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#Bolsonaro hat sich verschätzt

Bolsonaro hat sich verschätzt

Vielleicht hat sich Jair Bolsonaro an die Bilder aus dem Juli 2019 erinnert. Damals – noch vor der Pandemie – ließ sich der brasilianische Präsident im Kreise der Nationalmannschaft feiern. Das Publikum im ausverkauften Stadion Maracanã in Rio de Janeiro jubelte bei der Copa América, der südamerikanischen Meisterschaft, über den ersten Titel der Seleção seit Jahren. Mannschaft und Präsident stellten sich mit Pokal zum Jubelfoto. Die Botschaft dahinter: Mit ihm kommen bessere Zeiten zurück.

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Knapp zwei Jahre später steckt Brasilien tief in der Corona-Pandemie. Hunger und Armut durch die damit einhergehende Wirtschaftskrise sind überall greif- und sichtbar. Trotzdem beharrt Bolsonaro auf dem Kurs der unbedingten Öffnung von Wirtschaft und Handel, egal wie schlimm die Corona-Zustände auch sind. Offiziell gibt es bislang 460.000 Corona-Tote.

Anders als Europa steht Brasilien möglicherweise am Beginn einer neuen Welle. Zudem ist das Land als Virusvariantengebiet eingestuft. Am Tag, an dem der südamerikanische Verband Conmebol die Entscheidung bekannt gab, die von Argentinien wegen der epidemiologischen Notlage und von Kolumbien wegen Polizeigewalt und Straßenblockaden abgegebene Copa América nach Brasilien zu verlegen, zählte die Tageszeitung Folha aus São Paulo 61.000 Neuinfektionen.

Bolsonaro rechnete damit, dass die fußballverrückten Brasilianer ihm die zweite Copa América im eigenen Land innerhalb von zwei Jahren danken würden. Und die Opposition hatte ja gerade selbst erst Hunderttausende zu Massenprotesten auf die Straße geschickt, auch wenn sie anders als die Teilnehmer von Pro-Bolsonaro-Demos meist Masken trugen. Obendrein verspricht Conmebol ein sicheres Turnier, weitgehend ohne Zuschauer und dank der Spende eines chinesischen Impfstoffherstellers auch mit durchgeimpften Delegationen. Doch ein Großteil der Brasilianer findet ein solches Turnier unpassend.

„Unverantwortlich seitens der Regierung“

Politikwissenschaftler Roberto Gulart fasste im Gespräch mit der F.A.Z. die Stimmungslage in Brasilien zusammen: „In diesem Moment ist es unverantwortlich seitens der Regierung und regionaler Gouverneure, die Ausrichtung von Spielen der Copa América zu akzeptieren.“ Ähnlich sieht es Sozialwissenschaftler Vitor Del Rey vom Institut Guetto, der politische Motive vermutet: Das Volk auf der Straße zu sehen, seine Gegner wie auch die eigenen Anhänger, habe Bolsonaro eine Option verschafft, die Copa América nach Brasilien zu bringen. „Für ihn war das ein wunderbares Argument.“

Doch anders als vom Präsidenten erhofft, ist der überwiegende Tenor in den sozialen Netzwerken, den Medien und auch in der Gesellschaft negativ. Populist Bolsonaro hat offenbar die tatsächliche Stimmung im Fußball-Land Brasilien falsch eingeschätzt, zumal es bei zahlreichen, aber nicht allen, Ultra-Bewegungen der Fan-Szene eine klare Anti-Bolsonaro-Haltung gibt.

In der Kritik steht auch Conmebol. Der Kontinentalverband hätte eigentlich schon Anfang Mai angesichts der Straßenschlachten in Kolumbien vorhersehen können, dass einer der beiden Ko-Gastgeber ausfallen wird. Spätestens als Mitte Mai auch noch Argentinien explodierende Corona-Zahlen meldete, hätten die Notfallpläne auf dem Tisch liegen müssen. Stattdessen wandte sich Conmebol-Präsident Alejandro Domínguez an Bolsonaro, als es praktisch schon zu spät war. Inzwischen geht angesichts des heftigen Widerstands auch die brasilianische Regierung auf Distanz und sprach plötzlich nur noch von Verhandlungen mit Conmebol.

Neben dem finanziellen Verlust von Dutzenden Millionen US-Dollar für die TV-Rechte ist auch ein anderer Präzedenzfall geschaffen. Dass öffentlicher Druck die Austragung eines derart prominenten Turniers verhindern könnte, ist neu in Südamerika. In Brasilien gingen im Vorfeld von Confederations Cup 2013 und WM 2014 Tausende auf die Straße, um gegen die horrenden Investitionen in die WM-Stadien zu demonstrieren, während Krankenhäuser und Schulen in einem katastrophalen Zustand waren. „Wir werden keine Copa haben“, riefen die Menschen damals. Sie bekamen sie trotzdem – dazu gigantische Korruptionsskandale und tiefen Frust über die damalige Linksregierung von Dilma Rousseff – und am Ende auch Jair Bolsonaro.

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