Wissenschaft

#Der Porsche im Supercomputer

Mit seinen Systemen unterstützt das Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) in erster Linie die Wissenschaft – aber auch die Wirtschaft. Unternehmen werden künftig wohl häufiger auf so massive Rechenkapazitäten angewiesen sein.

von MICHAEL VOGEL

Wer mit dem Auto durch starken Regen, die Waschanlage oder eine tiefe Pfütze fährt, für den ist es eine Selbstverständlichkeit: Im Fahrzeug bleibt es schön trocken. Allerdings: Damit das so selbstverständlich ist, haben die Hersteller bei der Entwicklung eines Fahrzeugmodells einen großen Aufwand betrieben. Dichtungen an Türen und Fenstern müssen entsprechend ausgelegt sein. Abdeckungen am Unterboden und Motorraum müssen so gestaltet und befestigt sein, dass sie sich nicht verformen oder lösen. Und dann gibt es da noch die Klimaanlage, die zwangsläufig Lufteinlässe braucht. Auch diese Öffnungen gilt es so zu gestalten, dass kein Wasser eindringen kann. Die Fahrzeughersteller fassen all diese Anforderungen unter dem Begriff „Wassermanagement“ zusammen.

„Das Wassermanagement war lange Zeit stark auf reale Tests angewiesen“, berichtet Monika Wierse. „Das änderte sich bei uns erst in den letzten Jahren dank geeigneter Simulationen.“ Die Mathematikerin leitet bei Porsche den Bereich Methoden & Model-based System Engineering. In dieser Funktion ist sie maßgeblich daran beteiligt, dass sich Fragestellungen wie beim Wassermanagement bereits mittels Computer an digitalen Modellen bearbeiten lassen – ohne dass ein echter Tropfen Regen fällt.

Detailtreues Abbild des Wagens

Das Modell im Rechner stellt dazu ein detailgetreues Abbild des realen Fahrzeugs dar. Nur im Innenraum kann man sich einiges sparen, zum Beispiel die Sitze. In den Simulationen wird das Modell dann virtuell berieselt oder einem starken Regen ausgesetzt. Es muss durch Wasser fahren, das bis zu einem halben Meter tief ist. Es fährt schnell durch den Regen, um zu sehen, wie sich die auftreffenden Wassertropfen entlang der Karosserie nach hinten bewegen. All das ist nur ein Teil der wasserbezogenen Fragestellungen, die die Engineering-Teams bei Porsche mit Simulationen bearbeiten.

Selbst die Vorlackierung in der Produktion, bei der die Karosserien komplett durch riesige Tauchbäder geführt werden, lässt sich simulieren. Denn die Schutzschichten, die es dabei auf die Karosserie aufzutragen gilt, liegen als wässrige Lösung vor. Nur die Absicht ist eine andere. Während Regenwasser später nicht ins Fahrzeug eindringen soll, ist es in den Tauchbädern genau umgekehrt: Da soll die Beschichtung selbst in die letzten Winkel der Karosserie gelangen.

„Das Wassermanagement ist so rechenintensiv, dass Porsche es nicht auf den eigenen Systemen simulieren kann“, stellt Wierse fest. Es wäre schlichtweg unwirtschaftlich für das Unternehmen, so gewaltige Rechenkapazitäten vorzuhalten. „Vielmehr greifen wir dafür auf die Systeme des HLRS zu“, sagt die Porsche-Bereichsleiterin. Der Stuttgarter Automobilbauer gehört zu den Unternehmen der ersten Stunde, die am HLRS bereits seit Mitte der 1990er-Jahre Simulationen rechnen lassen. Insgesamt stehen industrielle Nutzer für rund zehn Prozent der Rechnerauslastung am HLRS. Waren es 2017 noch 25 Unternehmen im Jahr, so stieg die Zahl bis 2021 auf 61.

Vorteile für alle Beteiligten

Nicht nur die Unternehmen, sondern auch das HLRS profitiert von diesen Kooperationen zwischen der akademischen und der industriellen Welt. Denn es kann so seine Expertise im Bereich des Höchstleistungsrechnens weiterentwickeln, um dieses auf rechnergesteuerte Ingenieurprobleme der realen Welt anzuwenden.

Die Automobilindustrie gehört zum maßgeblichen Nutzerkreis des HLRS. Prototypen sind bei der Entwicklung eines neuen Fahrzeugmodells ein probates Mittel, um sich frühzeitig ein möglichst realistisches Bild zu machen. Früher war es unvermeidlich, zahlreiche physische Prototypen eines neuen Fahrzeugs zu bauen, bevor die Produktion anlief. Doch so ein Prototyp lässt sich erst bauen, wenn seine Einzelkomponenten bereits weitreichend spezifiziert sind und ebenfalls prototypisch vorliegen. Deshalb sind physische Prototypen immer erst spät verfügbar. Das ist teuer und langwierig. Treten dann noch grundlegende Probleme auf, macht das die Sache noch wesentlich aufwendiger.

„Wir haben im Unternehmen die strategische Vorgabe, mit möglichst wenigen physischen Prototypen zu entwickeln“, sagt Monika Wierse. „Als wir vor einigen Jahren unser erstes rein elektrisch angetriebenes Modell entwickelt haben, den Taycan, war dieser schon zigmal virtuell über die Nordschleife des Nürburgrings gefahren, bevor es einen realen Prototyp gab.“ So ließ sich zum Beispiel sehr früh beurteilen, wie der Kühlkreislauf für Hochvoltbatterie und Elektromotoren ausgelegt sein musste, um sämtlichen Fahranforderungen gerecht zu werden – auch extremen. Mit Simulationen lässt sich selbst für einander widersprechende Anforderungen die bestmögliche Lösung finden.

Aerodynamik, Akustik und Crash

Für einfachere Simulationen verfügt die Automobilbranche über eigene leistungsfähige Rechner. Doch eine Reihe von Aufgaben lässt sich nur mit Supercomputern bearbeiten, wie sie am HLRS stehen. Dazu gehören neben dem Wassermanagement auch Simulationen in den Bereichen Aerodynamik, Aeroakustik und Crash. Die Aerodynamik hat bekanntlich maßgeblichen Einfluss auf den Verbrauch, aber auch auf das Fahrverhalten und den Fahrkomfort. Bei der Aeroakustik geht es beispielsweise um die Frage, wie sich die Luftströmung bei geöffnetem Schiebedach im Innenraum des Fahrzeugs verändert. Und virtuelle Crashtests sind natürlich viel billiger als reale. „Bei solchen virtuellen Crashtests erreichen wir inzwischen eine Auflösung im Millimeterbereich und können damit zum Beispiel beurteilen, ob eine Klebenaht aufreißt oder ein Schweißpunkt hält“, verdeutlich Wierse die heutigen Möglichkeiten.

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