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#Der allerschönste Unfall der Welt

Der allerschönste Unfall der Welt

Das Lied beginnt mit einer schüchternen Kennenlernszene:

Wir standen voreinander wie Kinder im Wald
Die Nacht war ohne Mond und der Winter war kalt

Märchenhaft klingt das, der Zuhörer sieht, von einem erratischen Bass begleitet, zwei einsame Waisenkinder in unwirtlicher Gegend vor sich, eigentlich ein recht unwahrscheinliches Setting für das Erwachen der großen Liebe. Andererseits: Wenn sich zwei in solcher Situation zueinander hingezogen fühlen, muss es etwas Ernstes sein. Die Liebeserklärung findet dann aus heiterem Himmel statt, überraschend mechanisch, fast fühlt man sich an kleine Blechfiguren erinnert, die nach dem Münzeinwurf oder dem Aufgezogenwerden eines ihrer Körperteile in Bewegung versetzen.

Ich habe dich mit zuen Augen angeguckt
Und dir mein schlafendes Herz in deine Hand gespuckt

Während die erste Zeile die kindliche Intuition beschwört („zue Augen“), verknappt die zweite einen Akt größter Vertrautheit und Wechselseitigkeit. Denn das Herz kann ja überhaupt nur dann in die Hand des Gegenübers „gespuckt“ werden, wenn dieses seine Hand schon geöffnet bereithält. Nach einem derart intimen Vorgang ist eine anschließende Distanzierung kaum mehr möglich. Hier haben sich zwei gefunden, die nicht mehr zurück können. Glücklicherweise verstehen sie sich blind; zu tropfenden Tönen (aus der Gitarre?), die an frühe Computerspiele erinnern, heißt es weiter:

Du hast es aufgehoben, aufgesogen
Deinen Käfig aufgebogen, mich aus meinem rausgezogen

Neue Räume öffnen sich; die beiden immer noch schweigenden Kreaturen verlassen ihre metaphorischen Gefängnisse. Der Sänger, der den drastischen Text bis jetzt fast somnambul heruntergesungen hatte, wird plötzlich munter, erwacht zum Leben, klingt fast ein bisschen närrisch, wenn er auf „aufgesogen“ und „rausgezogen“ „Unsere Tarnungen sind aufgeflogen“ reimt und anzüglich-pubertär die Zeile „Wir waren verkleidet, doch dann haben wir uns ausgezogen“ betont.

In die zuvor suchende, vom Bass und schillernder Percussion dominierte Musik sind jetzt auch die Drums eingestiegen, die Band ist komplett, die Tentakel von Delphi wechseln in einen stark hängenden Offbeat. Klang der Sänger eben noch kindlich, wird er jetzt selbstbewusst. Käptn Peng haut die erste virtuose, in einem lässigen „Yeah“ ausgroovende Doppelzeile raus:

Wir blieben jahrelang nackt
Wie Geschenke, nur in uns’ren Armen verpackt, yeah

Ein großartiges Bild! Auf die Idee mit den durch Arme verschnürten Geschenken muss man erst einmal kommen. Das Ganze ist ungewöhnlich körperlich gedacht – wie man sich den gesamten Text fast zwangsläufig sehr lebendig und in 3-D vor Augen führen muss. Doch jetzt ist erst einmal Freestyle mit allen möglichen Innen-, Außen- und Wiederholungsreimen („lassen/lassen“) angesagt, artistisch-vokalgleich und ausgelassen:

Dieser Augenblick, wenn ich in deine Augen blick‘
Ich bin ein Taugenichts, doch zeig dir einen Zaubertrick
Ich habe unsere Anziehsachen verschwinden lassen
Wir sind ab jetzt versteckt, bis wir uns wieder finden lassen

Doch jedes Versteckspiel hat einmal ein Ende. Eine gefällige Spieluhr-Melodie, die irgendwie an Vorabendserien denken lässt, hatte sich zum Schluss in den Offbeat eingeschlichen. Der Blick wird geweitet, ein Gefühl von „Wir“ beginnt sich durch den Vergleich mit „den anderen“ zu formieren.

Wir übersteigen jede Erwartung
Wir küssen, die ander’n machen Mund-zu-Mund-Verarschung

Zugleich lässt die vollmundige Doppelzeile aufhorchen: Sind sich die beiden nicht mehr genug, da sie sich solch distinktiven Gedanken hingeben? Doch bevor sich dieser Verdacht erhärten kann, schwelgt das Ich schon wieder in starken poetischen Bildern, wobei die tanzende Bewegung, die dabei beschrieben wird, schon auf den fatalen „Tango im Treibsand“ verweist:

Wir haben das Möbiliar [sic!] in Scherben getanzt
Und dabei Mosaike in die Erde gestampft

Tränen aus Blut, Gelächter und Ziegeln [oder heißt es „Zielen“?]Die in ihrem Muster die Geschichte uns’rer Liebe spiegeln

Das ist schon eine ungewöhnliche Form des Hip-hop, die sich dem Zuhörer hier präsentiert: instrumental bewusst „hausgemacht“ klingend (einige Instrumente sind aus dem Baumarkt), eigensinnig, verspielt, metaphernreich (diese Form von Rap hatte LL Cool J ja schon Mitte der Neunziger verspottet). In einer Anmoderation sprach Robert Gwisdek alias Käptn Peng einmal von „Rätselsprechgesang“, was aber eher auf die meisten anderen, oft sehr verkopften Songs der Band zutrifft. Dieses hier ist ungewöhnlich erzählerisch und expressiv.

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