#Corona-Politik: Die Aerosole der Freiheitsapostel
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„Corona-Politik: Die Aerosole der Freiheitsapostel“
Was hat sich in siebzig Jahren getan, dass die Gesellschaft auf eine Epidemie so fundamental anders reagiert? Ende der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren die deutschen Krankenhäuser überfüllt, starben Zehntausende Patienten, war das dafür „verantwortliche“ Virus hochansteckend – aber es scherte sich so gut wie niemand darum, jedenfalls nicht Staat und Öffentlichkeit. Das lag an historischen Gründen, von denen die zeitliche Nähe zum Krieg vielleicht der wichtigste ist.
Entscheidend aber ist, dass der damalige Sozialstaat diese Art der Lebensbedrohung noch als Schicksalsschlag hinnahm, der moderne Sozialstaat sich hingegen als Alleskönner damit nicht abfinden kann. Entsprechend orientiert sich die Bevölkerung. Damals entsprach ihre Gleichgültigkeit dem Bedürfnis, von Politik, Parteien und Schicksal nicht im Optimismus auf die wiedergewonnene Zukunft gestört zu werden. Heute sitzt der Schock so tief, weil die Rundumsicherheit, die der Staat verspricht, nicht mehr da ist.
Es überrascht nicht, dass Skepsis gegenüber den Corona-Maßnahmen vor allem aus der Richtung derer kommt, die im Sozialstaat schon in normalen Zeiten einen illegitimen Vormund sehen. Der Ruf nach Eigenverantwortung prallt an ihnen ab. Unter Eigenverantwortung verstehen sie zwar wie die Regierung die Gebote des gesunden Menschenverstands. Aber der darf in ihren Augen nicht der Verstand sein, der vom Staat verlangt wird. Der „mündige Bürger“, den sie meinen, ist etwas anderes als der mündige Bürger, den der Bundesgesundheitsminister meint. Mündig heißt für sie: Ich bestimme und bin mir selbst genug. Sie halten sich für liberale Freiheitsliebende, neigen aber dazu, Freiheitsapostel zu werden. Wo das endet, lässt sich im links-alternativen Sektierertum studieren, aber auch in einer rechten, elitären Szene aus Verächtern etablierter Politik. Sie treffen sich als „Querdenker“.