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#Der Napoleon des Eishockeys

Der Napoleon des Eishockeys

Wie in einer Zeitschleife müssen sie sich gerade beim Eishockey-Weltverband (IIHF) vorkommen. Die Weltmeisterschaft soll, wie 2014, wieder in Belarus stattfinden. Wie 2014 regt sich auch diesmal Protest gegen das Turnier beim Autokraten Alexander Lukaschenka. Also klingt auch René Fasel wie damals. Man müsse Sport und Politik trennen, sagt der IIHF-Chef. Was Lukaschenka anders sieht. In der BBC sagte er einst: „Sport ist große Politik, besonders Eishockey.“ Nicht zufällig steht der Staatschef auch dem Nationalen Olympischen Komitee vor, die Sportfunktionäre des Landes sind handverlesen.

2014 kamen Fasel und Lukaschenka damit durch. Nun ist das anders. Ko-Gastgeber Lettland fordert eine Verlegung. Dänemark droht als erstes Land mit Boykott. Die Expertenkommission des Weltverbandes sieht die Austragung skeptisch – offiziell wegen der Corona-Lage in Belarus. Die Wirklichkeit zeigt sich in den seit der Wahlfälschung Lukaschenkas anhaltenden Protesten der Bevölkerung und deren brutaler Niederschlagung. Die Bilder der Demonstranten, der Verhafteten, der Gefolterten und der Getöteten sind überall auf der Welt präsent. Der Präsident des belarussischen Eishockey-Verbandes, Dmitrij Baskow, soll gar in den gewaltsamen Tod eines Menschen verwickelt sein. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat Lukaschenka suspendiert. Diese Woche sagte Fasel, dass die IIHF nach Ersatz suche, man spreche mit „Vertretern anderer Verbände“. Zugleich will der Schweizer nach Minsk reisen. Ende des Monats soll die Entscheidung fallen.

„Weltgewandt und bauernschlau“

Dies ist eigentlich eine Situation wie gemacht für den ehemaligen Schiedsrichter Fasel, der einst Spiele geleitet haben soll „wie ein kleiner Napoleon die Schlacht auf dem Feldherrenhügel“. Das Zitat findet sich in einem Buch des Schweizer Journalisten Klaus Zaugg von 1997. Darin ist der Aufstieg des Drittliga-Schiedsrichters aus Fribourg in den Machtzirkel des Weltsports beschrieben. „Weltgewandt und bauernschlau“ sei der, habe Konflikte anderer stets für sich genutzt.

1982 wurde er so Chef der Schweizer Schiedsrichter, 1985 des nationalen Verbandes, 1994 der IIHF. Damals standen sich Amerikaner und Osteuropäer unversöhnlich gegenüber, weil die Eliteliga NHL die Stars aus der untergegangenen Sowjetunion für Abermillionen Dollar verpflichtete. Der Schweizer sollte die Szene einen. Als kurze Zeit später Teambesitzer und Spieler in der NHL um Geld stritten, nutzte Fasel die Gelegenheit, um erstmals NHL-Stars zu Olympia zu locken. Das verschaffte ihm hohes Ansehen in der Branche – und im IOC. Eishockey war auf einmal die wichtigste Sportart der Winterspiele. Fasel wird, wie zum Lohn, mit immer neuen Posten betraut.

Posieren für Selfies

Der Schweizer kommt an bei den Leuten. Er ist charmant, spricht mehrere Sprachen und kann mitreißend erzählen. Auch die Fans mögen ihn. Bei der WM muss er für Selfies posieren, erscheint auf dem Videowürfel und erhält Applaus. Dass er 2010 vom IOC gerügt wurde, weil er einem Freund geholfen hatte, „erhebliche finanzielle Vorteile“ im Zusammenhang mit TV- und Marketingrechten zu erhalten, spielt keine Rolle. Auch seine Nähe zu Russland schadet nicht. Schon 1981 reiste er als Schiedsrichter in die Sowjetunion und „fühlte mich sofort wohl“, wie er der „Neuen Zürcher Zeitung“ erzählte. 1986 brachte er die sowjetische Auswahl für ein Freundschaftsspiel in die Schweiz und dankte auf einem Bankett mit einer Rede auf Russisch.

Die enge Bindung ist geblieben. Heute bezeichnet Fasel Wladimir Putin als Freund. Die Sanktionen wegen Staats-Dopings lehnt er ab; er folgt der russischen Erzählung vom politischen Urteil. Fasels Faible für Russland hat auch pragmatische Gründe. Die Eishockeywelt ist immer noch geteilt in Ost und West. Die NHL, in der nahezu alle Stars spielen, ist unabhängig vom Weltverband und schickte ihre Spieler 2018 nicht einmal mehr zu Olympia – Fasels größte Niederlage. Er braucht die Europäer, und deren wichtigste Liga ist die russische KHL. Zahlreiche WM-Sponsoren kommen aus Russland.

Das allein erklärt nicht Fasels Kampf um die WM beim Putin-Vertrauten Lukaschenka. In der Branche ist zu hören, möglicherweise hindert eine hohe Vertragsstrafe Fasel daran, Belarus die WM aus politischen Gründen zu entziehen. Schließlich beharrt Lukaschenka darauf, dass sein Land eine reibungslose WM garantieren könne. Der IIHF bliebe nur, einen Entzug mit der Corona-Pandemie zu rechtfertigen, wie es ihre Expertenkommission anregt.

Doch wer sollte Interesse daran haben, kurzfristig einzuspringen? Wer weiß, ob im Mai überhaupt Fans in die Hallen dürfen? Und, wenn ja, wie viele? Die logische Lösung wären Fasels Freunde in Russland; sie hatten sich schon früh mit St. Petersburg ins Spiel gebracht. Aber wegen des Staats-Dopings dürfen sie bis 2022 keine Sportveranstaltungen ausrichten. Hinzu kommt das sportliche Niveau: Dass die NHL – für einige Teams ist die Saison Ende Mai bereits vorbei – ihre Spieler in Zeiten der Pandemie um die Welt fliegen lässt, scheint unwahrscheinlich. Selbst manche Ligen in Europa sollen planen, über den April hinaus zu spielen, um die wegen Corona-Ausbrüchen in den Teams ausgefallenen Spiele nachzuholen. Manche aus der Branche rechnen inzwischen nicht mit einer Verlegung, sondern mit der Absage der WM. Was zu Diskussionen mit Vermarkter Infront führen würde; der Vertrag wurde erst vor zwei Jahren verlängert, von 2024 bis 2033 kassiert die IIHF dafür 500 Millionen Schweizer Franken.

So hatte sich Fasel seine letzten Jahre an der IIHF-Spitze nicht vorgestellt. Eigentlich wollte er bereits im September abtreten, nach der WM in seiner Heimat Schweiz und mit vollen Kassen. Doch wegen der Pandemie wurde das Turnier abgesagt und die Wahl eines Nachfolgers verschoben. Bald soll dennoch Schluss sein, aber nicht mit dem Eishockey. Fasel liegt ein Jobangebot vor – von der russischen KHL.

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