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#Wer darf weiterleben?

Wer darf weiterleben?

Ende, aus – die Sackgasse, in der sich die Ungeimpften durch die Pandemie bewegen, endet genau hier: auf der Intensivstation. Nicht, weil jeder Ungeimpfte zwangsläufig dort landet, sondern weil all die, derentwegen die Intensivstationen im Land jetzt „volllaufen“, die Mehrheit im Land gegen sich aufbringen. Das System kollabiert auf Station, das war klar. Kliniker im Südosten des Landes klingen heute wie Ärzte in Rumänien oder Bulgarien vor ein paar Wochen. Deutschland, das sich wegen der etwa siebenmal so hohen Intensivkapazitäten wie Schweden und wegen der „Elastizität des Systems“ lange einigermaßen sicher fühlte, hisst regional die weiße Fahne.

Joachim Müller-Jung

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

Die Überlastung ist unausweichlich, nein, sie ist schon da. Patienten werden verlegt, weil Behandlungsbetten fehlen, Operationen werden verschoben, Schwerkranke vertröstet. Das sind Kollateralschäden der Pandemie. Inzwischen ist die Rede von „latenten“ Triagefällen, in denen Krebs- und Infarktpatienten, Menschen mit einer lebensbedrohlichen Gefäßerweiterung oder stundenlang zwischen Kliniken Hin-und-her-Kutschierte dem Tode näher kommen, als es nötig wäre.

Achtzig bis neunzig Prozent der beatmungspflichtigen Covid-19-Patienten sind Ungeimpfte. Und die Neuinfektionen von heute sind in drei Wochen die schweren Beatmungsfälle. All das ist nicht neu, nur lässt sich die grausame Realität jetzt nicht mehr ausblenden. Drei Wochen: In diesem Zeitraum kommen bei den aktuellen Fallzahlen mehr Covid-19-Patienten zusammen, die als Notfälle beatmet und intensiv behandelt werden müssen, als im ganzen Jahr Verkehrsopfer auf Intensivstationen eingeliefert werden. Nur dass Covid-Patienten nicht im Schnitt nach vier Tagen entlassen werden, sondern viele von ihnen wochenlang beatmet und behandelt werden. Damit ist klar: Die Adventszeit wird für Ärzte, Pfleger und Angehörige zur Tortur, die Ressourcen sind am Ende, das System stürzt noch tiefer in das tiefe ethische Tal, das mit dem medizinischen Begriff Triage viel zu undeutlich bezeichnet wird.

Die „weiche“ Triage ist schon Realität

Entscheiden zu müssen, wer am Ende den Intensivplatz erhält oder an die Beatmungsmaschine kann, weil die Ressourcen selbst im deutschen Überflusssystem begrenzt sind, das ist für das ohnehin überlastete Klinikpersonal die nächste schwere Bürde. Die „latente“ Triage ist in Sachsen und Bayern schon Realität, man kümmert sich um Krebs-, Gefäß- oder Herzkranken noch so gut es geht, sucht medizinische Auswege, weshalb Kliniker fast schon euphemistisch von einer „weichen“ Triage sprechen.

Aber das sogenannte weiche Triagieren ist nur die Vorstufe dessen, was in vielen Kliniken inzwischen vorbereitet und vom sächsischen Landesärztekammerpräsident Erik Bodendieck schon konkret angekündigt wurde: Das Ringen um die Beatmungsgeräte für die akuten Covid-19-Fälle, das Konkurrieren also um knappe Ressourcen. In der gegenwärtigen Krise ist das keine Routine, wie sie die Notfallmediziner und das speziell dafür geschulte Pflegepersonal kennen.

Die Entscheidung, wer vordringlich behandelt wird, wird in solchen Fällen nach eingeübten medizinischen Kriterien gefällt. Leitend ist die Behandlungsdringlichkeit, die sich an den lebensbedrohlichen Erkrankungen, aber eben auch an den Überlebensaussichten der jeweiligen Notfallpatienten bemisst. Oft muss innerhalb von Minuten entschieden und priorisiert werden. Die Mediziner sprechen vom Algorithmus, einem Entscheidungsbaum, der die überlebensrelevanten Triage-Instrumente mit ihren Vitalparametern und den Einschätzungen des Pflegepersonals enthält. Eine gewaltige Verantwortung, die in Notfällen nicht auf die Gesellschaft als Ganzes, sondern allenfalls wie von Klinikern in Salzburg mittlerweile bestimmt, auf einen kleinen Kreis von Medizinern und Juristen übertragen werden kann.

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