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#Der Germane ist des Römers Wolf

Der Germane ist des Römers Wolf

Ein Junge rennt durch den Wald und warnt sein Dorf vor dem Wolf, und wäre der Knabe dabei nicht so ausgesprochen fröhlich und munter, könnte man ihm die Botschaft glatt abnehmen – stattdessen fängt seine blonde Schwester Thusnelda den Knaben ein und wirbelt ihn herum. Von Unheil keine Spur.

Tilman Spreckelsen

Mit dieser Szene beginnt die Netflix-Serie „Barbaren“. Eine Folge später hetzt tatsächlich ein Wolf durch das dunkle Gehölz, bis ihm ein kräftiger Lanzenwurf den Garaus macht und sich drei Freunde – zwei Jungen, ein Mädchen – je einen Zahn aus dem Gebiss des Raubtiers nehmen. Wieder eine Folge später stehen zwei Kinder, ein bisschen ängstlich, ein bisschen erwartungsvoll, in einem römischen Sakralbau und hören die Geschichte, wie einst die Wölfin die verlassenen Romulus und Remus gesäugt habe. Das aber passt nicht zu der Geschichte, die diese Kinder in ihrem Heimatdorf, aus dem sie als Geiseln weggeführt worden sind, über das Wolfswesen gehört haben: Dermaleinst werde jener gigantische Wolf, der schon jetzt rasend hinter Sonne und Mond herjage, die Himmelskörper verschlingen und so das Ende der Welt einläuten. Was denn damit sei, fragt eines der Kinder den Römer, der sie aufgenommen hat? Dass der leibliche Vater des Kindes sich eben nicht so gut auskenne, antwortet der Adoptivvater. Wölfe könnten die Welt gar nicht zerstören. Das könne nur das römische Heer.

Kinder und Wölfe, Barbaren und Römer, das ist der Stoff, aus der die sechsteilige Serie gestrickt ist, die erzählt, wie es zu jener Schlacht im Teutoburger Wald gekommen ist, in der die römische Armee im Jahr 9nach Christus eine empfindliche Niederlage erlitten hat und man in Rom schließlich die Pläne zur Eroberung jener mitteleuropäischen Region aufgab, die nach römischem Sprachgebrauch von „Germanen“ bewohnt war – es ist unwahrscheinlich, dass sich die verschiedenen Stämme selbst mit diesem Begriff bezeichneten.

Der Rest ist Wald, ist Nebel und trüber grauer Himmel

„Seit wann sind wir Germanen“, fragt dann auch in der Serie (Regie Barbara Eder und Steve St. Leger) einer der Krieger und erhält zur Antwort: „Die Römer nennen uns so, weil sie uns nicht unterscheiden können.“ Dass sich die Stämme aber auch unter dem Druck der Feinde aus dem Süden nicht einigen können, zu Beginn wenigstens, beklagen sie durchaus, während sie dann doch mal mehr, mal weniger mit den Römern paktieren.

Das Bild, das dabei gezeichnet wird, ist düster, und das im Wortsinn, denn wesentliche Teile der Handlung spielen sich in der Nacht und in den schlecht beleuchteten Langhäusern ab, die in der Realität neben den zottigen Menschen noch etwas mehr Tiere beherbergt haben dürften. Der Rest ist Wald, wenn nicht irgendwo eine Lichtung für ein cheruskisches Dorf oder ein römisches Militärlager gerodet wurde, ist Nebel und trüber grauer Himmel, ist Moor und Hohlweg, was jeden Überfall begünstigt und den Protagonisten keinen Augenblick der Ruhe beschert.

Rom setzt gegen all das seine Legionen, die allerdings in diesem Landstrich bald auch etwas dekorativ Angeschmuddeltes besitzen; die Sehnsucht des jungen Ari, einst eine Geisel, inzwischen der aufstrebende Offizier Arminius (Laurence Rupp), nach der Behaglichkeit Roms versteht man jedenfalls nur zu gut. So dauert es die halbe Staffel der Serie, bis er sich langsam auf die Seite seiner Herkunft schlägt und beginnt, ein Bündnis gegen Rom zu schmieden – die Jugendfreundschaft, die ihn mit den beiden anderen Wolfszahnträgern Thusnelda (Jeanne Goursaud) und Folkwin (David Schütter) verbindet, spielt wohl eine Rolle dabei, aber die Enttäuschung darüber, dass sein Adoptivvater Varus ihm einen Platz hier zuweist und ihn nicht wie versprochen nach Rom befördert, wiegt wohl schwerer. Leicht macht er es sich nicht: Selbst nachdem Arminius am Ende der dritten Staffel einen Römer tötet, um Folkwin zu retten, sich also eigentlich auf die Seite der Germanen stellt, behauptet er: „Ich habe nur eine Schuld beglichen, mein Leben ist in Rom.“ Das überzeugt niemanden, nicht seine alten Gegner und nicht die neuen Feinde, schon gar nicht die Zuschauer, die natürlich die Geschichte des späteren Siegers in der Varusschlacht kennen und wissen, wie sein innerer Kampf ausgehen wird.

Varus selbst bestimmt Arminius dann zum Reik, zum Anführer der Cherusker, an Stelle seines eigentlich noch ganz vitalen leiblichen Vaters. „Alte Leitwölfe wissen, wann es Zeit ist, ihr Rudel zu verlassen“, so begründet Varus diese überraschende Wendung im Leben seines Ziehsohns, und der bisherige Cheruskerhäuptling weiß, was er zu tun hat: Er geht zu den dramatischen Klängen, die hier vor allem von dumpfen Trommeln leben, geradewegs in den Sumpf.

Wer „Vikings“ oder „Game of Thrones“ schätzt, wird sich hier nicht fremd fühlen, aber wohl über die schlichte Dramaturgie und die noch viel schlichteren Dialoge seufzen. Dass die Römer hier Latein sprechen, dem zum besseren Verständnis Untertitel beigegeben sind, ist eine hübsche Idee in all den Germanenmythen, die hier angebracht werden, allen voran die Vorstellung von einem Götterhimmel, der dem mehr als tausend Jahre später im weit entfernten Island schriftlich fixierten verblüffend ähnelt.

Was wir von der Welt wissen, die den Hintergrund einer seichten Geschichte von Rache, Liebe und Identität abgibt, ist himmelschreiend wenig, wie zurzeit auch in der Berliner „Germanen“-Ausstellung zu sehen ist. Viel Raum für Spekulation im Nebel. So gesehen, funktioniert die Serie prächtig.

Barbaren startet heute bei Netflix.

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