#Das Erfassen des Unsagbaren
Inhaltsverzeichnis
„Das Erfassen des Unsagbaren“
Das Bild ist der Serie „There is Nothing New Under The Sun“ von Kata Geibl entnommen. Es befasst sich mit dem Individualismus, der heutigen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Systemen zugrunde liegt und seinen Auswirkungen auf unsere Umwelt.
Bild: Kata Geibl
Das Fotografiemuseum Amsterdam hat 20 junge Fotografinnen und Fotografen ausgezeichnet. In ihren Arbeiten geben sie intime Einblicke in ihre Lebensrealitäten. Nun ist die Gruppenausstellung in Frankfurt zu sehen.
Klimawandel, Vertreibung, soziale Gerechtigkeit – die 20 künstlerischen Positionen von Foam Talent 2022 befassen sich mit den drängenden Herausforderungen unserer Gegenwart. Sie hinterfragen ideologische Strukturen und dekonstruieren die sich daraus ergebenden Folgen für das Individuum, die Gesellschaft und den Planeten. Aktuellen Diskursen begegnen die jungen Fotografinnen und Fotografen in einer großen bildsprachlichen Vielfalt und veranschaulichen so den aktuellen Stand und zukünftige Tendenzen der zeitgenössischen Fotografie.
Olgaç Bozalp – Home: Leaving One for Another
Der in der Türkei geborene und in Großbritannien lebende Fotograf Olgaç Bozalp setzt sich in seiner Serie „Home: Leaving One for Another“ mit Heimat, kultureller Identität und den Ursachen für Flucht und Migration auseinander. Er verbindet dokumentarische Motive mit inszenierten Fotografien. Im dokumentarischen Teil reflektiert der Fotograf sowohl seine eigenen Erfahrungen als Migrant als auch Beobachtungen in zahlreichen Ländern, die er im Rahmen dieses Projekts bereiste. Für die inszenierten Installationen arbeitet er mit dem in Nigeria geborenen und ebenfalls in Großbritannien lebenden Stylisten Raphael Hirsch zusammen. Verbunden durch eine geteilte Erfahrung von Entwurzelung entwickelten sie gemeinsam das Konzept von „Home“.
Transportmittel sind ein durchgängiges Thema in der Serie „Home“ von Olgaç Bozalp, sei es auf dem Wasser oder auf dem Motorrad. Sie veranschaulichen, wie die Menschen ihr Leben, ihre Familien und ihre Erinnerungen auf ihrer Reise mit sich führen.
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Bild: Olgaç Bozalp
Der Künstler begann die Arbeit an „Home“ im Jahr 2018. Zu diesem Zeitpunkt war er für ein Jahr in die Türkei zurückgekehrt. Er hatte seine Heimat 2009 verlassen.
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Bild: Olgaç Bozalp
Olgaç besuchte fast 50 Länder und dokumentierte seine Beobachtungen an Orten mit komplexer Geschichte, wobei er sich auf den Nahen Osten, Asien und Zypern konzentrierte.
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Bild: Olgaç Bozalp
Kata Geibl – There Is Nothing New Under the Sun / See Daylight
Die in Ungarn aufgewachsene Fotografin Kata Geibl kombiniert klar komponierte Fotografien mit poetischem Textmaterial. Sie befasst sich in ihrer Serie „There Is Nothing New Under the Sun / See Daylight“ mit den Herausforderungen, die ein globaler Kapitalismus hervorbringt. Ihr Projekt soll jedoch nicht belehren. Vielmehr wirft es immer neue Fragen auf und ermutigt dazu, die eigenen Gedanken in neue Richtungen zu lenken.
Als Künstlerin versucht Geibl die Welt, in der wir leben, zu reflektieren.
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Bild: Kata Geibl
„There is Nothing New Under the Sun“ versucht den Zeitgeist einzufangen, ohne Antworten vorzugeben. Gedanken sollen in die Richtung der Geschichte hinter den Bildern gelenkt werden.
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Bild: Kata Geibl
Linn Phyllis Seeger – 0N0E
Der Titel von Linn Phyllis Seegers Arbeit bezieht sich auf die Koordinaten von Null Island – der Punkt, an dem sich der Nullmeridian und Äquator kreuzen. Null Island wird als tatsächlicher Ort, aber auch als Idee verstanden. Als Raum, an dem sich Ort und Nicht-Ort oder das Reale und das Imaginierte begegnen. Die Bilder basieren allesamt auf iPhone-Aufnahmen. Sie veranschaulichen die Unschärfe zwischen Privatem und Öffentlichem und zwischen einem für ein digitales Publikum inszenierten und einem „authentischen“ Selbst.
Sämtlichen Arbeiten von Linn Phyllis Seeger liegt ein Interesse an digitalen Bildformen und Online-Praktiken zugrunde.
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Bild: Linn Phyllis Seeger
Ihre erste Monografie „You I Everyhing Else“ ist im November 2020 erschienen.
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Bild: Linn Phyllis Seeger
Die Künstlerin arbeitet derzeit an ihrer Dissertation am Royal College of Art in London.
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Bild: Linn Phyllis Seeger
Yushi Li – Paintings, Dreams and Love
In ihrer Serie „Paintings, Dreams and Love“ beschäftigt sich die in China geborene und in London lebende Künstlerin Yushi Li mit dem Akt des Betrachtens. Mit Verweis auf die griechische Mythologie sollen etablierte Sehgewohnheiten hinterfragt werden. Li inszeniert komplexe Porträts und Gruppenfotos, in denen der nackte, männlich gelesene Körper zum erotischen Objekt wird.
