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#Der Rassismus der Stickstoffdioxid Moleküle – zoon politikon

Der Rassismus der Stickstoffdioxid Moleküle – zoon politikon

Ein Dauerbrenner in der Drehtür typischer Internetdiskussionen ist die offensichtliche Schwierigkeit vieler Menschen zu verstehen, dass Rassismus1 nicht unbedingt von einer Einzelperson ausgehen muss. Vor kurzem stiess ich auf ein gutes Beispiel für strukturelle Diskriminierung: Rassistisches Stickstoffdioxid in den USA.

Auch in diesem Blog drehte sich schon so manche Diskussion am Ende oft um die Frage der Absicht: Es gäbe ja gar keine direkte Diskriminierung, dies oder das sei gar nicht rassistisch gemeint gewesen oder Person X oder Y hätte sich nie rassistisch geäussert (man denke beispielsweise an den wütenden weissen alten Mann, Pat Condell). Die Unmöglichkeit, die eigentliche Intention zu kennen wird dann zum Totschläger. Es wird nach Belegen gerufen, die in Kombination mit einem geforderten naiven Literalismus einen Standard für die Beweislast schaffen, der nicht erreicht werden kann. Fast jede Form von Rassismus (ausser in seiner krudesten Ausprägung) verschwindet so aus unserer Gesellschaft. Aber lassen wir für einen Moment diesen definitorischen Trick gelten. Ein Problem bleibt weiterhin bestehen ganz unabhängig von den guten oder bösen Absichten einer Einzelperson: Rassismus kann strukturell sein.2 Manchmal diskriminiert das System.

Dieses Prinzip scheint für einige schwer zu akzeptieren sein. Vielleicht ist es zu abstrakt, vielleicht ist es ein zutiefst menschliche Reaktion, dass Diskriminierung eine Akteurin oder einen Akteur benötigt. Jemand mit freiem Willen und einem klar zu erkennenden Entscheidungspunkt, an dem dann ein moralische Urteil festgemacht werden kann. Nun bin ich bei der Lektüre eines Artikels im britischen The Economist auf ein schönes Beispiel gestossen um die Problematik von strukturellem Rassismus zu verdeutlichen: Die US Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency)  hat nämlich herausgefunden, dass Stickstoffdioxid rassistisch ist.

NO2Quelle:  National Patterns in Environmental Injustice and Inequality: Outdoor NO2 Air Pollution in the United States, Lara P. Clark, Dylan B. Millet, and Julian D. Marshall

Lara Clark, Dylan Millet und Julian Marshall von der University of Minnesota haben die Daten der letzten Volkszählung mit Karten zu Stickstoffdioxid Belastung verglichen und eine Korrelation gefunden: Die Hautfarbe (oder vielleicht besser: Die in der Volkszählung angekreuzte Kategorie unter “Race”) hat einen Zusammenhang mit der Luftbelastung (vollständige Studie findet man hier). Nun ist es nicht weiter erstaunlich, dass in ärmeren Gebieten die Verschmutzung höher ist. Das ist ein bekanntes Phänomen. Billigere Mieten, sonstige Bevölkerungsgeografie und vielleicht auch mangelnder politischer Einfluss tragen wohl ihren Teil dazu bei. Interessant ist hingegen, dass selbst nachdem auf Einkommen kontrolliert wurde, der Zusammenhang bestehen blieb: Nicht-Weisse werden in den USA mehr mit Stickstoffdioxid belastet als Weisse.

Natürlich sind es nicht die Stickstoffdioxid Moleküle die diskriminieren. Es versprüht auch nirgendwo ein Apartheitsfan Stickstoffdioxid in vornehmlich von nicht-weissen bewohnten Stadtvierteln. Es ist ein anderer Mechanismus am Werk. Diesen kennt man nicht wirklich. Eine im Artikel erwähnte Theorie ist, dass viele eher in Viertel ziehen, das schon von der eigenen demografischen Gruppe bewohnt wird. Aber egal was der Grund ist, so funktioniert struktureller Rassismus. Ganz ohne glatzköpfigen Bösewicht mit Swastika-Tätowierung, ganze ohne Schreibtischtäter, ganz ohne diskriminierendes Gesetz ist man je nach Hautfarbe mehr oder weniger einem Schadstoff ausgesetzt. Diese Diskriminierung ist noch dazu tödlich. Die Autorinnen und Autoren schätzen, dass eine Angleichung der Belastung jährlich 7’000 Menschenleben retten würde. Es gibt ihn also doch, den Rassismus und er tötet.

1 Eine Fussnote für jene, die nur eine absolut wörtliche Auslegung von Begriffen akzeptieren: Wenn ihr unter dem Eindruck steht, dass Rassismus nur auf dem Gedankengebäude der Rassenlehre längst vergangener Zeiten basieren kann und jedes Vorurteil, das sich nicht explizit gegen eine so definierte “Rasse” richtet per se nicht Rassismus sein kann, dann spart euch die Energie deswegen zu kommentieren. Denkt euch “Xenophobie” oder “Diskriminierung auf der Basis von Phänotyp” oder so etwas ähnliches. Diesen Strohmann werden wir ein anderes mal verbrennen müssen.

2 Das gleiche gilt auch für andere Formen der Diskriminierung zum Beispiel bei Sexismus (ein gutes Beispiel wäre wohl die Lohnungleichheit). Ich beschränke mich hier aber wegen des folgenden Beispiels auf die Rassismus frage.

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