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#Corona und Herkunft: Das eigentliche Drama

Corona und Herkunft: Das eigentliche Drama

Cihan Çelik fiel es schon vor einem Jahr auf: Viele seiner Patienten sind Menschen mit Migrationshintergrund. Çelik arbeitet als Oberarzt auf der Isolierstation für Covid-19-Kranke im Klinikum Darmstadt. Er sagt: „Eine überproportionale Betroffenheit von Menschen mit Migrationshintergrund ist auf den ersten Blick immer wieder deutlich zu sehen gewesen.“

Kollegen von Çelik bestätigen diesen Befund. Am Klinikum Ludwigsburg beispielsweise werden nach Aussage des Chefarztes derzeit auf der Intensivstation zu 80 Prozent Patienten mit griechischem, türkischem oder jugoslawischem Migrationshintergrund behandelt. Stadtviertel, in denen viele Menschen mit Migrationshintergrund leben, haben häufig eine hohe Inzidenz.

In Köln-Chorweiler etwa lag die 7-Tage-Inzidenz in dieser Woche bei über 500. Mehr als die Hälfte der Menschen, die dort leben, haben einen Migrationshintergrund. Auch Bettina Dickes, die Landrätin des Kreises Bad Kreuznach, sagte diese Woche: Sie sehe, dass zwei Drittel der Infizierten in den Städten einen Migrationshintergrund haben. Das sei keine Stigmatisierung von Menschen, sondern eine Feststellung.

Toprak: Probleme müssen benannt werden

Das sagt auch Ali Ertan Toprak, der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland: „In Wohnvierteln mit hohen Migrantenzahlen ist auch die Inzidenz hoch. Das sind Fakten, darüber müssen wir reden.“ Es sei ein Problem, wenn man daraus eine ideologische Debatte mache. „Man hat den Eindruck, dass das Thema bei vielen Medizinern und Politikern tabuisiert worden ist, aus Sorge, dass eine Rassismusdebatte entstehen könnte oder dass Migranten zu Sündenböcken der Pandemie gemacht werden.“

Toprak sagt, das dürfe nicht sein: „Wenn es in einer Einwanderungsgesellschaft Probleme gibt, dann muss das benannt werden.“ Cancel Culture und ideologische Rücksichtnahme seien falsch. Toprak sagt sogar: „Es wäre rassistisch, Menschen sterben zu lassen, sie nicht aufzuklären, aus Sorge davor, dass man eine Rassismusdebatte anstoßen könnte.“

Laut Toprak gibt es ein ganzes Bündel von Ursachen, dass Menschen mit Mi-grationshintergrund besonders von Corona betroffen sind. Viele lebten in engen Wohn-, Lebens-, und Arbeitsverhältnissen, welche die Ausbreitung der Pandemie begünstigten. „Es ist ein Unterschied, ob jemand mit einer Großfamilie in einer Zwei- oder Dreizimmerwohnung lebt oder mit einer vierköpfigen Familie in einem Reihenhaus.“

Nicht alle können im Homeoffice arbeiten

Beispiel Berlin-Neukölln: Schon im vergangenen Jahr gab es dort sehr hohe Inzidenzen. Menschen aus Hunderten Haushalten in mehreren Wohnhäusern mussten in Quarantäne. Auch Anfang dieses Jahres war die Inzidenz wieder hoch. Bezirksbürgermeister Martin Hikel sagt: „Wir haben gesehen: Die Pandemie hat auf der Skihütte angefangen und ist in den Mietskasernen angekommen. Das ist das eigentliche Drama.“ In Neukölln leben viele Menschen auf engem Raum. Viele Menschen können auch nicht ins Homeoffice. Sie stehen beispielsweise hinter der Kasse, müssen auch weiter U-Bahn oder Bus fahren.

„Homeoffice und einen Laptop aufklappen, das geht einfacher, wenn man einen Job hat, der in der Regel besser bezahlt ist, und man sich zu Hause gemütlich an den Küchentisch setzen kann. Aber das kann der natürlich nicht machen, der auf dem Bau malochen geht, Taxi fährt oder in der Pflege arbeitet“, sagt Hikel. „Die Vorschriften, die wir uns wünschen oder auch geben, blenden Teile der Bevölkerung strukturell aus.“

Das sieht auch der Arzt Çelik so. Dass besonders Menschen mit Migrationshintergrund betroffen sind, sei nur eine ganz oberflächliche Betrachtung. „Der Fokus auf den Migrationshintergrund lenkt vom wahren Kern des sozialen Problems ab, und dann gehen auch die Gegenmaßnahmen am Ziel vorbei.“ Seine Patienten seien häufig Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status. „Und leider sind in unserer Gesellschaft Menschen mit Migrationshintergrund eher und häufiger von einem niedrigen sozioökonomischen Status betroffen.“

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