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#Der Diktator flaniert durch Aleppo

„Der Diktator flaniert durch Aleppo“

Das Foto kommt ganz beiläufig daher: eine Familie auf ihrem Spaziergang durch die Altstadt. Gutbürgerlich, dem Erscheinungsbild nach zu urteilen: Die beiden Söhne tragen Hemden (hellblau und weiß), die Tochter trägt ein weißes, wadenlanges Kleid, blauen Tüll um die Schultern und flache Ballerinas. Die Mutter spricht, Vater und Kinder hören zu. Niemand daddelt gelangweilt auf dem Smartphone oder kaut Kaugummi. Doch die Familie ist nicht etwa auf dem Weg zum Griechen oder Italiener. Sie heißt auch nicht Familie Ahrens oder Aschenbrenner, sondern Assad. Und die Altstadt ist nicht die von Marburg, sondern die von Aleppo. Wenn man genau hinsieht, sind in den Gebäuden im Hintergrund, in den Trümmerteilen links unten auf dem Boden noch die Spuren des Krieges zu erkennen.

Kein Bild zeigt das Scheitern der oft beschworenen internationalen Staatengemeinschaft so deutlich wie dieses. Ein Massenmörder mit seiner Familie bei einem Spaziergang durch die Altstadt, die er selbst zerstört hat. Ausgestattet mit den Insignien bürgerlicher Würde: offenes Hemd, Jackett, drei wohlgeratene Kinder und auch die Gattin ganz modern (blondierter Bob, High-Waist-Hose und rosa Bluse).

Klamotten wie aus einer Van-Laack-Kollektion

Das ist die lässige Eleganz eines Diktators im 21. Jahrhundert, anders als seine ehemaligen Amtskollegen, wie beispielsweise Gaddafi mit seinen folkloristischen Phantasiekostümen oder Saddam in seinem ewigmilitärischen Olive-Grün-Ocker-Grau, den Schulterklappen und Baretts. Doch man braucht sich keine Illusionen zu machen, auch wenn der Diktator nun aussieht wie der Van-Laack-Kollektion entsprungen: Das Morden ist dasselbe.

Elf Jahre nach Beginn der Proteste gegen das Regime, nach Jahren voller Folter, Fassbomben und Giftgas, nach allem also, was sämtliche roten Linien der zivilisierten Welt überschreitet, sehen wir Assad nicht auf der Anklagebank in Den Haag, sondern durch Aleppo flanieren, als wäre es die normalste Sache der Welt. Wir sehen ein Syrien, das immer noch in der Hand einer kriminellen Bande ist, die ihr Zubrot mit Drogenproduktion und -verkauf verdient.

Der alte Verbündete Russland

Es ist also alles gut gelaufen für Assad, und es läuft noch besser. Sein guter alter Verbündeter Russland hält ihm im UN-Sicherheitsrat nach wie vor den Rücken frei, verzögert und blockiert. In Kairo und Riad spricht man schon davon, Syrien wieder in die Arabische Liga aufzunehmen. Und lange ausgebliebene Gäste kommen wieder. So reiste zum Beispiel der Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate im November nach Damaskus. Assads Gegenbesuch fand im März dieses Jahres statt. So schnell scheinen 600 000 Tote, zwölf Millionen Flüchtlinge, davon fast sieben Millionen Binnenvertriebene, vergessen.

Nur hin und wieder tanzt man in Genf zu den Friedensgesprächen an (natürlich nicht Assad persönlich), um den Schein zu wahren (und, wie manche sagen, um endlich mal wieder ohne Sanktionen fett shoppen zu gehen). Und weil es so schön ist, inszeniert man auch Wahlen, die man – welche Überraschung – haushoch gewinnt.

Es ist ein riesengroßes Theater, eine Lüge, die man natürlich nicht glaubt, aber die man bereitwillig hinnimmt, denn etwas anderes fällt einem auch nicht ein, oder man ist zu faul. In der Hoffnung, dieser Diktator, der in der Vergangenheit keinerlei Besserung hat erkennen lassen, möge sich nun von allein bessern, sprich: das Morden und Foltern einstellen, wartet man einfach ab. „Magical Thinking“ könnte man das auch nennen.

Straffreiheit als Ermutigung für andere

Das Foto vom Ausflug der Assads in Aleppo ist zwischen all den anderen Fotos von Diktatoren und Autokraten, die in diesen Tagen durch die Nachrichten geistern, untergegangen. Zwischen dem aufgedunsenen Putin, dem erpresserischen Erdogan, der fröhlich weiter die Kurden bombardiert, oder dem Turban tragenden Raisi, der gleich beide zu einem Syrien-Gipfel nach Teheran einlädt. Dabei sind sie am Ende alle gleich: Ein Diktator ist ein Diktator ist ein Diktator. Und die Straffreiheit des einen ermutigt den anderen.

Die Begriffe, die Werkzeuge der Weltbetrachtung, scheinen stumpf und abgenutzt. Wie kann man noch von internationaler Staatengemeinschaft sprechen, von Vereinten Nationen, wenn jede noch so kleine Miniresolution, jeder Versuch, dem Morden in Syrien ein Ende zu setzen, von Russland oder China blockiert wird, wenn man sich nicht einmal auf die Verfolgung von Chemiewaffeneinsätzen einigen kann? Und was ist eine rote Linie wert, wenn ihre Überschreitung keine Konsequenzen hat? Wie kann noch von Syrern die Rede sein, wenn da überall Frontlinien verlaufen, zwischen Konfessionen und ethnischen Gruppen, zwischen Islamisten und Regime-Anhängern, zwischen Tätern und Opfern?

Und was soll bitte die zivilisierte Welt sein, wenn sie Zivilisationsbrüche wie in Saydnaya, Homs oder Chan Schaichun in Kauf nimmt? Wenn sie diejenigen im Stich lässt, die vor elf Jahren für ihre Werte (Demokratie, Freiheit, Menschenrechte) auf die Straße gingen? Und was soll Frieden sein, wenn er mit Blut erkauft wird und eher einer Friedhofsruhe gleicht?

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