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#Das Ende der Stadt, wie wir sie kennen

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Das Ende der Stadt, wie wir sie kennen

Die Architekten der klassischen Moderne waren fasziniert von der Idee des endlosen Bandes. Der russische Konstruktivist Moisei Ginzburg plante in der jungen Sowjetunion eine Idealstadt, deren Häuser sich wie an einer Schnur auffädeln sollten, Le Corbusier entwarf zeitgleich ein scheinbar endloses Gebäude für Algier mit Wohnungen für 180 000 Menschen; das Dach, schlug der Architekt vor, könne man praktischerweise als Autobahn nutzen. Später plante er Indiens Idealstadt Chandigarh, die wie die lateinamerikanische Reißbretthauptstadt Brasília 1960 vollendet wurde.

Niklas Maak

Ein halbes Jahrhundert später hatte sich die internationale Architektenschaft darauf geeinigt, dass derartige Mega-Entwürfe und Weltumbaupläne ein Ding der Vergangenheit seien. In der Postmoderne dominiert Ideen wie die der „Stadtreparatur“, des behutsamen Weiterbauens, zuletzt der „Sorge um den Bestand“ den Diskurs, und die Klimakrise hat das Misstrauen westlicher Industrienationen gegenüber großmaßstäblichen Reißbrettvisionen noch verschärft; immer wieder war zuletzt zu lesen, dass die Bauindustrie, vor allem die energieintensive Betonherstellung, einer der maßgeblichen Treibhausgas-Emittenten sei. Es müsse viel mehr umgenutzt als neu gebaut werden, so eine Forderung; wenn man überhaupt baue, dann bitte grün; das Haus der Zukunft, wie es westliche Planer und Politiker wünschen, nähert sich optisch immer mehr dem Baum an, unten ein Holzstamm, oben eine grüne Krone; Hochhäuser verkleiden sich als „vertikale Wälder“.

Der Ölstaat will eine grüne Zukunft

Gleichzeitig hat China der „Washington Post“ zufolge allein in drei Jahren mehr Beton verbaut als die Vereinigten Staaten in hundert Jahren, nämlich unglaubliche 6,6 Milliarden Tonnen – und was der saudische Kronprinz Muhammad bin Salman jetzt ankündigte, lässt die frühen Bandstadt-Visionen der Moderne wie Nebenstraßen aussehen. Im Frühjahr beginnt das arabische Königreich mit dem Bau einer 170 Kilometer langen Mega-Stadt, die sich entlang einer Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke als „The Line“ vom Roten Meer ins Landesinnere ziehen soll. Genau genommen wird „The Line“ keine hochkomprimierte Metropole, sondern eine Auffädelung von Kleinstädten, in denen bis 2030 zusammen mehr als 380 000 Arbeitsplätze entstehen.

Weder Stadt noch Land: Die Stadtmodule der „Line“.


Weder Stadt noch Land: Die Stadtmodule der „Line“.
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Bild: Picture-Alliance

„The line“ ist Teil des Neom-Projekts, mit dem Saudi-Arabien seine Wirtschaft auf neue Beine stellen will. Schon vor drei Jahren hatte der mit 350 Millionen Tonnen größte Erdölexporteur der Welt den Bau einer Planstadt am Golf von Akaba mit dem Namen „Neom“ (ein Kunstwort aus „neo“ und dem arabischen „mustaqbal“ für „Zukunft“) angekündigt. Auf einem Gebiet von der Größe Belgiens soll ein internationaler Technologiepark entstehen, dessen Investitionsvolumen von 500 Milliarden Dollar zu großen Teilen vom saudischen Staatsfonds PIF, aber auch von ausländischen Investoren aufgebracht werden soll. In der Sonderzone sollen liberalere Regeln gelten, in Werbespots sieht man Ingenieurinnen mit offenen Haaren in Biotech-Laboren forschen. Neom sei keine Stadt, sondern ein „mindset“, heißt es auf der Website, zukünftige Bewohner sollen für „Forschergeist, Diversität und Risikobereitschaft stehen“. Riskant ist Neom auch für alle, die dem Plan im Weg stehen. Der „Guardian“ berichtete, für Neom müssten 20 000 Menschen umgesiedelt werden; einer ihrer Wortführer, Abdul Rahim al-Huwaiti, wurde bereits in einer Schießerei mit saudischen Sicherheitskräften getötet.

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