Nachrichten

#Lauterbach schlachtet Pflegevorsorge

Zur Empörung der FDP will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Milliardenrücklagen für die Pflegeversicherung nicht weiter auffüllen. Dadurch schlägt er mehrere Fliegen mit einer Klappe: Er kompensiert die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) verordneten Einsparungen im Gesundheitshaushalt, ohne Leistungen zu kürzen; er zieht sich aus dem von ihm ungeliebten Pflegevorsorgefonds zurück, der einzigen kapitalgedeckten Säule im Umlagesystem; und er zahlt politisch den Liberalen die Geldstreichungen dadurch heim, dass er den von ihnen befürworteten Fonds austrocknet. In Berlin ist davon die Rede, dass der Sozialdemokrat die Zukunftsreserven für die Babyboomer schlachte und zugleich die Liberalen aufs Kreuz lege, die ihm ständig Zahlungen verweigerten.

Vergangene Woche war bekannt geworden, dass Lindner im Etatentwurf für 2024, der am Mittwoch durchs Kabinett gehen soll, eine Milliarde Euro an Bundeszuschüssen für die Pflegeversicherung streichen will. Zuvor hatten der Finanzminister und Kanzler Olaf Scholz (SPD) alle Ressorts zum Sparen aufgefordert, woraufhin Lauterbach den Verzicht auf den Zuschuss angeboten hatte. Die fehlenden Mittel will er nun dadurch auffangen, dass er die Pflegereserven für die geburtenstarken Jahrgänge nicht weiter aufstockt, wie er auf Twitter schrieb: „Der CDU-eingeführte Vorsorgefonds der Pflege, mit dem Geld für später angespart werden soll, wird teilweise ausgesetzt. 0 Prozent Leistungskürzung.“

Liberale verärgert

Den Finanzpuffer hatte die große Koalition aus Union und SPD 2015 mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz eingeführt. Seitdem fließen in den Vorsorgefonds 0,1 Prozentpunkte der gesetzlichen Pflegebeiträge, derzeit etwa 1,6 bis 1,7 Milliarden Euro im Jahr. Die Bundesbank legt das Geld – bisher rund 10 Milliarden Euro – bis 2035 auf dem Kapitalmarkt an, vor allem als gedeckte Schuldverschreibungen und Aktien, um damit die Beitragssteigerungen abzumildern. Denn von 2034 an erreichen die geburtenstarken Jahrgänge von 1959 bis 1967 das Pflegealter, für die im Umlageverfahren dann nicht genügend Beiträge zur Verfügung stehen werden.

Die Liberalen reagierten verärgert auf Lauterbachs Ankündigung. „Wir können nicht den einzig nachhaltigen Aspekt der Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung über Bord werfen“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Andrew Ullmann, der F.A.Z. Im Gegenteil müsse die kapitalgedeckte Säule noch ausgebaut werden, schließlich habe die Umlagefinanzierung im Angesicht des demographischen Wandels als einzige Lösung ausgedient. „Die Zukunft gegen die Gegenwart einzutauschen ist nicht fair. Das weiß der Gesundheitsminister auch“, sagte der Medizinprofessor. „Ich gehe davon aus, dass er einen anderen Weg finden wird, der sich nicht ausdrücklich gegen die kommende Generation wendet.“

Juirst: Vorsorge funktioniert nur mit kontinierlicher Einzahlung

In dieser Frage bahnt sich der nächste Koalitionsstreit an, denn Lauterbach kann das Ende der Fondsbefüllung nicht allein beschließen. Dazu bedürfe es einer Gesetzesänderung in Paragraph 135 des elften Sozialgesetzbuches und somit einer Einigung in der Ampel, sagt der Bonner Rechtswissenschaftler Gregor Thüsing. Um die Pflegekassen vorübergehend zu entlasten, war Absatz 3 schon so geändert worden, dass die Zahlungen für 2023 erst 2024 zu leisten sind. Zugleich ist am Samstag das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz mit neuen Beitragssätzen in Kraft getreten: Sie steigen im Regelfall um 0,35 Prozentpunkte, für Kinderlose gibt es höhere Belastungen, für Familien mit vielen Kindern sinken die Abgaben. Insgesamt soll die Reform 6,6 Milliarden Euro zusätzlich für die Pflege mobilisieren.

Thüsing hält es für falsch, die gesetzlich festgelegten Mittel im Fonds zu streichen. Die von Lauterbach geplante Gegenfinanzierung der wegfallenden Bundeszuschüsse wäre „unkreativ und konfliktscheu“, sagt der Juraprofessor. Die Vorsorge funktioniere nur mit kontinuierlicher Einzahlung. „Sonst verschiebt man die Probleme nur in die Zukunft und vergrößert sie dadurch.“ Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem verweist darauf, dass die Politik den Fonds schon öfter zur Disposition gestellt habe. Tatsächlich hatte Annalena Baerbock (Grüne) im Wahlkampf 2021 sogar seine Auflösung angekündigt, und Krankenkassen hatten die weitere Befüllung infrage gestellt.

CDU: „Bedingungslose Kapitulation Karl Lauterbachs vor dem Finanzminister“

Wasem ist gegen die Bildung eines Kapitalstocks in der gesetzlichen Pflegeversicherung, „weil er nicht vor den Eingriffen des Gesetzgebers geschützt werden kann“. Das Ansparen und Anlegen der Mittel funktioniere nur, „wenn es rechtlich getrennt nach den Spielregeln der Privatversicherung geschieht“. Kürzlich hatte Wasem deshalb eine verpflichtende private Pflegezusatzversicherung vorgeschlagen.

Kritik an Lauterbach kommt aus der CDU, die den Pflegevorsorgefonds einst maßgeblich vorangetrieben hatte. „Wir erleben die bedingungslose Kapitulation Karl Lauterbachs vor dem Finanzminister“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Tino Sorge. „Ohne Not wirft die Ampel ein vielversprechendes Vorsorgemodell über Bord.“ Nötig seien vielmehr neben betrieblicher und privater Absicherung auch neue staatliche und kapitalgedeckte Modelle: „Anderenfalls läuft die soziale Pflegeversicherung mit immer höheren Beiträgen auf einen Kollaps zu“, meint der Oppositionspolitiker. „Es ist eine ganz besondere Ironie, wenn nun ausgerechnet der Spardruck von Finanzminister Lindner dazu führt, dass der Pflegevorsorgefonds auf Eis gelegt wird.“

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!