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#Bloß weg mit der Gitarre

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Bloß weg mit der Gitarre

„Todeszeitpunkt“, das muss Pflegerin Martina (Katja Studt) nicht sagen, so normal ist es, dass eine Seniorin vor ihren Augen das letzte Mal einatmet. Martina schaut auf ihre Armbanduhr, dann zu ihrer Chefin Sina (Neda Rahmanian), „16.05 Uhr“, dann verlassen beide den Raum S10, und Sina schließt die Tür hinter ihnen vorsorglich ab.

Niemand schaut hochbetagten Menschen gerne beim Sterben zu, weder im echten Leben noch im Fernsehen. Dass das vom Hessischen Rundfunk produzierte Drama „Die Luft, die wir atmen“ ein Seniorenheim im Frankfurter Umland zum Gegenstand seiner Erzählung macht, ist fast schon mutig. Wer mag sich schon mit dem Ende des Lebens seiner Angehörigen befassen oder mit dem Ende seines eigenen Lebens? In der Realität wie im Film bleiben das rhetorische Fragen.

Weil die Drehbuchautorin Julia C. Kaiser aber nur 90 Minuten füllen und darin keine jahrelange Leidensgeschichte abbilden kann, muss sie die Angehörigen dazu zwingen, sich doch mal akut die Endlichkeit ihrer Liebsten vor Augen zu führen, über die eigentlichen Besuchszeiten hinaus. Es ist Winter, und die Besucher des Seniorenheims kommen aufgrund von Blitzeis plötzlich nicht mehr weg. Zum Beispiel Alisa (Bernadette Heerwagen), deren dementer Vater Martin (Gerd Wameling) ihr keine Vollmacht für sein Bankkonto ausstellen will, die Tochter zahlt das Heim derzeit aus eigener Tasche. Oder Klaus (Rainer Bock), der nicht verstehen kann, warum seine an Parkinson erkrankte Frau Sylvia (Ruth Reinecke) nicht von ihm gepflegt werden möchte, sondern lieber ins Seniorenheim gezogen ist.

Verdächtig pflegeleicht

Jürgen (Thomas Loibl) wiederum kommt das Blitzeis gelegen. Er sitzt am Bett seiner sterbenden Mutter, die ihn und seine Schwester (Barbara Philipp) nie gut behandelt hat, sieht sich aber dennoch nicht imstande, sie allein zu lassen. Als er glaubt, dass sie jetzt wirklich stirbt, bekommt er eine Panikattacke. Marianna (Patrycia Ziolkowska) kommt gerade noch vor dem Witterungsumschwung an, nur um zu erfahren, dass ihre Mutter gerade in Raum S10 gestorben ist. Jetzt sitzen alle zusammen fest, und wie immer in Filmen, in denen alle irgendwo festsitzen, kommt es zu augenöffnenden Gesprächen, bewegenden Momenten und viel Versöhnung.

Regisseur Martin Enlen sagt selbst: „Dieser Film ist ganz sicher keine Dokumentation über den Zustand in deutschen Alten- und Pflegeheimen“, und das ist ziemlich schade, weil er diesen Anspruch in seinem ruhigen, nüchternen Ansatz und den ehrlichen Dialogen eigentlich andeutet. Die stoische, aber stets lächelnde Leiterin Sina hat etwa keine Stellvertreterin und beantwortet die Frage „Was machen Sie, wenn Sie mal krank sind?“ mit „Arbeiten – Sie?“. Einen selbstmitleidigen Monolog von Jürgen beendet Marianna mit einem trockenen „Nein“, und Schwester Martina gönnt sich manchmal im Keller einen Schluck Hochprozentiges, ohne dass es allzu klischeehaft wirkt.

Dann aber ist dieses Pflegeheim verdächtig pflegeleicht, kein Heimbewohner macht sich in die Hose, alle Zimmer sind aufgeräumt, niemand schlappt in Unterwäsche herum oder schreit wirres Zeug. Martin ist zwar dement, aber kann noch wunderbar Gitarren zusammenbauen. Gitarrenmusik als Sinnbild der Harmonie wird auch sonst gerne verwendet, in Sequenzen, in denen irgendwer fleißig arbeitet, aber nichts passiert, oder wenn Martina und Sina kurz mal einträchtig in den Nachthimmel blicken. Das ist vielleicht das größte Problem des Films. Tod und Krankheit brauchen keinen Kitsch, um Gefühle zu erzeugen.

Die Luft, die wir atmen, 20.15 Uhr, ARD

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