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#Der sitzengebliebene Aufstand

Deutschland, so, wie man es kennt, existierte 1848 nicht. Doch genau das wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts gefordert: Ein geeintes Deutschland, Grund- und Freiheitsrechte, keine Kleinstaaterei. 1848 bewegte sich auch auf in­sti­tu­tio­neller Ebene etwas: In Frankfurt trat das Vorparlament und dann die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zusammen. Einer, der sich außen und doch mitten im Epizentrum befand, war Friedrich Stoltze. Wie dieser die Zeit um 1848 wahrnahm und beurteilte, wie sie ihn prägte und welche Hoffnungen er hegte, zeigt die neue Sonderausstellung des 2019 in die Altstadt umgezogenen Stoltze-Museums in Frankfurt.

Satiriker, politischer Intellektueller, Mundartdichter, Frankfurter Original – Friedrich Stoltze war vieles. Geboren 1816 als Sohn eines Gastwirts, kam er schon früh mit den Freiheitsgedanken seiner Zeit in Berührung. Zur weiteren Politisierung taten die Teilnahme am Hambacher Fest 1832 oder die Beobachtung des Sturms auf die Hauptwache 1833 ihr Übriges. 1848 war er als Zuschauer dabei, als die Abgeordneten der Nationalversammlung am 18. Mai in die Paulskirche einzogen. Stoltze, seit 1845 als freier Autor tätig, gründete 1860 das Satireblatt „Frankfurter Latern“, sein zentrales Werk. Immer wieder Zensuren und Verboten während der bismarckschen Zeit ausgesetzt, kritisierte Stoltze in seinen Gedichten und Texten die preußische Politik. Die „Latern“ sollte Licht ins Dunkle bringen und den Weg, stets bürgerlichen und liberalen Idealen folgend, leuchten.

Textliche Zeugnisse sind rar

Das Museum verflechtet nun in einer neuen Sonderausstellung die Geschichte Stoltzes mit den Geschehnissen rund um 1848. Dabei können Besucher in zwei Räumen einen Zeitstrahl ablaufen, der auf Schautafeln wichtige Ereignisse der Jahre erklärt, bebildert und mit literarischen Zeugnissen des Dichters verknüpft. So lässt sich die gescheiterte deutsche Revolution auch ohne Vorwissen anhand von Stoltzes Texten und Gedichten verfolgen. Politisch wichtige Ereignisse werden greifbar. Die Dauerausstellung im unteren Gebäudeteil und im Treppenhaus, die sich mit der Biographie, der Familie und den intellektuellen Kontakten Stoltzes befasst, ergänzt die Sonderausstellung und ordnet das Jahr 1848 in sein Lebenswerk ein.

Karikatur aus der „Frankfurter Latern“, 13/1873, publiziert von Friedrich Stoltze


Karikatur aus der „Frankfurter Latern“, 13/1873, publiziert von Friedrich Stoltze
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Bild: Stoltze-Museum

Die textlichen Zeugnisse, die Stoltze während des revolutionären Aufbruchs und Falls 1848 und 1849 hinterließ, sind rar. In den Jahren selbst verfasste Stoltze zwei Werke: eine Sammlung von Freiheitsliedern Ende 1848 und verschiedenen Gedichte über das Leben als revolutionärer Freischärler in der Pfalz im Mai 1849. Deshalb greift die Sonderausstellung auch auf Texte zurück, die Stoltze im Nachhinein für die „Frankfurter Latern“ schrieb.

„Ich fühl’s in tiefstem Herzensgrund / Einst bricht ein Tag herein, / Wo von den Alpen bis zum Sund, / Ein freies Volk wird sein!“ So dichtete Friedrich Stolze 1849 in den „Skizzen aus der Pfalz“. In den Zeilen stecken zwei Begriffe, die für Stoltze zen­tral und unmittelbar verknüpft waren: Freiheit und Volk. Doch aus der anfänglichen Euphorie während der Revolution im Vorjahr wurde Resignation: „Einst bricht ein Tag herein“. Stol­tze verfasste das Gedicht im Frühling 1849. Die insgesamt sieben Skizzen basieren auf Briefen, die er von seinem Freund Ernst Schalck erhielt, der sich der Pfälzer Freischärlerbewegung angeschlossen hatte. Ob Stol­tze selbst auch teilnahm, ist unklar. Doch lag darin die Freiheit des deutschen Volkes für ihn noch (oder wieder) in weiter Zukunft.

Na, Gott steh mir bei!

Ende 1848, als Stoltze seine zehn „Freiheitslieder“ veröffentlichte, sah das noch anders aus. Die Texte bersten vor Pathos. Es geht um Patriotismus und Deutschtümelei, um Heldenkämpfe und das dafür vergossene Blut, um Befreiung und Mut, um Männlichkeit und Gottesglaube. Wenn die Besucher durch die ausgestellten, transkribierten Seiten der Freiheitslieder blättern, kommen ihnen Zeilen unter wie: „Euch neid’ ich nicht, ihr armen Thoren, / Die ihr vor einem Throne kreucht! / Ich bin ein freier Mann geboren / Und habe nie mein Haupt gebeugt.“ Der Kampf, ja sogar der Tod wird in den Liedern glorifiziert, sei er doch für die Sache, für das geeinte, freie und demokratische Deutschland. In den Liedern lässt sich plastisch ablesen, mit welcher Leidenschaft Stoltze für eine Revolution einstand.

Zentral platziert sind Zeilen aus Stol­tzes Dichtungen und Erzählungen aus der „Frankfurter Latern“. Der Dichter erinnerte sich an die anfängliche Euphorie im März 1848, aber auch an die enttäuschten Hoffnungen mit dem Scheitern der Nationalversammlung: „Im März hat’s gejubelt, im März hat’s geschäumt! / Von Frühling und Freiheit hat Alles geträumt, / […] Famöse Beleuchtung am – ersten April. / Und dann im Oktober? Na, Gott steh mir bei! / Sie werden erlauben, das war Schwärmerei!“

Das Frankfurter Stoltze-Museum ist klein: Es umfasst gerade einmal drei Zimmer und ein Treppenhaus. Auch die inhaltliche Breite ist begrenzt. Es geht um Friedrich Stoltze. Aber nicht nur, gerade in der Sonderausstellung geht es um viel mehr: um die neuere deutsche Geschichte, um nationale Einigung und um Freiheitsrechte. Um Hoffnung und Resignation. All die großen, epochalen Themen der nationalen, demokratischen und liberalen Bewegungen des 19. Jahrhunderts werden anhand Stoltzes Werk aufbereitet und greifbar. So auch der Grund, warum die Revolution schlussendlich scheiterte: „Das Jahr 48 war ein sitzengebliebener Aufstand und ein aufgestandener Sitzengebliebener. Hätten wir ihnen mehr zugesetzt, so hätten sie uns mehr zugestanden.“

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