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#Chinas letztes Tiananmen-Mahnmal soll entfernt werden

Chinas letztes Tiananmen-Mahnmal soll entfernt werden

Die University of Hong Kong will das bekannteste Kunstwerk auf ihrem Campus schnell loswerden: die „Säule der Schande“ des dänischen Bildhauers Jens Galschiøt, die der Opfer des Tiananmen-Massakers von 1989 gedenkt. Vor einer Woche setzten die Anwälte der Universität den vermuteten Besitzern eine Frist von sechs Tagen. Bis Mittwoch sollten sie die zwei Tonnen schwere Betonskulptur vom Campusgelände entfernen.

Friederike Böge

Politische Korrespondentin für China, Nordkorea und die Mongolei.

Andernfalls werde das Objekt „als herrenlos betrachtet“, und die Universität werde damit tun, was sie für richtig halte, schrieb die Anwaltsfirma Mayer Brown an die „Hong Kong Alliance in Support of Patriotic Democratic Movements of China“. Die Organisation hat jahrzehntelang die Erinnerung an die blutige Niederschlagung der Proteste vom Tiananmen-Platz wachgehalten. Sie betrieb ein kleines Museum und veranstaltete eine jährliche Mahnwache, an der Hunderttausende Hongkonger teilnahmen, bevor diese 2020 untersagt wurde.

Die acht Meter hohe „Säule der Schande“ war anlässlich der Mahnwache zum achten Jahrestag des Massakers 1997 errichtet worden. Seither hatte sich die Allianz um deren Erhalt gekümmert. Am Mittwoch aber teilte die Organisation mit, nicht sie selbst, sondern der Bildhauer Jens Galschiøt sei der Besitzer.

Bildhauer unerwünscht

Genau genommen gibt es die Allianz gar nicht mehr. Die Gruppe hat sich angesichts des repressiven Klimas in Hongkong im September aufgelöst. Ihre führenden Mitglieder sind in Haft. Sie werden der Subversion und der illegalen Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften beschuldigt. Die Ausstellungsstücke des Museums wurden beschlagnahmt. Warum nun auch die „Säule der Schande“ weichen soll, begründeten die Anwälte von Mayer Brown in ihrem Brief nicht. Die Universität teilte auf ihrer Website mit, Anlass für den Schritt seien eine „aktuelle Risikobewertung und rechtlicher Rat“.

Inzwischen hat der dänische Bildhauer über eine Anwältin seine Besitzrechte angemeldet. „Wir brauchen einige Monate, um die Skulptur zu verschiffen, wenn wir keinen anderen Ort in Hongkong finden, wovon ich ausgehe“, sagte Jens Galschiøt der F.A.Z. In anderen Ländern gebe es bereits einige Interessenten. Ein möglicher Standort sei in Washington. Er präferiere aber einen Ort näher an China, zum Beispiel Taiwan.

Um die Skulptur unbeschadet zu bewegen, sei seine Anwesenheit in Hongkong nötig, sagte der Bildhauer. „Sie brauchen mich dafür.“ Das könnte die Hongkonger Behörden in Verlegenheit bringen. Galschiøt ist in der Vergangenheit schon zweimal die Einreise nach Hongkong verweigert worden, einmal kurz vor den Olympischen Spielen von Peking im Jahr 2008. Im übrigen China ist er ohnehin eine Persona non grata.

3-D-Scans zum Nachbauen

Falls die Universität sich weigert, Galschiøt die nötige Zeit für den Abbau zu gewähren, will er vor Gericht gehen. Der Streit um die Skulptur habe aber schon jetzt einen positiven Effekt: Er erneuere die Erinnerung an die blutige Niederschlagung der Tiananmen-Proteste. „Egal was sie tun, wir gewinnen“, sagte der Däne. Das gelte selbst für den Fall, dass die Universität die Säule zerstöre. Dann könnten die Trümmerteile als Mahnung wirken.

Außerdem hätten einige Hongkonger schon 3-D-Scans der Skulptur gemacht, um sie in kleinerem Maßstab nachzuproduzieren und sie als Street-Art an verschiedenen Plätzen zu fotografieren. Dass er sich nicht früher eingeschaltet habe, begründet Galschiøt damit, dass seine Suche nach einem Anwalt einige Tage in Anspruch genommen habe. „Alle Leute, die ich in Hongkong kenne, sind im Gefängnis.“

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Die „Säule der Schande“ war 1997 knapp einen Monat vor der Rückgabe der britischen Kronkolonie Hongkong an China aufgestellt worden. So wurde sie „zum einzigen öffentlichen Denkmal für die chinesische Demokratiebewegung auf chinesischem Boden“, sagt Sebastian Veg, Professor für chinesische Ideengeschichte in Paris. Auf Initiative der Studentenunion der University of Hong Kong kam die Skulptur vor 23 Jahren auf den Campus.

Die Union erschuf das Ritual, dass das Kunstwerk jedes Jahr kurz vor der Mahnwache zum 4. Juni von den Studenten gewaschen wurde. Zuletzt in diesem Jahr. Das sei „Ausdruck der tiefen Verbindung“ der Hongkonger Studentenvereinigungen mit der chinesischen Demokratiebewegung von 1989, sagt Veg.

Auch für viele Studenten vom chinesischen Festland hatte die Säule eine besondere Bedeutung: Sie war ihre erste Begegnung mit dem Massaker, das im übrigen China totgeschwiegen wird. Da die Mahnwache schon seit 2020 nicht mehr stattfinden darf, das Museum geschlossen ist und die Säule abgebaut wird, ist dies das Ende des Tiananmen-Gedenkens in China.

Anwaltsfirma unter Druck

Die Studentenunion hätte unter anderen Umständen vielleicht ein Besitzrecht auf die Skulptur erhoben. Doch auch sie hat ihre Aktivitäten kürzlich wegen politischer Repression eingestellt. Vier ihrer Mitglieder wurden im Juli vorübergehend festgenommen. Ihnen wird Aufruf zum Terrorismus vorgeworfen.

Die Anwaltsfirma Mayer Brown, die einen Großteil ihres Geschäfts in den Vereinigten Staaten betreibt, ist dort derweil in die Kritik geraten, weil sie die Universität in dem Fall vertritt. Der Demokratieforscher Andreas Fulda von der University of Nottingham sagte der F.A.Z., mit der Einbeziehung von Mayer Brown „unternimmt die University of Hong Kong offenkundig den Versuch, sich ihrer ethischen Verantwortung zur Verteidigung der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit zu entledigen“.

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