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#Blut und Bärte: Die Netflix-Serie „Crooks“ von den Machern von „4 Blocks“

Vor lauter Schlägen keine Welt: „4 Blocks“-Schöpfer Marvin Kren hat wieder eine Gangstergeschichte inszeniert, der in ihrer Atemlosigkeit bald die Puste ausgeht.

Wenn Männer Mist gebaut haben oder in der Tinte sitzen, kommen sie ans Meer. Es beruhigt. Weil es doch letztlich stets größer und bedrohlicher ist als der kleinteilige Blödsinn, in den sie selbst verstrickt sind. Auch Joseph (Christoph Krutzler) steht am Wasser: entfremdeter Vater tot, Gangster am Hals, verliebt in eine „Hure“, Blut an den Händen, trockener Alkoholiker, randvoll mit mehreren Flaschen Schnaps. Dann lieber richtig ersaufen – an einem italienischen Kiesstrand vor den leeren Sonnenliegen.

Es ist eine, wenn nicht die einzige Szene, in der so etwas wie Ruhe einkehrt, sich ein Tempowechsel andeutet, die Figuren kurz stillstehen. Ansonsten sind hier alle immer in Bewegung. Laufen, fahren, Fäuste schwingen. Zeit zum Reden ist allenfalls am Handy oder im Auto. Dabei wird mehr gebrüllt denn geredet in Marvin Krens neuester Gaunergroteske „Crooks“, in der alte Bekannte aus Krens Erfolgsserie „4 Blocks“ (TNT) für den bei Netflix hoch bewerteten Wiedererkennungswert sorgen sollen: Frederik Lau beispielsweise scheint auf den ersten Blick einfach nur den Namen Vince („4 Blocks“) gegen Charly („Crooks“) getauscht und ansonsten in ähnlichem Outfit die Serie gewechselt zu haben. Auch hier spielt er einen Mann mit komplizierter Vergangenheit. Kida Khodr Ramadan ist ebenfalls dabei. Er spielt allerdings die Nebenrolle in einer Geschichte, die vornehmlich von verärgertem Führungspersonal unter Zugzwang handelt.

Gangster fahren ungern Bahn

Mitglieder eines Berliner Clans stehlen eine wertvolle Münze aus dem Museum. Sie ist um einiges kleiner als die „Big Maple Leaf“-Goldmünze, die im Jahr 2017 tatsächlich aus dem Bode-Museum gestohlen wurde. Gut so, denn sie muss in Hosentaschen und Schuhabsätze passen, über Tische geschoben werden und in den Händen der Unschuldigen leuchten wie ein Azteken-Schatz. Frederik Lau alias Charly, der, weil er ein goldenes Händchen für Schlösser hat, in seinem zweiten, bürgerlicheren Leben mit Frau und Kind einen Schlüsseldienst betreibt, wird von Berliner Mitternachtsgestalten zu einem letzten Bruch gezwungen.

Das geht sehenswert schief. Söhne und Brüder sterben. Und deshalb ist plötzlich nicht nur der Al-Walid-Clan hinter Charly her, sondern auch die Wiener Rotlichtgröße Bachofner (eine der schönsten Figuren, gespielt vom 2023 verstorbenen Karl Welunschek), genannt „der Rote“, der wiederum einem bösen Russen besagte Münze versprochen hat.

Nun fahren Gangster ungern Bahn, Fliegen ist ebenfalls aufwendig, wenn man untergetaucht ist, also werden diverse Autos verschlissen und zerschossen – mithin, es wird versucht, den Verbrecherkrieg in ein Roadmovie zu pressen. Und man kann sich auch zunächst gar nicht sattsehen an lauter Zwielicht versprechenden Neonschriften, die an Autofenstern vorbeiziehen, sich in Windschutzscheiben oder im Lack spiegeln. Auch drinnen leuchtende Farben, die den schwarzen, grauen und weißen Bärten unterschiedlichster Länge, die hier wirklich alle Männer tragen, die mit auf Kaperfahrt fahren, einen grellen Gefühlsanstrich verleihen. Xiaosu Han und Andreas Thalhammer bilden das mit ihrer raffinierten Kameraarbeit stets so ab, dass man den bartharten Gesichtern sehr nahe kommt.

Das Grelle und das Maskuline, respektive in Gewalt mündende Blödheit, schlugen im Zusammenspiel mit einem bassgenauen Soundtrack und einem großartigen Kostümbild schon in „4 Blocks“ ein großes Publikum in Bann. Kren ließ einigermaßen authentische Familien- und Beziehungsgeschichten mit dem Gangsteralltag kollidieren, ohne je die Balance zu verlieren. In „Crooks“ schaut man nun grimmigen Männern dabei zu, wie sie grimmige Dinge sagen und entsprechend handeln. Das ist zunächst unterhaltsam, weil Schnitt und Kamera gekonnt Gas geben. Weil Lau und Krutzler, deren Figuren bald zueinander finden, in ihren zahlreichen Prügelszenen fast schon die Qualitäten einer zeitgemäßen Version von Bud Spencer und Terrence Hill entwickeln.

Doch irgendwann sind genug harte Dinge auf Schädelknochen getroffen, drehen Drohungen hohl, wird das Hin und Her beliebig. Wieder ein Nebenschauplatz, der zerlegt wird. Wieder ein paar überzeichnete Handlanger, die krass eingeführt werden, deren Potential jedoch bald verglüht – während Charlys Frau Samira (Svenja Jung) und ihr Sohn Jonas (Jonathan Tittel) in Marseille warten, flüchten, sich verstecken und Opfer seiner Verwicklungen bleiben müssen. Er komme bald, verspricht Charly in fast jeder Folge.

Klar, Berlin–Marseille, das sind über 1500 Straßenkilometer. Das dauert ein paar Folgen. Doch spätestens nach etwa fünf davon fühlt man sich an die Szene aus Monty Pythons „Die Ritter der Kokosnuß“ erinnert, in der John Cleese als Sir Lancelot unter schnellem Getrommel auf die Burg zustürmt – und stürmt und stürmt und stürmt und stürmt, bis er dann plötzlich da ist und, zack, peng, alles niedermacht, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Dass Krutzlers Figur Joseph ein dickes Fell hat und austeilen kann, nehmen ihm alle ab, die mit Bud Spencer groß geworden sind. Dass Laus Schlosser Charly allerdings eine durchgedrehte rechtsradikale Wehrsportgruppe im Alleingang ausschaltet, als Urban-Ninja Geiseln befreit und überhaupt so rüstig ist wie drei Fremdenlegionäre und ein Rummelboxer zusammen, das zu unterfüttern bleibt Krens Gaunerklamotte dem Publikum schuldig. Überhaupt, der Glaube an die Härte von Männern mit Bärten – irgendwann ist er überstrapaziert. Vielleicht auch, weil die Figu­ren so wenig zu sagen haben, obgleich es so viel zu klären gäbe.

Crooks läuft ab heute bei Netflix.

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