#Das erstaunliche Bochumer Hoch im Westen
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„Das erstaunliche Bochumer Hoch im Westen“
Die Erinnerungen des Fußballtrainers Thomas Reis an seine erste Begegnung mit Borussia Dortmund sind immer noch sehr lebendig. Damals, 1997, verlor er als Spieler des VfL Bochum 2:5 gegen den BVB, woraufhin eine große Zeitung titelte: „Mit Reis fing das Elend an“. Er sei ja eher ein unauffälliger Profi gewesen, der selten im Mittelpunkt der Berichterstattung gestanden habe, erinnert er sich heute, die mediale Zuspitzung auf seine Fehler in dem Spiel traf ihn daher mit Wucht.
„Das war meine erste Schlagzeile als VfL-Spieler“, erzählte er vor dem an diesem Samstag (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei Sky) bevorstehenden Duell als Trainer gegen die Dortmunder, in dessen Vorlauf nun eher schwärmerische Berichte über Reis veröffentlicht werden. Denn die Bochumer zählen zu den erstaunlichsten Teams der bisherigen Bundesligasaison.
Der Aufsteiger hat sich nach 14 absolvierten Partien ein Sechs-Punkte-Polster zum Relegationsrang erarbeitet und steht nur vier Zähler hinter einem Platz, der zur Teilnahme am Europapokal berechtigt. „Alles in allem, bis heute können wir mit der Performance sehr zufrieden sein“, sagte Sportdirektor Sebastian Schindzielorz.
Dem VfL ist gelungen, worauf bei allen Bundesligaklubs gehofft wird, was aber nur Wenigen gelingt: Während beispielsweise Mitaufsteiger Fürth in der Bundesliga vollkommen überfordert ist, entwickeln sich in Bochum sowohl die Mannschaft als auch viele Einzelspieler rasant weiter. Als Schlüsselmoment in diesem Prozess beschreibt Reis die krachende 0:7-Niederlage beim FC Bayern vom fünften Spieltag, die zwar weh getan hat, zugleich aber als Lehrstück taugte.
Bilanz eines Champions-League-Anwärters
In der Folge haben die Bochumer den mutigen Stil eines Topklubs der zweiten Liga den neuen Begebenheiten angepasst. Mittlerweile arbeitet die Mannschaft nicht nur mit Hingabe für die Defensive, auch die Risikobereitschaft im Spielaufbau wurde überdacht. Kein Bundesligaverein schlägt mehr lange Bälle, ein elaboriertes Passspiel durchs Mittelfeld birgt zu viele Gefahren. Dafür verteidigen die Bochumer sehr durchdacht, sie haben gelernt, die große individuelle Qualität vieler Gegner effizient zu bekämpfen.
„Wir haben gesagt, wir müssen unseren Fußball der Liga angleichen, das war ein Prozess“, sagte Reis in einem Podcast der „WAZ“, und genau das ist gut gelungen. In den jüngsten sieben Partien sammelte der Aufsteiger 15 Punkte, das ist die Bilanz eines Champions-League-Anwärters. Zudem steht das Team im Achtelfinale des DFB-Pokals, „im Moment ist es sehr unangenehm, gegen uns zu spielen“, sagte Reis.
Erfolgreiche Bochumer: Losilla, Reis, Pantovic und Riemann (von links)
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Bild: AFP
Denn das Team spielt mit einer hohen Intensität, und es gibt ein paar besondere Einzelspieler, die immer auch wichtig sind für so eine Phase des Erfolges. Torhüter Manuel Riemann hat wiederholt mit Paraden geglänzt, und Milos Pantovic hat mit seinen beiden Treffern von der Mittellinie gegen Hoffenheim und den SC Freiburg die ganze Liga erstaunt. Der manchmal etwas hölzern wirkende Mittelstürmer Sebastian Polter hat angefangen, regelmäßig Tore zu schießen, weshalb der Kreuzbandriss des zu Saisonbeginn wichtigsten Angreifers Simon Zoller plötzlich viel weniger katastrophal erscheint als noch im Oktober.
Nicht in Ehrfurcht erstarren
Die wohl verblüffendste Entwicklung hat aber der Kapitän Anthony Losilla hinter sich. Der 35 Jahre alte Mittelfeldspieler spielt seit 2014 für den VfL, und er steht sinnbildlich für die Anpassungsfähigkeit dieser Mannschaft. Skeptiker hatten befürchtet, der Franzose, der vor der laufenden Saison nie in einer ersten Liga spielte, würde in der Bundesliga schnell überfordert sein, selbst Reis sagte: „Ich hätte nicht gedacht, dass es bei ihm so gut läuft.“ Doch Losilla wächst wie das ganze Team mit seinen Aufgaben: „Er hat sich noch einmal entwickelt und hält seine Position nun besser, wodurch er der Mannschaft noch mehr helfen kann. Das ist sensationell“, sagte Reis über seinen Kapitän.
Somit ist dieser 15. Spieltag ein nahezu perfekter Zeitpunkt für das größte Spiel der Saison, zu dem immerhin 13.799 Zuschauer zugelassen sind. Über diese Erlaubnis sind sie ziemlich froh in Bochum, denn die Sorge vor einer Phase mit Geisterspielen ohne die energiespendenden Zuschauer ist groß. Die Heimstärke ist schließlich ein Hauptgrund für die starke Saison. Keine Mannschaft hat im bisherigen Saisonverlauf zuhause so wenige Gegentreffer zugelassen wie die Bochumer, nämlich vier, das nährt die Zuversicht. „Wir haben ein Heimspiel, wir haben ein Derby, das die Zuschauer heiß herbeigesehnt haben nach elf Jahren“, sagt Reis.
Wichtig sei gegen den BVB mit seinem gefürchteten Angriff allerdings, „dass man nicht in Ehrfurcht erstarrt“. Beim 0:7 von München haben die Spieler nach und nach ihr Selbstvertrauen verloren, aber die Dortmunder werden es mit einem gereiften VfL zu tun bekommen. Mit einer Mannschaft, die zuletzt zwei Mal gewann, die gelernt hat, sich auf dem höheren Niveau zu behaupten, und in der etliche Spieler mit die besten Wochen ihrer bisherigen Laufbahnen erleben. Das gilt übrigens auch für Reis, dessen Arbeit derzeit gewiss niemand dem Begriff „Elend“ in Verbindung bringen würde.
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