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#Der Mann und das Meer

Der Mann und das Meer

Um sich gegen die Kälte abzuhärten, stellt er eine Eistonne in den Garten. Während seine Frau an winterlichen Sonntagabenden auf dem Sofa „Tatort“ schaut, stapft André Wiersig nackt hinaus, schlägt die Eisschicht auf und setzt sich zwanzig Minuten ins beißend kalte Wasser, bis er fast ohnmächtig wird. So verschieben sich für ihn allmählich die Maßstäbe des Zumutbaren. Beim Thema „Mir ist kalt“ kann er nur lachen. Hört auf zu zittern, Leute! Von der Natur seien wir „für ganz andere Dinge ausgelegt“, sagt er. „Wir sind alle komplett verweichlicht.“ Darum geht es dem Extremschwimmer: die Grenzen zu verschieben, bis die Ur-Instinkte des Überlebens sich wieder melden.

Raus aus der Komfortzone – das ist das Motto dieses grandiosen Hörbuchs. André Wiersig ist einer von zwanzig Schwimmern, die die „Ocean’s Seven“ geschafft haben; der einzige Deutsche. Es ist die größte Herausforderung für Langstreckenschwimmer. Freundlich, lässig, mit Witz und Gelächter erzählt Wiersig – und klingt dabei gar nicht wie der Kämpfer und Selbstquäler, der er ist. Seine Begabung für den Ausdauer- und Strapazensport hat sich eher zufällig offenbart. Als Jugendlicher ist er ersatzweise eingesprungen bei Schwimmwettkämpfen und gleich auf erste Plätze gekommen. So ging es weiter. Ein Triathlon ist für ihn ein Spaß.

Beim Ozeanschwimmen geht es aber nicht ums Gewinnen. Das Meer muss es zulassen. Wenn es nicht mitspielt, „dann kannst du der beste Schwimmer der Welt sein, da kommst du überhaupt nicht an auf der anderen Seite“. Die längste der sieben Überquerungen ist der Kaiwi-Kanal bei Hawaii. 44 Kilometer Luftlinie, aus denen aber deutlich mehr werden können. „Channel of Bones“ heißt der Kaiwi, weil dort schon viele Kanufahrer abgetrieben wurden und nie wieder aufgetaucht sind. Geschwommen wird nachts, wegen der vielen Haie. Die sehen im Dunkeln genauso schlecht wie Menschen. Und dort draußen, mitten im Pazifik, ist es sehr dunkel, kein Restlicht von irgendwo.

In der finstersten Nacht kämpft sich Wiersig durch die meterhohen Wellen. Plötzlich ist sein Körper ein glühender Schmerz. Es fühlt sich an, als wäre sein Arm abgerissen. Reflexhaft greift er mit der anderen Hand hin, um die Blutung abzudrücken: „Aber der Arm war noch dran.“ Er hat gerade eine Begegnung mit einer Portugiesischen Galeere gehabt, auch „Floating Terror“ genannt. Mit „Wahnsinnsschmerzen“ schwimmt er weiter, Stunde um Stunde – wobei er sich immer wieder in den Tentakeln der Quallen verfängt.

Nur ein Gedanke hält ihn im Wasser: dass der Schmerz nicht aufhört, wenn er abbricht, sondern dass dann noch der Schmerz des Aufgebens hinzukommt. Nach fünfzehn Stunden, inzwischen ist es Tag geworden, kommt ein großer Blauhai direkt auf ihn zu. Soll nun alle Quallenqual umsonst gewesen sein? Sich aufs Begleitboot zu retten kommt nicht in Frage; dann wäre der Versuch gescheitert. Also lässt er den Hai dicht um sich herumschwimmen, sieht ihm in die riesigen Augen, die Schnauze zum Greifen nah. Bis der Fisch endlich wieder im Blau verschwindet.

Warum macht man so etwas? „Es geht eigentlich nur darum, welche Leistung man unter maximalen Erschöpfungszuständen noch generieren kann.“ Jeder Kanal bietet andere Herausforderungen. Beim North Channel zwischen Irland und Schottland ist es die Kälte: gräulich-grünes, eisiges Wasser, das Nadelstiche versetzt. Wiersig schwimmt ohne Neoprenanzug zehn Stunden lang, kommt der Küste aber nicht näher, wegen der starken Strömung. Man ist als Hörer angepackt, wenn er mit beklommener Stimme von den schrecklichen letzten Metern vor der zerklüfteten Steilküste erzählt – wie er von den Wellen immer wieder zurückgeschmissen und auf Felsen geschleudert wird. „Nie wieder North Channel“, meint er mit einer gewissen Erbitterung.

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