#Rekord-alte Umwelt-DNA analysiert
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„Rekord-alte Umwelt-DNA analysiert
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Wo sich heute eine frostige Wüste erstreckt, florierte einst arktisches Leben: DNA-Spuren in Sedimenten haben Forschern Einblicke in die Pflanzen und Tiere eines Ökosystems ermöglicht, das in einer Warmzeit vor etwa zwei Millionen Jahren in Nordgrönland existierte. Es handelt sich um die bisher älteste gewonnene und analysierte DNA. Die Studie verdeutlicht damit, dass durch die Weiterentwicklung des Verfahrens der Analyse von Umwelt-DNA tiefere Einblicke in vergangene Lebenswelten möglich sind als bisher gedacht.
Um Informationen über Tiere und Pflanzen der Vergangenheit zu bekommen, waren Forscher lange auf die Untersuchung von Fossilienfunden angewiesen: Knochenreste oder Überbleibsel von Pflanzenstrukturen gaben Hinweise. Doch mittlerweile hat eine neue Technik in die Forschung Einzug gehalten, die auf eine alternative Weise Einblicke liefern kann: die Untersuchung von fossiler DNA. Das Verfahren beruht darauf, dass sich genetisches Material unter bestimmten Umständen lange erhalten kann. Aus Knochenfunden gewonnenes Erbgut hat dabei bereits wichtige Einblicke in die Entwicklungsgeschichte des Menschen und anderer Lebewesen ermöglicht. Den bisherigen Altersrekord für fossile DNA bildete dabei das rund eine Million Jahre alte Erbgut, das Forscher einem sibirischen Mammutknochen entlockt haben.
Es hatte sich zudem bereits gezeigt, dass DNA nicht nur in Körpergeweben erhalten geblieben sein kann: Auch sogenannte Umwelt-DNA kann in Sedimenten längere Zeit überdauern. Es handelt sich dabei um genetisches Material, das Lebewesen über Ausscheidungen, Hautschuppen oder andere Substanzen mit genetischem Inhalt an ihre Umgebung abgeben. Fragmente dieser Umwelt-DNA können durch moderne Laborverfahren aus Sedimenten gewonnen und anschließend sequenziert werden. Vergleiche mit bekannten genetischen Informationen von Tieren und Pflanzen in Datenbanken ermöglichen dann eine Zuordnung. Auf diese Weise lässt sich beleuchten, welche Arten an bestimmten Orten in der Vergangenheit und zu verschiedenen Klimaphasen existiert haben.
Einer vergangenen Lebenswelt auf der Spur
Dieses Verfahren hat ein internationales Forscherteam nun im Fall eines Ökosystems angewendet, das einst in einer Region im äußersten Norden Grönlands existierte, die heute von einer polaren Wüste geprägt ist. Den Anstoß zu der Studie bildeten paläoklimatologische Untersuchungsergebnisse, aus denen hervorgegangenen war, dass im Bereich der Kap-København-Formation einst vergleichsweise freundliches Klima geherrscht hat: Warmphasen vor etwa zwei bis drei Millionen Jahren haben dort zu Temperaturen geführt, die 11 bis 19 Grad Celsius höher lagen als heute. Inwieweit dies dort Pflanzen und Tieren das Leben ermöglicht hat, konnten Fossilienfunde in dem Bereich bisher nicht genau klären. Im Rahmen ihrer Studie haben die Forscher deshalb ausgelotet, ob sich aus rund zwei Millionen Jahre alten Ablagerungen in dem Bereich noch verwertbare Umwelt-DNA gewinnen lässt.
Wie die Forscher berichten, gelang es ihnen tatsächlich, den Sedimentproben von unterschiedlichen Stellen Stücke von Umwelt-DNA zu entlocken. Sie haben offenbar an Ton und Quarz gebunden und durch die tiefen Temperaturen geschützt die Zeit überdauert. Das Team konnte die erhaltenen Sequenzen dann mit Informationen aus DNA-Bibliotheken vergleichen, die genetische Informationen von heutigen Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen umfassen. „Erst die Entwicklung einer neuen Generation von Geräten zur DNA-Extraktion und -Sequenzierung hat es uns ermöglicht, DNA-Fragmente aus den Sedimentproben zu gewinnen. Damit waren wir schließlich in der Lage, ein zwei Millionen Jahre altes Ökosystem zu beschreiben“, sagt Erst-Autor Kurt Kjær von der Universität Kopenhagen.
Sogar Rüsseltiere zogen durch die üppige Landschaft
Demnach existierte dort damals ein boreales Waldökosystem mit einer gemischten Vegetation aus Pappeln, Birken und Thuja sowie aus verschiedenen Sträuchern und Kräutern. Die DNA-Spuren belegten zudem, dass dort Hasen, Rentiere, Nagetiere und Gänse lebten. Die Forscher konnten auch nachweisen, dass damals urzeitliche Rüsseltiere durch diese Landschaft stapften. Bisher war man davon ausgegangen, dass sich das Verbreitungsgebiet dieser Mastodonten nicht so extrem weit in den Norden erstreckte. Sogar die Spuren von Meereslebewesen konnten die Forscher in bestimmten Sedimentproben der Küstenregion aufspüren. Offenbar war das Wasser in dem Bereich damals so warm, dass dort unter anderem atlantische Pfeilschwanzkrebse existieren konnten. „Durch die damals wesentlich höheren Temperaturen als heute konnte am Kap København ein Ökosystem existieren, für das es kein heutiges Äquivalent mehr gibt“, sagt Co-Erstautor Mikkel Pedersen von der Universität Kopenhagen.
Neben den genetischen Spuren von Pflanzen und Tieren stießen die Forscher in den DNA-Proben auch auf die Sequenzen vieler Mikroorganismen, darunter Bakterien und Pilze. Wie das Zusammenspiel von Tieren, Pflanzen und Einzellern die Lebenswelt im hohen Norden Grönlands einst geprägt hat, wollen die Forscher nun durch weitere Untersuchungen noch genauer beleuchten. Wie sie betonen, zeigen die bisherigen Ergebnisse vor allem das grundlegende Potenzial der Analyse von Umwelt-DNA auf. „Wir haben gezeigt, dass wir unter den richtigen Umständen weiter in die Vergangenheit zurückblicken können, als man es sich je hätte vorstellen können“, sagt Seniorautor Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen. „Nachdem wir erfolgreich fossile DNA aus Ton und Quarz extrahiert haben, könnte es möglich sein, dass ähnliches Material auch in warmen, feuchten Umgebungen etwa an Fundorten in Afrika genetische Spuren konserviert hat. Wenn dies der Fall ist, können wir vielleicht bahnbrechende Informationen über den Ursprung vieler verschiedener Arten sammeln – vielleicht sogar neue Erkenntnisse über die ersten Menschen und ihre Vorfahren“, so der Wissenschaftler.
Quelle: St John’s College, University of Cambridge, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-022-05453-y
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