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#„Davon erholt sich Putin nie wieder“



Exklusiv

Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen erklärt, warum der Putschversuch der Wagner-Söldnertruppe Russland in eine immer ausweglosere Situation führt.

Hat Russlands Präsident Wladimir Putin am Wochenende bei dem drohenden Putschversuch in den Abgrund geblickt? Wie weit ist seine Macht erschüttert?

Norbert Röttgen: Die Macht und die Autorität von Wladimir Putin ist erschüttert. Putin hat sich als angreifbar gezeigt und er hat nervös reagiert. Der Söldnerchef Jewgeni Prigoschin ist Putins Geschöpf, der offene Machtkampf ist ein Beleg des Scheiterns für den russischen Präsidenten. Putin hatte nicht die Autorität, um einen Verräter – als den er Prigoschin bezeichnet hat – zu bestrafen. Stattdessen benötigte Putin als Vermittler den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Für Russland wäre allein dies vor kurzem völlig abwegig gewesen. Von diesem Schlag für seine Autorität wird sich Putin nie wieder richtig erholen. 

War der schnelle Kompromiss mit Asyl und Immunität für Prigoschin Ausdruck, dass Putin keinen Bürgerkrieg riskieren wollte, oder war er sich nicht sicher, ob er sich überhaupt noch auf sein Militär voll verlassen konnte?

Röttgen: Ich glaube, der Kompromiss kommt aus einer Art Selbsteinsicht auf beiden Seiten, dem Konflikt besser aus dem Weg zu gehen. Prigoschin dürfte erkannt haben, dass er sich selbst militärisch und politisch überschätzt hat. Putin hat eingesehen, dass ihm die Eskalation gefährlich werden kann. 

Im Westen vermuteten viele, dass Putin den Wagner-Chef im Streit mit der Militärführung lange gewähren ließ, um Unmut in der Bevölkerung zu kanalisieren. Hat man da zu viel berechnende Taktik statt tatsächlichem Chaos unterstellt?

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Röttgen: Das muss man im Nachhinein so sehen. Seit einiger Zeit sah man aber immer deutlicher, dass die öffentlich ausgetragenen Konflikte nicht im Interesse Putins sein konnten. Das zeigt, dass es einen echten Machtkampf zwischen Prigoschin auf der einen Seite und Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow auf der anderen Seite gab. Der Kreml entschied sich dabei klar gegen die Wagner-Truppe. Prigoschin musste erst für die russische Armee zigtausende seiner Kämpfer opfern und hörte dann, dass er entmachtet werden soll, indem seine Söldner-Truppe in die Armee eingegliedert werden sollte. Gegen die Entmachtung stellte er sich mit dem Putschversuch. Der Machtkampf war also sehr real. 

Wie groß ist denn der militärische Verlust für den Kreml, wenn Putin nun die Wagner-Truppe nicht mehr zur Verfügung steht?

Röttgen: Eigentlich bräuchte der angeschlagene Putin jetzt unbedingt Erfolge, aber die Wagner-Truppe wird ihm nicht mehr zur Verfügung stehen, um die schmutzige Arbeit zu erledigen. Putin steht damit auch militärisch deutlich schwächer da als vorher. 

Heißt das, die ukrainische Armee ist bei ihrer Großoffensive nun in einer besseren Ausgangslage?

Röttgen: Ich würde vor zu viel Optimismus warnen, dass die Geschehnisse um den Putschversuch großen Einfluss auf den Krieg in der Ukraine haben werden. Die militärische Lage hat sich dadurch nicht unmittelbar geändert. Es könnte aber sein, dass durch die Vorgänge die Motivation der russischen Soldaten noch niedriger sinken wird. Denn mit Prigoschin hat nun ein wichtiger Militärführer das ganze Unternehmen Krieg für Russland völlig diskreditiert. Die russischen Soldaten werden sich fragen, wofür ihre Leute in so großer Zahl verwundet wurden und gestorben sind. 

Es ist eine gängige These, dass Putin den Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hat, um seine Macht gegen die aufstrebenden Demokratiebewegungen in seiner Nachbarschaft zu sichern. Nun gerät seine Macht mehr denn je in Gefahr. Hat er sich nicht nur militärisch, sondern auch innenpolitisch völlig verkalkuliert?

Röttgen: Für Putin ist dieser Krieg ein Desaster, er hat in allem das Gegenteil seiner Ziele erreicht. Die Ukraine ist als Nation und Staat gefestigter als je zuvor in ihrer Geschichte. Die Nato und der Westen sind seit dem Fall des Eisernen Vorhangs geeinter denn je. Dagegen wurden die Schwächen Russlands offengelegt. Und in Putins hermetisch abgeriegeltem Machtsystem treten die inneren Risse offen zutage. Für Putin ist der gescheiterte Eroberungskrieg längst zum Kampf um seinen Machterhalt geworden. Es ist zu befürchten, dass Putin neben der Gewalt im Krieg jetzt auch im Innern alle Mittel der Unterdrückung und Brutalität einsetzen wird. Die Situation wird für Putin immer auswegloser, er wird schwächer und schwächer in der Innen- und Außenpolitik. Und je schwächer er wird, desto weniger gibt es bittererweise für Putin ein Zurück aus dem Krieg. 

Wie sehr kann sich Putin nach dem Putschversuch sicher sein, dass sein Militär diesen Weg bedingungslos mitgeht?

Röttgen: Das kann man von außen schwer einschätzen. Aber militärisch ist Russlands Krieg mit seinem Ziel, die Ukraine zu erobern, gescheitert. Die russische Geschichte zeigt nicht nur 1917 im Ersten Weltkrieg, sondern auch 1905 im russisch-japanischen Krieg, dass militärisches Scheitern zu revolutionären Veränderungen in Russland führen kann. 

Der Westen hat die Ereignisse in einer Art Schockstarre verfolgt. Hin- und hergerissen mit dem Blick auf ein mögliches Ende Putins und der Sorge vor einer völlig unberechenbaren, instabilen Atommacht. Wie groß ist dieses Dilemma?

Röttgen: Bei politischen Umwälzungen kann es immer zu Instabilität kommen und Unberechenbarkeit ist ohne Frage ein Gefahrenmoment. Allerdings muss man hier dagegenhalten, dass wir Russland bereits von seiner schlimmsten Seite erleben: mit einem brutalen Krieg, der jeden Tag Tote und unendliches Leid hervorbringt. 

Was bedeutet das für den Westen? Muss er nun noch geschlossener die Ukraine unterstützen?

Röttgen: Der Westen handelt geschlossen. Die Reaktion der Bundesregierung, der EU und anderer Staaten, die Situation genau zu beobachten, aber im Übrigen zu schweigen, war genau richtig. 

Eine etwas zynische Frage: Was ist das Asyl für Prigoschin wert, nachdem der Putin-Apparat schon deutlich weniger gefährliche Gegner grausam aus dem Weg geräumt hat?

Röttgen: Das gehört zu den offenen Fragen, die von außen niemand beantworten kann. Wir wissen nicht, wie die Einigung zwischen Putin und Prigoschin – vermittelt durch Lukaschenko – aussieht und kennen die Details nicht. Aber: Es kann durchaus sein, dass Herr Prigoschin in Belarus sehr gefährlich lebt. 

Zur Person: Norbert Röttgen, 57, war bis 2020 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, von 2009 bis 2012 Bundesumweltminister und kandidierte zweimal für den CDU-Vorsitz. 

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