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#Bombe im Pinguingehege

„Bombe im Pinguingehege“

Da hatte der Gast dem Kölner Publikum ein Zückerchen mitgebracht, eine betörende Idee: „Karneval 52 Wochen im Jahr“. Nur einen Kamellewurf entfernt, hinter den bröselnden Mauern des Kölner Doms, dürfte man sich ungefähr so den Sieg des Antichrist vorstellen, aber hier, im großen Sartory-Saal, einer Karnevalsadresse ersten Ranges, schien sich das Volk für die von Julian Barnes aus der Lameng entworfene Gegenhistorie – eine fröhlich schunkelnde Weltgeschichte ganz ohne das sinnenfeindliche Christentum – erwärmen zu können.

Falsch abgebogen, das denken nicht nur die Protagonisten in Barnes’ Roman „Elizabeth Finch“, sondern auch deren Autor, sind wir bereits im vierten Jahrhundert, als die frühen Märtyrer-Christen, die er „Taliban“ nennt, im Namen ihres Kults das hellenistische Wissen zertrümmerten. Sorgt sich der häretische Barnes denn wenigstens um das Nachleben seiner Bücher? „No, I’ll be dead.“ Aber natürlich hoffe er, dass sie länger überdauern werden als die von Ian McEwan (in Sachen Saalgröße herrscht zwischen den befreundeten Rivalen diesmal in etwa Gleichstand, zweimal Maximum).

Alles andere als eine bloße Wasserglaslesung: Julian Barnes bei seinem Auftritt auf der lit.Cologne.


Alles andere als eine bloße Wasserglaslesung: Julian Barnes bei seinem Auftritt auf der lit.Cologne.
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Bild: Imago

Dass Barnes die Herzen zuflogen, hatte viel mit der heiter-klugen Atmosphäre dieses von Alf Mentzer phantastisch mo­derierten Auftritts zu tun. Aber ebenso mit dem Umstand, dass nur wenige Ro­mane der Weltliteratur mit einer Kölner Szene eröffnen, dem wohl rein legendenhaften Massaker, das die Hunnen – ebenfalls im vierten Jahrhundert – angerichtet haben sollen, als sie elftausend Jungfrauen, die Begleiterinnen der heiligen Ursula auf ihrem Weg nach Rom, in Köln da­hinmetzelten. Barnes, der am Morgen die Kirche St. Ursula mit dem beeindruckenden Knochenmosaik (das keineswegs zur Legende passt) besucht hatte, wollte aber gar nicht auf Anti-Hunnen-Propaganda hinaus. Er richtete als Kyniker die Legende gegen sich selbst: Wer Armeen kenne, früher wie heute, dürfe bezweifeln, dass die Ermordeten wirklich als Jungfrauen in den Himmel aufgefahren seien.

Ein Romanritt durch zweitausend Jahre

Kurz, es war ein wilder, aufregender Ritt durch die Jahrhunderte, mit dem dieser Abend des wieder zu alter Größe angewachsenen, heute zu Ende gehenden Literaturfestivals lit.Cologne eine sich untergründig fortsetzende Denklinie begründete. Natürlich sucht jeder seinen eigenen Weg durch 180 bestens besuchte Veranstaltungen (105.000 Besucher; Auslastung mehr als neunzig Prozent; kaum Absagen wegen Corona; Clemens Setz konnte nicht kommen, weil er seinen Pass verloren und deshalb den Flieger verpasst hatte). Man findet also, was man will: auch einen Klaas Heufer-Umlauf, der über seine Lieblingsbücher redet, oder das junge queerfeministische Festival im Festival namens „lit.pop“.

Aber wer gleich nach Barnes zu Navid Kermani in die Balloni-Hallen eilte, wo der wichtigste Kölner Intellektuelle in funkelnder Brillanz über die desaströsen Folgen der interventionistischen Politik des sich für stark haltenden, zunehmend aber als schwach wahrgenommenen Wes­tens sprach, konnte kaum anders, als daran zu denken, dass es sich hier um den Teil der Welt handelte, der zumindest historisch als der christliche bezeichnet werden darf. Abschreiben will Kermani diesen Westen aber nicht. Er wiederholte zudem, wozu er schon zum Auftakt der lit.Cologne aufgerufen hatte: das iranische Regime international zu isolieren so wie einst das südafrikanische Apartheid-Regime.

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