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#Der Diktator und der Diplomat

Der Diktator und der Diplomat

Zu Hitler, dachte man, ist im Kino alles ge­sagt. Chaplin, Alec Guinness und Anthony Hopkins haben ihn gespielt, und dann hat Bruno Ganz den sterbenden Diktatur mit Brüllen und Fuchteln endgültig ins kollektive Bildergedächtnis eingebrannt. Der Rest sind Nebenrollen. Aber das täuscht. Die Figur lebt, und man erkennt es daran, dass sie große Schauspieler immer wieder zu einzigartigen Anverwandlungen reizt. Der vorerst letzte in der Reihe ist Ulrich Matthes – ausgerechnet Matthes, von allen Hitler-Darstellern nach Chaplin wohl derjenige, der Hitler am wenigsten ähnlich sieht. In Oliver Hirschbiegels „Untergang“ hat er im Schatten von Bruno Ganz mit eisiger Verve den hohlwangigen, hohläugigen Joseph Goebbels gespielt. In Christian Schwochows Verfilmung von Robert Harris’ Roman über die Münchner Konferenz verkörpert er nun den „Führer“.

In „München – Im Angesicht des Krieges“ geht es, kurz gesagt, darum, dass Hitler in dem diplomatischen Pokerspiel, das am 29. und 30. September 1938 in München stattfand, als Verlierer vom Platz geht, obwohl er die besseren Karten hat: eine Erzählung, die einigermaßen quer zu den klassischen Deutungen des Geschehens steht. Um sie plausibel zu machen, hat Harris eine Art dramaturgisches Viereck konstruiert, in dem den historischen Protagonisten, also dem deutschen Diktator und dem britischen Premierminister Chamberlain, jeweils eine fiktive Figur zugeordnet ist.

Im Fall Hitlers ist das der Diplomat Paul von Hartmann, der im Film von Jannis Niewöhner gespielt wird. Harris ging es in seinem 2017 erschienenen Roman um eine Eh­renrettung Chamberlains, dessen Ap­pea­se­ment-Politik dem britischen Empire die lebensnotwendige Frist zur Nachrüstung seiner Flotte und seiner Luftstreitkräfte verschaffte. Schwochow dagegen will auch die Ehre der deutschen Diplomatie retten. Deshalb baut er die Szene, in der von Hartmann Hitler in dessen Münchner Privatwohnung gegenübertritt, zum historischen Schlüsselmoment aus.

Es ist die letzte von vier Begegnungen zwischen von Hartmann und dem Alleinherrscher des „Dritten Reiches“ und die entscheidende. Bei den ersten drei Treffen hat Hitler den jungen Attaché provoziert und verspottet, er hat ihn als Klugscheißer abgekanzelt, sich seine Uhr geliehen und sie ihm unter dem Gelächter der abendlichen Tischgesellschaft im „Führerbau“ zu­rück­gegeben. Diesmal aber hält von Hartmann eine Pistole in der Hand. Er verbirgt sie in einer Mappe mit Presseberichten, die er Hitler überreichen soll, und er ist entschlossen, sie zu benutzen. Aber er zögert, seine Hand zittert, während er dem Diktator auf dessen Frage nach der Stimmung im Volk antwortet, die Deutschen hätten Angst vor einem kommenden Krieg.

Der „Führer“ hat den Blick eines Reptils

In diesem Augenblick hängt alles an Ul­rich Matthes. Bei den Dreharbeiten ist Matthes für Martin Wuttke eingesprungen, der in Quentin Tarantinos „Inglourious Ba­sterds“ den braunen Kanzler gespielt hat. Wuttkes Hitler war einer, den man erschießen konnte (was bei Tarantino dann auch geschah). Matthes’ Hitler ist es nicht. Er hat die Körperspannung eines Androiden und den Blick eines Reptils. Am erstaunlichsten ist aber, was Matthes mit seiner Stimme macht. Er hält sie immer knapp unterhalb der Schwelle, an der sie schneidend wird, so wie sein Mund stets kurz vor dem Zuschnappen innehält. Das viel be­schwo­re­ne Charisma des „Führers“ übersetzt Matthes in eine Mechanik der Selbstkontrolle. Hitlers Paladine lieben ihn, weil er sie verschont. Kälter, präziser kann man die Aura des Diktators nicht umreißen.

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