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#Der furchtlose Verleger

Der furchtlose Verleger

Wenn es stimmt, was Thomas Jefferson gesagt hat – dass dort Freiheit herrsche, wo die Regierung das Volk fürchte –, dann ist Hongkong immer noch eine freie Stadt. Denn Chinas Führung fürchtet die Bürger der Sonderverwaltungszone im Süden. Sehr sogar, wie vor ein paar Wochen wieder deutlich wurde. Als morgens die Polizisten bei 53 Oppositionspolitikern und Aktivisten vor der Wohnungstür auftauchten und diese wegen „Subversion“ verhafteten.

Hendrik Ankenbrand

Auch vor dem mit Goldelementen verzierten schmiedeeisernen Tor in der Kadoorie Avenue 81 auf der nördlich des Finanzzentrums gelegenen Halbinsel Kowloon fuhren die Polizisten Anfang Dezember vor. Wie schon oft zuvor nahmen sie den Hausherrn mit, Verleger Jimmy Lai. Der Mann greift mit seiner Boulevardzeitung „Apple Daily“ jeden Tag Chinas Führung in Peking an. In Interviews schreckt er vor Kritik an der Kommunistischen Partei, Staatspräsident Xi Jinping und der Regierung Hongkongs nicht zurück. Die Mächtigen kommen dem Mann einfach nicht bei. Sie verhaften und drohen, doch wie soll man jemanden einschüchtern, der sich von nichts beeindrucken lässt?

Noch nicht einmal von der Aussicht, bis zum Ende seines Lebens hinter Gittern zu landen. Diese Strafe sieht das „Nationale Sicherheitsgesetz“ Hongkongs, das die Führung in Peking Ende Juni zur Geltung gebracht hat, für die „Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften“ vor. Und so lautet der Vorwurf an Jimmy Lai, der sich 2019 in Washington mit der heutigen Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus Nancy Pelosi getroffen hat und ein paar Monate zuvor mit dem damaligen Vizepräsidenten Mike Pence.

Lai soll der Prozess gemacht werden

Seit Dezember sitzt Lai nun in Haft. Mit Ausnahme einer Woche zum Ende des Jahres, in der ein Richter ihn auf Kaution wieder freigelassen hatte. Schnell war Lai wieder drin im Gefängnis, die Regierung hatte Widerspruch eingelegt. Am Dienstag nun entschied das höchste Gericht in Hongkong, dass Lai kein Anrecht habe auf eine Kaution. Natürlich auf Grundlage des Sicherheitsgesetzes, das genau dies verbietet für „Tatverdächtige“, bei denen von fortgesetzter Unbotmäßigkeit ausgegangen werden muss. Nun soll nach bisheriger Planung im April der Prozess beginnen.

„Ich werde glücklich sein, selbst wenn ich im Gefängnis lande“, hat Lai im vergangenen Jahr gesagt, nachdem ihn im Sommer wieder einmal die Polizei abgeholt und ihn sogar eine halbe Stunde lang im Yachtclub des früheren Milliardärs in Handschellen umhergeführt hatte. Hongkong, die Stadt, in der er als Zwölfjähriger nach der Flucht vom Festland „mit nichts“ angekommen war, habe ihm so viel gegeben. Wenn er nun, in seinen Siebzigern, leiden müsse, betrachte er dies als „Segen“. Es werde wundervoll für seine Kinder sein, ihren Vater für das in Erinnerung zu behalten, was er gewesen sei.

Aktivisten demonstrieren für die Freilassung des Medienmoguls Jimmy Lai vor dem Gerichtsgebäude in Hongkong.


Aktivisten demonstrieren für die Freilassung des Medienmoguls Jimmy Lai vor dem Gerichtsgebäude in Hongkong.
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Bild: AP

Der Beginn einer großen Zukunft

Lechzend nach Freiheit, das war Jimmy Lai auf jeden Fall sein Leben lang. Nicht mehr Kind, noch nicht Mann, will er fort aus seinem Heimatdorf in der gegenüber Hongkong gelegenen Provinz Guangdong im Süden von Festlandchina, in dem nun die Kommunisten das Sagen haben und Mao mit dem „Großen Sprung nach vorn“ eine verheerende Industrialisierungskampagne fährt, die am Ende geschätzt 45 Millionen Menschen den Tod bringen wird. Als blinder Passagier auf einem Fischerboot erreicht Lai Hongkong. Eine Stadt mit Möglichkeiten. In den Folgejahren wird sie aufsteigen zu einem der „asiatischen Tiger“ neben Singapur, Taiwan und Südkorea.

Lai beginnt für einen Hungerlohn in einer Textilfabrik zu schuften und lernt schnell, dass in seiner neuen Stadt nur der Aufstieg zählt. Abends bringt er sich Englisch im Selbststudium bei, indem er Bücher liest wie „Der Weg zur Knechtschaft“ von Hayek. Bald leitet er die Textilfabrik und erhält am Jahresende einen Bonus. Den vervielfältigt Lai an der Börse und kauft seinerseits einen bankrotten Kleidungshersteller, in dessen Hallen er Pullover produziert. Ende zwanzig gründet er Giordano, eine Modekette mit zeitweise 2.400 Läden in 30 Ländern. Der Bootsflüchtling Lai ist nun Milliardär, doch anders als die anderen Hongkonger Tycoons langweilt ihn das Reichenleben auf der Insel, das sich auf Golfplatz, Yacht und Countryclub begrenzt.

Als 1989 in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens die Studenten protestieren, glaubt Lai, dies sei der Anfang vom Ende der Diktatur. Nachdem das Regime den Aufstand blutig niederschlägt, gründet Lai in Hongkong ein Magazin namens „Next“. Neben Klatsch und Tratsch geht er darin die Kommunistische Partei hart an. In dieselbe Kerbe schlägt sein Boulevardblatt „Apple Daily“, bis heute die meistgelesene Zeitung Hongkongs. Nachdem der politische Druck auf Lai zu groß wird, muss er seine Modekette verkaufen.

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Jimmy Lai im Kampf gegen Peking

Doch das ficht den Unternehmer nicht an. Nachdem 1997 die Briten die Kronkolonie Hongkong an China übergeben, kämpft Lai in seinen Publikationen gegen den wachsenden Einfluss Pekings auf seine Freiheitsinsel. 2014 unterstützt er die Studentenproteste in der Stadt, „Regenschirm-Revolution“ genannt, angeblich mit mehreren Millionen Hongkong-Dollar und lässt seine Zeitungen aus allen Rohren auf die Regierung feuern. „Menschlicher Abschaum“ seien sie, schreien die Unterstützer Pekings Lai und seinen Redakteuren entgegen. Als der Verleger im Camp der Protestierenden aus einem Zelt tritt, wird er mit Eingeweiden beworfen.

Damals hat er Angst, doch die scheint verflogen. „Wenn sie dir Angst machen können, ist das die billigste und effektivste Art, dich zu kontrollieren“, sagt Lai, nachdem er 2020 festgenommen wird. So einfach will Lai seine Gegner wohl nicht davonkommen lassen.

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