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#Das Summen des Gravitationswellen-Hintergrunds

Das Weltall ist erfüllt von unsichtbaren, unhörbaren Schwingungen – einem Hintergrund aus sehr langwelligen Gravitationswellen. Die Existenz solcher bis zu zehn Lichtjahre langen Wellen der Raumzeit wurde schon länger vermutet, jetzt haben Astronomen sie erstmals nachgewiesen. Dies gelang mithilfe von Millisekunden-Pulsaren, sich schnell und extrem regelmäßig um ihre Achse drehenden Sternenresten. Forschungsteams folgten dafür mit mehreren großen Radioteleskopen dem „Ticken“ dieser Pulsare und suchten dabei nach subtilen Veränderungen der Taktrate. Diese entstehen, wenn die Radiowellen der Pulsare auf ihrem Weg zu uns von den langwelligen Gravitationswellen beeinflusst werden. Nach 15 Jahren der Beobachtung konnten die Astronomen den Effekt in ihren Daten sehen. Damit ist bestätigt, dass es dieses Hintergrundsummen langer Gravitationswellen gibt.

Schon im Jahr 1916 sagte Albert Einstein voraus, dass die Bewegung massereicher Objekte im Kosmos die Raumzeit zum Schwingen bringen kann. Doch erst knapp 100 Jahre später, im Jahr 2015, gelang es Astronomen mithilfe der Gravitationswellendetektoren LIGO in den USA, diese Gravitationswellen auch nachzuweisen. Sie detektierten die kurzzeitigen, hochfrequenten Raumzeitschwingungen, die beim Verschmelzen zweier stellarer Schwarzer Löcher freiwerden – ins Akustische übertragen, ähneln diese Signale einem kurzen Pfeiflaut oder Tschilpen. Doch schon länger vermuten Physiker, dass es noch weitere, länger anhaltende und sehr langwellige Gravitationswellen im Kosmos geben muss. Der Theorie zufolge müssten solche extrem niederfrequenten Raumzeitschwingungen beispielsweise entstehen, wenn supermassereiche Schwarze Löcher von kollidierenden Galaxien miteinander interagieren, andere Wellen könnten noch aus der Anfangszeit des Kosmos stammen.

Pulsare als Gravitationswellen-Detektoren

Ähnlich wie die kosmische Hintergrundstrahlung das gesamte Weltall mit einem schwachen, aber überall nachweisbaren Rauschen erfüllt, müsste dieser Gravitationswellen-Hintergrund ebenfalls den gesamten Kosmos durchziehen, so die Theorie. Das Problem besteht jedoch darin, diese sehr langwelligen Gravitationswellen nachzuweisen. Weil jede einzelne Schwingung mehrere Lichtjahre lang sein kann und sich die Raumzeit dementsprechend langsam und graduell verändert, ist sie mit irdischen Messinstrumenten nicht nachweisbar. „Um solche gigantischen Gravitationswellen zu detektieren, benötigt man einen Detektor ähnlicher Größe und viel Geduld“, erklärt Maura McLaughlin von der West Virginia University. Deshalb haben sich Astronomen in der Kollaboration „North American Nanohertz Observatory for Gravitational Waves“ (NANOGrav) zusammengeschlossen, um mithilfe kosmischer „Helfer“ nach diesen Riesenschwingungen zu suchen.

Pulsar
Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, die regelmäßige Radiopulse aussenden. © NASA/ Goddard Space Flight Center

Dafür peilten die Astronomen mithilfe mehrerer großer Radioobservatorien, darunter dem Arecibo-Radioteleskop in Puerto Rico, dem Green Bank Telescope in West Virginia und dem Very Large Array in New Mexico 67 Millisekunden-Pulsare in unserer Galaxie an. Pulsare sind Neutronensterne, die sich extrem schnell um die eigene Achse drehen und dabei wie eine Art kosmischer Leuchtturm einen gebündelten Strahl von Radiowellen aussenden. Von der Erde aus geben diese Pulsare dadurch schnelle, aber sehr regelmäßige Radiopulse von sich. An diesem Punkt kommen die langwelligen Gravitationswellen ins Spiel: Wenn sie die Raumzeit zwischen uns und den Pulsaren dehnen und stauchen, dann verändert dies auch die Laufzeit der Radiopulse von den Pulsaren. Theoretisch müsste sich dies in winzigen Unregelmäßigkeiten ihres eigentlich regelmäßigen „Tickens“ zeigen. Im Laufe mehrerer Jahre müsste die Art dieser Verschiebungen die Form der Raumzeitschwingungen nachzeichnen. „Pulsare sind allerdings relativ schwache Radioquellen, daher benötigten wir tausende Stunden Beobachtungszeit pro Jahr an einigen der größten Teleskope der Welt, um dieses Experiment durchzuführen“, sagt McLaughlin.

