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#Das Leben im Fragment

„Das Leben im Fragment“

Der Verlust eines Drittels der Bevölkerung, eine Arbeitslosenquote von zwanzig Prozent und eine Jugend, die diesem Ort des Strukturwandels den Rücken zukehrt. Es sind die Charakteristiken einer Stadt, die Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung unter dem schlechtmöglichsten Ruf litt – Bitterfeld. Der Künstler Sven Johne setzt sich für die erste Ausgabe des Kunstfestivals „Osten. Neue Bitterfelder Wege“ im großen Saal des Kulturpalastes, der direkt neben dem berühmten Chemiepark liegt, mit den Narben der Transformation auseinander.

Ein Fotoarchiv hat er dafür zusammengestellt, dass die Licht- und Schattenseiten der Wende beleuchtet und die Menschen der Industriehochburgen bei ihrer Arbeit, in ihrem Alltag und ihrer Freizeit darstellt. Untermalt werden die Bilder, die auf den Eisernen Vorhang des Palastes projiziert werden, von einer Kinderstimme, die von Besuchen bei den Großeltern erzählt. „Ich bin gerne dort. Es ist ein übersichtlicher Ort. Es gibt einige wenige Industrieanlagen und Häuser. Auffällig ist nur, wie leer es hier ist“. Dazu entfaltet sich ein Mosaik des Bitterfelder und Wolfener Nachwendelebens: die ersten Supermärkte, Festivitäten von Trachtenvereinigungen, die Schließung von Fabriken, Proteste, Kegelclubs, aber auch die Wohnzimmer von Arbeitern.

Authentische Stimmen der Arbeitsgesellschaft

Die Bildwelten machen deutlich, worum es bei dem Kunstfestivals, das bis zum 17. Juli den Kulturpalast bespielt, geht: den Osten künstlerisch zu greifen, ein Lebensgefühl zu vermitteln und mithilfe der Kunst Ansätze zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen zu finden. Industriekultur und Gegenwartskunst sollen zusammenfinden, was auch in der Soundinstallation „Schichten/ Shifts“ der Tonkünstler Franziska Klose und Lorenz Hoffmann deutlich wird. Dafür haben sie Menschen zu ihren Arbeitsplätzen befragt und die Aufnahmen an den Industrieanlagen, Fabriken und Logistikzentren verteilt. Es sind authentische Stimmen der Arbeitsgesellschaft, in einer Stadt, in der lange um jeden Arbeitsplatz gebangt wurde.

Industrielle Klänge: Der Tonkünstler Robert Lippok am Eröffnungsabend.


Industrielle Klänge: Der Tonkünstler Robert Lippok am Eröffnungsabend.
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Bild: Falk Wenzel

Wer die bloße Sozialstatistik betrachtet, ist erstaunt über die Zahlen, die den Verlust von gesellschaftlicher und sozialer Identität illustrieren. Doch das kulturelle Leben in der Chemieregion von Bitterfeld, Wolfen und Leuna blüht wieder auf. Neue Stadtentwicklungs- und Architekturprojekte sind allerorts geplant und auch eines der wichtigen baukünstlerischen Wahrzeichen der Stadt soll wieder neu belebt werden; der Kulturpalast aus den frühen Fünfzigerjahren, in dem mit den Bitterfelder Weg die Kulturpolitik der frühen DDR skizziert wurde.

Damals war das Credo der Staatsführung von Walter Ulbricht, dass „Arbeiter zu den Pinseln und Stiften“ greifen sollten. Literatur und Kunst sollten sich mit der Realität in den Betrieben auseinandersetzen. Auch deswegen bildete sich in Bitterfeld eine Zirkelkultur, die auch die zeitgenössischen Künstler beeinflusst. Viele ihrer Interventionen sind auf die Auseinandersetzung mit dem Festivalpublikum ausgelegt.

Sozialistischer Klassizismus, verbunden mit den Elementen lokaler Bautraditionen: Der Kulturpalast hatte das Theater in Dessau zum Vorbild.


Sozialistischer Klassizismus, verbunden mit den Elementen lokaler Bautraditionen: Der Kulturpalast hatte das Theater in Dessau zum Vorbild.
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Bild: Kulturpalast

Henrike Naumann, die für ihre Rauminstallationen aus historischen Möbeln bekannt ist, mit denen sie die gesellschaftlichen Problemstellungen des Ostens reflektiert, bietet Malzirkel an, in denen sie ihre Kunstpraxis an Laien vermittelt. Die These der Festivalkuratoren ist, dass in der Industriestadt der Transformationsprozess Ostdeutschlands abgelesen werden kann. Deswegen gibt es auch architekturtheoretische Rundgänge, wie in das Plattenbaugebiet Wolfen-Nord, welches einst die Industriearbeiter der weltweit bekannten Filmindustrie beherbergte. In Wolfen wurde der erste Farbfilm Deutschlands hergestellt und das Neubauviertel entwickelte sich in den Achtzigerjahren zu einem der beliebtesten Quartieren in der damals wachsenden Stadt.

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