Geschlecht, Begehren, aber auch Intimität und Verletzlichkeit stehen im Mittelpunkt von Lis Oeuvre.
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Bild: Yushi Li
Für ihre Arbeit „Paintings, Dreams and Love“ ließ sich Li von klassischen Ölgemälden weiblicher Akte inspirieren.
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Bild: Yushi Li
Li spielt mit den Machtdynamiken, die Blickgewohnheiten innewohnen.
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Bild: Yushi Li
Lina Geoushy – Shame Less – A Protest Against Sexual Violence
Lina Geoushy untersucht in „Shame Less“ die Faktoren und Schauplätze, die mit geschlechtsspezifischer Gewalt in ihrer Heimat Ägypten in Zusammenhang stehen. Justizsystem, Medien, Religion – Geoushy versucht jene Kontexte aufzudecken, die zur Verleugnung, Normalisierung und Anwendung von Gewalt gegen weiblich gelesene Personen führen. Die photografische Praxis von Geoushy ist forschungsorientiert und bewegt sich im Bereich zwischen Sozialdokumentation und Porträtfotografie.
„Ich bin jetzt 64 Jahre alt. Als ich studierte, lebte ich in einem Wohnheim. Am Ende jeder Woche ging ich zum Haus meiner Großeltern. Eines Tages, als ich vom Haus meines Großvaters zum Wohnheim zurückkehrte, stieg ich in einen Bus voller Menschen. Einer der Männer im Bus kam auf mich zu, stellte sich ganz nah an mich heran und drückte sich an mich. Ich spürte, dass etwas Ungewöhnliches geschah. Ich schämte mich für das, was mit mir geschah.“
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Bild: Lina Geoushy
„Ich war zehn oder elf Jahre alt, als das passierte. Mein Cousin lebte bei uns und er ist 10 Jahre älter als ich. Er berührte mich gelegentlich auf unangemessene Weise, wenn meine Mutter und meine Brüder nicht da waren. Ich wachte nachts auf und fand ihn in meinem Bett neben mir, wo er mich mit seinem Penis berührte. Sobald ich aufwachte, rannte er weg. Ich war zu jung, ich konnte das nicht verarbeiten, ich war wütend und hatte Angst. Ich hatte das Gefühl, mich nicht sicher fühlen zu können, nicht einmal zu Hause. Das Schlimmste war die Reaktion oder das Ausbleiben einer Reaktion meiner Eltern. Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht einmal für meine Familie von Bedeutung bin.“
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Bild: Lina Geoushy
Marvel Harris – Inner Journey
Die Arbeit von Marvel Harris versucht das Bewusstsein für Themen rund um Geschlechtsidentität und psychische Gesundheit zu schärfen. Marvel begann die Arbeit an dem autobiographischen Projekt bereits im Jahr 2014. Zu diesem Zeitpunkt fehlten ihm Beispiele von Menschen, mit denen er sich identifizieren konnte. Menschen, die nicht den binären Normen der Gesellschaft entsprachen. „Inner Journey“ soll jenen eine Stimme geben, die mit ihrer Identität oder ihrer psychischen Gesundheit zu kämpfen haben, aber nicht die Worte finden, sich auszudrücken.
In dieser autobiographischen Geschichte, in der Fotografie und Leben miteinander verschmelzen, lädt Marvel dazu ein, an seiner Verletzlichkeit teilzuhaben und bietet einen Einblick in seine Gedankenwelt.
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Bild: Marvel Harris
Der Fotograf wurde 1995 in den Niederlanden geboren und reflektiert in seinen Arbeiten sein Aufwachsen als autistische, queere Transgender-Person.
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Bild: Marvel Harris
Sein erstes Buch MARVEL wurde 2021 mit dem MACK first book Award ausgezeichnet.
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Bild: Marvel Harris
Laura Chen – Words from Dad
Laura Chens fortlaufende Serie „Words From Dad“ befasst sich mit der Geschichte des Großvaters der Künstlerin, den sie nie hat kennenlernen können, und ihres niederländisch-chinesischen Hintergrundes. Das Anwenden analoger Fotomontagetechniken wie Collage und Weben wird metaphorisch eingesetzt, um die Erfahrungen ihres Großvaters bei der Anpassung an eine neue (westliche) Kultur sowie die multikulturelle Erziehung ihres Vaters visuell darzustellen. In gewisser Weise verwebt sie buchstäblich die verschiedenen Kulturen und Erfahrungen miteinander.
Chen nutzt Archivmaterial ihrer Familie, um die Geschichte ihres Großvaters zurückzuverfolgen.
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Bild: Laura Chen
Chens Großvater Tek Suan Chen wurde 1910 in Wenzhou, China, geboren. Während der Mao-Revolution wurde die gesamte Familie durch die Kommunisten umgebracht. Er und sein Cousin Bun Chen überlebten als einzige und flohen gemeinsam nach Europa, als er gerade 23 Jahre alt war.
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Bild: Laura Chen
Aufgrund der politischen Folgen des Zweiten Weltkrieges landete er schließlich in den Niederlanden, wo er die Großmutter der Fotografin kennenlernte und das erste chinesische Restaurant in Den Haag eröffnete.
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Bild: Laura Chen
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