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#Der Phobiker in uns

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Der Phobiker in uns

Man muss kein Hypochonder sein, der im Geiste Krankheiten sammelt, um nach sieben entbehrungsreichen Monaten doch noch jener Infektionsangst zu erliegen, gegen die man sich so tapfer gewehrt hat. Die Neuinfektionen steigen sprunghaft. Tag für Tag tönen die Stimmen der an die Bevölkerungsvernunft appellierenden Corona-Mahner und Warner aus Wissenschaft und Politik nicht nur lauter, sondern auch alarmierender. Das Schreckgespenst eines zweiten Lockdowns wird an die Wand gemalt, obwohl es hierzulande genaugenommen nur einen ersten Shutdown gab. Im Gegensatz zu Italien und Spanien wurde in Deutschland nie eine Ausgangssperre verhängt. Der RKI-Chef Lothar Wieler warnt vor den drei Gs: „Gedränge, Gespräche, geschlossene Räume.“ Auch der letzte Querkopf soll endlich kapieren, dass die Covid-19-Sommerpause, in der selbst Christian Drosten in den Urlaub verschwand, vorbei ist. Nur leistet der Mahnung zur Vorsicht längst nicht jeder bereitwillig Folge, was die beunruhigend steigenden Infektionszahlen zeigen. Denn während für die einen die Angst vor dem Virus so ansteckend wie das Virus selbst ist, perlt sie an anderen ab. Wie lässt sich das erklären?

Jeder Mensch lebt in einem spezifischen Angstkosmos. Je nach Erfahrungen, traumatischen Erlebnissen und genetischer Disposition hat er seine Angstwelt mit Warnschildern ausgestattet, vielleicht no-go-areas benannt (etwa Flugzeuge, Aufzüge, öffentliche Toiletten) und, bei einer Phobie, stets Notfallpillen in der Tasche. Manche Phobien sind so irrwitzig – die Xanthophobie (Die Angst vor der Farbe Gelb) oder die Trypophobie (Angst vor einer Häufung kleiner Löcher wie in Bienenwaben oder Schwämmen) –, dass man darüber lachen könnte, würden die Betroffenen nicht seelisch und körperlich furchtbar leiden. Im Alarmzustand rast das Herz, man schwitzt, zittert, spürt Übelkeit, bekommt Durchfall, eine Panikattacke droht. Und niemand ist mit hundertprozentiger Sicherheit davor gefeit, selbst zum Phobiker zu werden.

Thomas Fydrich, der das Zentrum für Psychotherapie an der Humboldt-Universität zu Berlin leitet, behandelte einmal eine Patientin, die nach zwei schweren Infektionskrankheiten, deren Ursachen im Dunkeln blieben, einem Putzwahn verfiel. Sie schrubbte jeden Millimeter ihres Hauses. Gefangen von der Angst, sich außerhalb der eigenen vier Wände mit einem fremdartigen Virus zu infizieren, verließ sie kaum noch das Haus. Sie fürchtete sich zum Beispiel davor, an ihren Schuhen unsichtbare Spuren von Hundekot ins Haus zu tragen.

Die Angst vor Corona nimmt zu

Und Corona? Wann schlägt eine vernünftige Angst, vor der Pandemie in eine Angststörung um? Wann wird der öffentliche Raum nur noch als gigantische Gefahrenzone wahrgenommen? Fydrich sagt, dass Menschen, die schon vor Corona von Ängsten geplagt wurden, die jeden Husten als sich ankündigende schwere Lungenentzündung interpretieren, bei Kopfschmerzen einen Hirntumor befürchten und jede Hautveränderung nervös registrieren, stärkere Corona-Ängste entwickeln als Menschen, die ihrem Körper und dessen Abwehrkräften erst einmal vertrauen. „Seit Ausbruch der Corona-Pandemie kommen mehr Patienten zu uns in die Ambulanz, deren körperbezogene Ängsten durch Covid-19 zusätzlich verstärkt worden sind.“ Übersteigerte Angst auf der einen und trumpeskes blindes Vertrauen in die eigene Unverwundbarkeit auf der anderen Seite: Irgendwo zwischen diesen beiden Extremen ist die Corona-Angst der meisten Menschen angesiedelt. Doch bereits vor der Pandemie beobachtete Fydrich ein besorgniserregendes Bedürfnis nach absoluter Sicherheit. „Nach dem Motto: ,Ich darf auf gar keinen Fall Krebs bekommen, einen Herzinfarkt oder eine andere schwere Krankheit‘“, sagt Fydrich. „Es ist geradezu eine gesellschaftliche Sucht nach absoluter Kontrolle über den eigenen Körper.“

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