steuern für Reiche, bessere Schulen sowie keine Abzocke bei Gepäckgebühren für Flüge – alles wahlkampftaugliche Bemerkungen, gepaart mit viel Optimismus. „Die Amerikaner sind es leid, für dumm verkauft zu werden“, rief Biden. Außerdem knüpfte er an seine protektionistische Wirtschaftspolitik an: Künftig sollten alle Baumaterialien für Infrastrukturprojekte ausschließlich aus amerikanischer Produktion stammen.
Auch an der Liste der Ehrengäste ließen sich einige der Botschaften ablesen, die Biden an diesem Abend senden wollte: eingeladen waren etwa die ukrainische Botschafterin in Washington und Paul Pelosi, der Ehemann der vormaligen Sprecherin Nancy Pelosi, der von einem Angreifer im Haus der Pelosis in San Francisco angegriffen und schwer verletzt worden war.
Rodney Wells (2.v.l.) und RowVaughn Wells (3.v.r.), die Eltern des von Polizisten zu Tode geprügelten Tyre Nichols, werden persönlich von Biden angesprochen und von den Zuhörern geehrt. In der Reihe hinter ihnen Joe Bidens Frau Jill (2.v.r.).
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Bild: AFP
Besondere Aufmerksamkeit ließ Biden den Eltern Tyre Nichols zuteil werden. Der 29 Jahre alte Mann war bei einer Polizeikontrolle im Januar in Memphis so geprügelt worden, dass er später starb. „Stellt euch vor, ihr müsstet jeden Tag mit dieser Angst um eure Kinder leben“, sagte Biden in Bezug auf Schwarze in Amerika. Jeder Fall von Gewalt durch Beamte müsse zur Rechenschaft gezogen werden. Auf der anderen Seite sprach Biden auch von Polizisten, die „gute, anständige, ehrenwerte“ Menschen seien.
Außenpolitisch bestärkte Biden nur am Rande die Unterstützung für die Ukraine und hob in Bezug auf China hervor, er werde alles tun, um die Vereinigten Staaten vor Peking zu schützen. Seine wunden Punkte – die Lage an der Südgrenze etwa – streifte Biden nur.
Von republikanischer Seite gab es für den Präsidenten während seiner gut eine Stunde langen Rede kaum geschlossenen Applaus. Es war die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, die beim Thema Schuldenobergrenze „Lügner“ in den Saal schrie – ein Ausbruch, der in der Tradition der Reden zur Lage der Nation ungewöhnlich ist.
Sprecher McCarthy hatte seine Fraktion vor der Rede dazu aufgerufen, sich respektvoll zu verhalten und mahnte immer wieder zur Ruhe. Donald Trump ätzte in seinem sozialen Netzwerk „Truth Social“ erst, Biden könne vor lauter Stottern gar nicht sprechen, und fügte später hinzu: Er habe das ja ganz gut gemacht, ihm fehle einfach das Talent für solche Auftritte. Den innerparteilichen Kritikern einer abermaligen Kandidatur dürfte Biden mit diesem Auftritt dagegen ein wenig den Wind aus den Segeln genommen haben.
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