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#Was kommt nach den Protesten?

„Was kommt nach den Protesten?“

Der Islamischen Republik Iran wurde seit ihrer Gründung 1979 regelmäßig ein baldiges Ende vorausgesagt. Sie erwies sich jedoch als erstaunlich widerstandsfähig und hat die Lebenszeit der DDR bereits übertroffen. Dennoch stellt sich immer dringlicher die Frage, ob die Protestwellen, die immer schneller kommen, das Ende ihres Lebenszyklus andeuten. Denn ideologisch ist die Islamische Republik leer. Ihrer Bevölkerung hat sie für die Zukunft keine Vision mehr zu bieten.

Erstmals finden bei den landesweiten Protesten, die am 16. September begonnen haben, mehrere Gesellschaftsschichten zusammen: die verarmte Unterschicht und die verarmende Mittelschicht, der Basar und die Universitäten. Noch scheint das Regime in seiner Existenz nicht akut bedroht. Die Oberhand behält, wer über die Waffen verfügt. Es ist nicht abzusehen, dass bedeutende (para-)militärische Einheiten die Seite wechseln. Der Kipppunkt könnte sein, wenn dies geschähe und Waffen in die Hände der Demonstranten fielen.

Zwei Szenarien sind für Iran in naher Zukunft vorstellbar. Beide werden den Umgang mit dem Land nicht einfacher machen. Das erste Szenario betrifft die Nachfolgeregelung für den 83 Jahre alten und gesundheitlich angeschlagenen Ajatollah Khamenei an der Spitze der Islamischen Republik. In den 33 Jahren seiner Herrschaft hatte höchste Priorität, Khomeinis Revolution von 1979 und deren Prinzipien zu bewahren. In diesem Sinne regelt er nun seine Nachfolge.

Dazu hat er über die Jahre die Kräfte marginalisiert (und letztlich ausgeschlossen), welche die Islamische Republik mit Reformen öffnen wollten, wie die früheren Präsidenten Rafsandschani und Khatami. Er förderte jene, die den Prinzipien der Revolution verpflichtet sind. Dazu gehören die Feindschaft zu den Vereinigten Staaten und Israel, eine enge „islamische“ Sittenmoral und ein Ausschluss politischer Opposition.

Gegenwärtig gibt es niemanden, der Khamenei als Revolutionsführer folgen könnte. Präsident Raisi, obwohl Hardliner, gilt als Leichtgewicht. Mit Khameneis Sohn Mojtaba, einer dynastischen Regelung, würde das Regime noch mehr Glaubwürdigkeit verspielen. Ein General der Revolutionswächter kann es nicht werden, da ihre Kandidaten bei Wahlen immer kläglich gescheitert sind.

Revolutionswächter mit riesigem Waffenarsenal

Damit deutet sich ein Führungsrat an, dem zwar Raisi, Mojtaba Khamenei und ein General angehören könnten. Die Macht läge aber bei zwei anderen Kreisen. Sie würden sicherstellen, dass die Prinzipien der Revolution nicht angetastet werden. Das wichtigste Machtzentrum werden in der Ära nach Khamenei die Revolutionswächter bilden. Ihre Streitkräfte gehören zu den größten weltweit, sie sind mit einem umfassenden Waffenarsenal und Millionen Freiwilligen ausgestattet, betreiben einen gefürchteten Geheimdienst, kontrollieren die Medien und die Hälfte der Wirtschaft.

Möglichst wenige Informationen sollen aus dem Land nach außen dringen: Standbild aus einem Video auf einer Plattform iranischer Studenten


Möglichst wenige Informationen sollen aus dem Land nach außen dringen: Standbild aus einem Video auf einer Plattform iranischer Studenten
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Bild: AFP

Aufgrund der Privilegien ihrer Unternehmen haben Private gegen sie keine Chance. Der im Deutschen oft gebrauchte Begriff der „Revolutionsgarden“ verharmlost ihre Bedeutung. Sie sind nicht eine Art Schweizergarde, sondern eine Truppe, die sich, so der persische Begriff, als entschlossene „Wächter der Islamischen Revolution“ versteht.

Vorausschauend hat Khamenei dazu ein zweites Standbein der Macht aufgebaut. Während sein Vorgänger Khomeini nur einen kleinen Kreis von Vertrauten um sich geschart hatte, legte Khamenei mit seinem „Büro des Obersten Führers“ ein Netzwerk über das ganze Land. Ihm gehören viertausend Personen an, die ein starker Korpsgeist auszeichnet. Sie sind in den Provinzen und zahlreichen Institutionen seine persönlichen Vertreter und nehmen die Interessen des Staats wahr.

Iraner wünschen sich Freiheit

Mit einer solchen Konstellation würde die Islamische Republik eine Militärdiktatur. Khamenei und seine potentiellen Nachfolger müssen sich jedoch mit der Frage auseinandersetzen, ob sie mit wirtschaftlichen Freiräumen und gesellschaftlichen Freiheiten Druck aus dem Kessel nehmen wollen, um dem Entstehen einer kritischen Masse zuvorzukommen, die eine Revolution anstoßen könnte.

Sollte eine Revolution Erfolg haben, dann würde dem Land, und das ist das zweite Szenario, eine Implosion drohen. Anders als 1979 gibt es weder im Ausland und noch weniger im Inland eine organisierte Opposition, die das Vakuum füllen könnte. Es ist völlig unklar, was an die Stelle des heutigen repressiven und sklerotischen Systems treten könnte.

Ein Kollaps würde damit die Achse des Scheiterns, die den Nahen Osten durchzieht, nach Osten verlängern. Aus dem schiitischen Halbmond, der von Teheran bis ans Mittelmeer reicht und zwei Jahrzehnte lang eine iranische Machtdemonstration war, würde eine Achse gescheiterter oder scheiternder Staaten. In Iran erklingt der Wunsch nach Freiheit. Doch es besteht das Risiko, dass künftig von dem Land eine noch größere geopolitische Gefahr ausgehen wird.

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