Die Musik des Gravitationswellen-Universums

Im Jahr 2020, nach gut zwölf Jahren der Pulsarbeobachtungen, begannen die Wissenschaftler der NANOGrav-Kollaboration, erste Anzeichen für die gesuchten subtile Verschiebungen zu sehen. Aber erst in diesem Jahr, nach 15 Jahren des Datensammelns, erhärtete sich dieser erste Verdacht: „Unsere frühen Daten haben schon verraten, dass da etwas zu hören sein könnte“, sagt NANOGrav-Co-Direktor Xavier Siemens von der Oregon State University. „Aber jetzt wissen wir, dass es tatsächlich die Musik des Gravitationswellen-Universums ist.“ Im Gegensatz zum kurzen „Tschilpen“ der hochfrequenten, kurzen Gravitationswellen aus der Kollision stellarer Schwarzer Löcher oder Neutronensterne vergleicht das Forschungsteam den schwachen, aber extrem langwelligen Gravitationswellen-Hintergrund mit einem tiefen Summen. „Dies ist der erste Nachweis des Gravitationswellen-Hintergrunds, wir haben damit ein ganz neues Beobachtungsfenster ins Universum geöffnet“, sagt NANOGrav-Forscherin Chiara Mingarelli vom Flatiron Institute in New York City.

Die Astronomen gehen davon aus, dass ein Großteil der von ihnen detektierten Raumzeitschwingungen auf die Interaktion sich umkreisender supermassereicher Schwarzer Löcher zurückgeht. Weil diese mehrere Millionen bis Milliarden Sonnenmassen schwer sein können, können sie enorme Energiemengen als langwellige Gravitationswellen freisetzen. Deren Frequenz hängt unter anderem von der Masse der Schwarzen Löcher und von ihrer Bewegung ab. „Es ist wie ein Chor, in den alle diese Schwarzen Löcher auf verschiedenen Frequenzen einstimmen“, sagt Mingarelli. „Allerdings ist der Gravitationswellen-Hintergrund etwa doppelt so laut, wie ich erwartet hätte. Er bewegt sich am oberen Rand dessen, was Modelle für Schwingungen nur von solchen Schwarzen Löchern vorhersagen.“ Deshalb vermuten die Astrophysiker, dass möglicherweise noch andere Prozesse zu diesem summenden Chor der Raumzeitschwingungen beitragen.

Ziel der NANOGrav-Kollaboration ist es deshalb, als Nächstes mehr über die einzelnen Quellen des Gravitationswellen-Hintergrunds herauszufinden. Denn bisher konnte das Team nur das gemeinsame „Summen“ aller potenziellen Quellen detektieren. Die Forschenden planen nun, ihre Daten daraufhin auszuwerten, welche Frequenzen in diesem Summen vertreten sind, und nach Hinweisen darauf zu suchen, woher die einzelnen Schwingungen kommen. „Wir stehen hier erst am Anfang“, sagt Mingarelli. Dabei wird hilfreich sein, dass die Teams der NANOGrav-Kollaboration nicht die einzigen sind, die mithilfe von Radioteleskopen und Pulsaren nach dem Gravitationswellen-Hintergrund gesucht und Indizien für ihn gefunden haben. Auch Teams in Europa, Indien, China und Australien berichten zeitgleich über ganz ähnliche Beobachtungen. Im Rahmen des „International Pulsar Timing Array Consortium“ werden die Gruppen ihre Daten kombinieren, um so die Auflösung zu erhöhen. „Unsere kombinierten Daten werden noch weit aussagekräftiger sein“, sagt der Leiter der NANOGrav-Kollaboration Stephen Taylor von der Vanderbilt University. „Wir sind gespannt, welche Geheimnisse sie uns über unser Universum verraten werden.“

Quelle: NANOGrav Collaboration, The Astrophysical Journal Letters, doi: 10.3847/2041-8213/acdac6

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